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Experten-Ausblick: Wie geht es jetzt mit den Banken weiter?

Anfang März erschütterten die Nachrichten von Bankenpleiten sowie Liquiditätsproblemen Sparer und Anleger und stellten das Vertrauen – die Grundlage eines funktionierenden Finanzsystems – auf den Prüfstand. Wie könnten sich diese Ereignisse kurz- und langfristig auswirken?
Große Geschäftsbanken dürften profitieren – müssen aber auch zahlen
Im Zeitalter von Internet und Handy ist es vergleichsweise einfach, Vermögenswerte an große Geschäftsbanken zu übertragen, und unter den gegenwärtigen Bedingungen werden diese von vielen Bankkunden und Finanzvorständen als weniger risikobehaftet wahrgenommen. Auf kurze Sicht ist es zwar nicht notwendig, doch wir wären nicht überrascht, wenn Spareinlagen von regionalen Geldinstituten zu größeren Banken transferiert würden. Vermutlich findet die US-Regierung keinen Gefallen an Finanzinstituten, die „zu groß zum Scheitern“ sind („Too big to fail“). Jedoch entwickelt sich der Markt gerade in diese Richtung, und die Großen werden noch größer werden.
Das heißt nicht unbedingt, dass für die großen Banken alles eitel Sonnenschein ist. Sie mögen vielleicht Einlagen sammeln, müssen allerdings auch für die Finanzierung der Einlagensicherung aufkommen. Denn auch in den USA wird die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) nicht durch die Steuerzahler finanziert; sondern durch ein Umlagesystem: Banken und Sparkassen zahlen entsprechend ihrer Größe in den FDIC-Einlagensicherungsfonds ein.
Auf Regionalbanken kommen weitere Regulierungen zu
Im Jahr 2018 nahm der US-Kongress kleine Banken von der Überprüfung durch die Aufsichtsbehörden aus. Dagegen sind die Großbanken nach wie vor damit konfrontiert, beispielsweise mit dem jährlichen CCAR-Bankenstresstest der US-Notenbank. Wir gehen davon aus, dass diese Überprüfungen auch für Regionalbanken wieder eingeführt werden.
Mithilfe dieser Tests bewertet die Bankenaufsicht, ob eine Bank stark genug ist, um große Verluste zu verkraften. Nun dürften die Stresstests in größerem Umfang auch bei Regionalbanken durchgeführt werden. Denn die Aufsichtsbehörden sind sich darüber im Klaren, dass sogar kleinere Banken eine Destabilisierung des Finanzsektors bewirken können. Kapital- und Liquiditätsvorschriften, die momentan nur für systemrelevante Banken gelten, also große Geschäftsbanken, überregionale Banken und Treuhandbanken, können ebenfalls auf andere Ebenen ausgeweitet werden – inklusive Regionalbanken.
Dazu gehören unter anderem Kapitalvorschriften zur Gesamtverlust-Absorption. Diese erfordern, dass diese größeren Banken vorrangig besicherte Schuldtitel als Schutz gegen Verluste begeben, und sehen vor, dass nicht realisierte Verluste aus Anleihenportfolios, die als zur Veräußerung verfügbar gelten, bei der Berechnung des regulatorischen Kapitals mit einbezogen werden.
Mehr Regulierung bedeutet für Regionalbanken höhere Kosten. Zwar wird die Anwendung dieser Vorschriften wahrscheinlich über einige Jahre schrittweise umgesetzt, um den Banken ausreichend Zeit zu geben, die Anforderungen zu erfüllen. Dennoch dürften die zusätzlichen Regeln zu einer Verringerung der Rentabilität sowie einer niedrigeren der Bewertung von Bankaktien führen – obgleich sie die Anleger zuversichtlicher stimmen.
Des Weiteren werden Regulierungsbehörden generell eine größere Rolle spielen, da sie um die Aufrechterhaltung des Vertrauens in das Finanzsystem bemüht sind. Die ausgehandelte Übernahme der Credit Suisse durch die UBS liefert ein gutes Beispiel dafür, genauso wie die gemeinsamen Anstrengungen der US-Notenbank Fed mit anderen Zentralbanken zur Stabilisierung der First Republic Bank.
Banken sind rentabler geworden – aber es wird schwieriger
Der Nettozinsertrag (NZE) ist der Geldbetrag, den eine Bank an Zinsen auf Kredite erwirtschaftet, abzüglich der Zinsen, die sie auf Einlagen zahlt. Der NZE bestimmt die Rentabilität einer Bank. Aufgrund des Zinsanstiegs konnten die Banken den NZE durch die höheren Erträge auf Kredite steigern, während sie gleichzeitig den Sparern geringere Zinsen auf ihre Spareinlagen zahlten.
Die Nettozinsmarge (NZM) bildet der NZE, der durch die verzinslichen Aktiva der Bank dividiert wird. Unserer Meinung nach hat die NZM wahrscheinlich ihren Höchstwert erreicht, da Bankkunden auf höherverzinsliche Möglichkeiten aufmerksam geworden sind, etwa Geldmarktfonds. Eine Bank, deren Einlagen abfließen, muss entweder ihre Zinsen erhöhen oder Kredite zu höheren Zinssätzen aufnehmen. In jedem Fall verringert sich die NZM. Dennoch: Auch wenn die NZM vielleicht einen Höchstwert erreicht hat, gilt dies möglicherweise nicht für den NZE, denn die Vermögenswerte einiger Banken wachsen stärker, als die NZM sinkt. Für Anleger bedeutet das unterm Strich, dass möglicherweise Bankgewinne und Bewertungen beeinträchtigt werden könnten.
Auf der nächsten Seite: Warum Übernahmen angeschlagener Banken im aktuellen Umfeld schwierig sind und welche Auswirkungen das Zinsumfeld auf Institute hat.
Konsolidierung ist keine Lösung
Während der Großen Finanzkrise bestand ein gängiges Instrument der Aufsichtsbehörden zur Rettung einer angeschlagenen Institution darin, einen willigen Käufer zu suchen, d. h. eine finanzkräftige Bank. Für die Fed ist diese Lösung im gegenwärtigen Umfeld aus vier Gründen nicht verfügbar:
- Erstens waren Banken, die anderen in Schwierigkeiten geratenen Finanzinstituten während der globalen Finanzkrise zu Hilfe kamen, nachträglich mit intensiven Prüfungen seitens der Regulierungsbehörden konfrontiert. Gleichzeitig wurden im Eifer der Verhandlungen gewährte Zugeständnisse nicht eingehalten.
- Zweitens muss der Käufer die erworbene Bilanz nach den aktuellen Rechnungslegungsvorschriften zum Marktwert bewerten: Kredite, Wertpapiere und Einlagen gleichermaßen. Da sämtliche Kredite und Wertpapiere zu geringeren Kursen geschaffen oder erworben wurden, würden diese Bewertungen für den Erwerber zu Verlusten führen, die seine Eigenkapitalquoten beeinträchtigen würden. Käufer hätten gerne, dass diese Tatsache im Anschaffungspreis reflektiert wird (d. h. er würde niedrig sein), was den Verkäufer demotiviert und den Wert der Bankaktien zusätzlich negativ beeinflusst.
- Der dritte Grund ist, dass es den größten Banken ohne Erlaubnis der Aufsichtsbehörden nicht gestattet ist, durch Übernahmen noch größer zu werden.
- Schließlich rührt die aktuelle Krise daher, dass die Bankkunden den Banken ganz unvermittelt massenweise den Rücken kehren, häufig per Online-Banking und Smartphone-Apps. Dieses Phänomen macht es Regulierungsbehörden extrem schwer, Käufer zu finden und ihnen die notwendigen Informationen zu liefern, damit sie zeitnah eine sichere, fundierte Entscheidung treffen können. Es ist unwahrscheinlich, dass eine Konsolidierung eine unter Druck stehende Bank retten kann.
Zinsumfeld setzt Banken unter Druck
Nur ein kleiner Kreis von Banken ist von einem Abfluss der Einlagen betroffen, und augenscheinlich hat dies aus Sicht der Rentabilität erhebliche Auswirkungen für diese Banken. Dies gilt insbesondere, wenn sie ihre Mittel auffüllen, indem sie teure Kredite oder Asset-Swaps im Rahmen der neuen Fed-Fazilität aufnehmen.
Ein weiterer Kreis von Banken, der die Aufmerksamkeit der Anleger verdient sind jene Finanzinstitute, die keinen Einlagenabfluss erleben, aber eine hohe Allokation in Anlagen haben, die bis zur Endfälligkeit gehalten werden. Sie verzeichnen zudem erhebliche Verluste aus Anleihen in ihren zum Verkauf verfügbaren Anleihenportfolios und unterliegen fernerhin Liquiditätsbeschränkungen. Wir nehmen an, dass viele dieser Banken versuchen werden, ihre Anleihenportfolios schnellstmöglich neu zu gewichten: Anleihen mit längerer Laufzeit zu verkaufen und stattdessen Titel mit kürzerer Laufzeit zu kaufen.
Ein Katalysator, der die Situation in den Anleihenportfolios rasch entspannen könnte, sind niedrigere Zinsen. Die raschen Zinserhöhungen der Fed nach vielen Jahren der Nullzinsen führten zu Liquiditätsengpässen, und jede Zinssenkung dürfte den Druck nehmen und den Banken die Möglichkeit zur Verkürzung ihrer Duration geben. Daher wird jegliche Erleichterung bei den Inflationsdaten letztendlich ein besseres Umfeld für die Banken bewirken.
Kommunikation im Internet beschleunigt Bankkrisen
Die Geschwindigkeit, mit der die Silicon Valley Bank zusammenbrach, war spektakulär: Am 8. März gab die Bank ihren Plan zur Kapitalaufnahme bekannt, und am 10. März wurde sie von der FDIC übernommen. Zuletzt geriet die Credit Suisse unter Druck, nachdem ein Investor aus Saudi-Arabien angedeutet hatte, dass er der Bank kein zusätzliches Kapital zur Verfügung stellen würde. In beiden Fällen erzeugte die Informationsgeschwindigkeit im Internet ein Umfeld mit der Devise „erst schießen, dann fragen“, da Finanzvorstände und Risikomanager versuchten, ihre Risiken zu begrenzen.
Das Internet wird nicht verschwinden. Somit obliegt es den Banken, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die der Überprüfung im Internet sowie der Motivation dubioser Akteure, die jene Plattformen möglicherweise manipulieren, standhalten können. Niemand hat den perfekten Einblick, welche Probleme den Unternehmen bevorstehen oder wann die Emotionen die Logik übertönen. Die andere Seite dieser Dynamik ist, dass diese Verzerrungen auch Chancen hervorbringen.
Die Verwerfungen, die die Marktvolatilität verursacht – insbesondere wenn es sich um emotionsbedingte Verwerfungen handelt – können Kaufgelegenheiten für jene schaffen, die bereit sind, die nötigen Nachforschungen anzustellen. Eine intensive Beschäftigung mit der Materie und die analytische Arbeit können in manchen Fällen gute Möglichkeiten aufzeigen.
Auswege aus der Krise: Die Politik ist gefragt
Banken nehmen Gelder entgegen und verleihen sie an Unternehmen, die expandieren und Ausstattung kaufen und Mitarbeiter einstellen wollen. In der Vergangenheit konnten Banken darauf vertrauen, dass ihnen diese Einlagen jahrelang zur Verfügung standen. Daher fühlten sie sich sicher, wenn sie das Geld an Unternehmen verliehen, um langfristige Investitionen zu finanzieren. Die Marktteilnehmer zogen ihre Einlagen in den vergangenen Wochen deswegen ab, weil sie die Bewertung von langfristigen Krediten und Investments, die auf eine Haltedauer von mehreren Jahren ausgelegt waren, in Frage stellten. Dies führte zu Bedenken hinsichtlich der wirtschaftlichen Tragfähigkeit von Banken.
Banken müssen in der Lage sein, wachstumsorientierte Kreditnehmer nach Kräften mit langfristigem Kapital zu versorgen, ohne befürchten zu müssen, dass kurzfristige Faktoren sie in ihrer Fähigkeit diesbezüglich beeinträchtigen. Politische Entscheidungsträger sollten sich auf die Ursachen dafür konzentrieren, wie wir in diese Lage geraten sind, und einen Weg in die Zukunft finden.
Über die Autoren:
William Davies ist globaler Investmentchef bei Columbia Threadneedle Investments und leitet in dieser Position alle Investmentteams des Vermögensverwalters. Dick Manuel ist als Aktienanalyst verantwortlich für den Bereich Kapitalmärkte. Aktienanalyst Peter Tiletnick verantwortet den Bereich Banken.