Der große Preis Wie Inflation Märkte und Geldpolitik aus den Angeln hebt
Es war völlig klar, dass mit den Preisen etwas nicht stimmte. Was der Mitarbeiter eines Holzhändlers in Norddeutschland erzählte, war einfach verrückt. „Manche Baufirmen führen Aufträge nicht aus und bezahlen lieber die Vertragsstrafe. Das ist für sie günstiger“, erklärte der Mann, der gern anonym bleiben wollte. Der Grund: Die Unternehmen hatten verbindliche Kostenvoranschläge abgegeben, das Material aber noch nicht gekauft. Das wurde aber in der Zwischenzeit dermaßen teuer, dass der Auftrag Verluste gebracht hätte. Mehr als verdoppelt habe sich der Preis für Bauholz, sagte der Mann, wenn man überhaupt noch welches bekäme. Das war im späten Frühling.
Jetzt ist Winter, und die Situation hat sich in manchen Rohstoffmärkten wieder leicht entspannt. Der monatliche amerikanische Index für Schnittholz gab von seinem Höchststand im Mai bis zum Oktober wieder 36 Prozent ab. Trotzdem meldete das Statistische Bundesamt für den September, dass „Produkte des Holzeinschlags“, wie Baumstämme, Äste, Bau und Feuerholz auf Bürokratisch heißen, 30 Prozent teurer waren als im Vorjahr.
Das Beispiel lässt sich auf viele Märkte übertragen: Metalle, Öl, Benzin, Erdgas, Produkte des täglichen Bedarfs – die Erkenntnis, dass Lieferketten klemmen und Güter einfach mal knapp werden können, ließ das Preisniveau insgesamt steigen. Und damit verhalf sie der längst für tot erklärten Inflation im Jahr 2021 zu einem furiosen Comeback. Tatsächlich stiegen die Preise dies- und jenseits des Atlantik derart stark, wie es das seit Jahrzehnten nicht mehr gab (siehe Kasten unten).
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Die Frage, wie es mit den Kapitalmärkten weitergeht, verbindet sich so mit der Frage, wie es mit den Preisen weitergeht. Kein Ausblick, keine Konferenz, kein Webinar ohne die bange I-Frage. Ein Konsens ist wohl, dass die enormen Werte von zum Beispiel mehr als 6 Prozent in den USA nicht lange bleiben. Denn Inflation wird im Vergleich zum Vorjahr ausgerechnet, damit beziehen sich spätestens die Daten ab Sommer auf das schon hohe Niveau von diesem Jahr. Dieser Basiseffekt sollte dafür sorgen, dass sich die Inflation ausschleift, wie es so schön heißt.
Dass Rohstoffpreise in diesem Tempo weiter steigen, steht erst einmal nicht zu befürchten. Einerseits drosseln höhere Preise die Nachfrage, und es bildet sich ein Gleichgewicht. Das gilt aber nur für Rohstoffe, bei denen die Nachfrage sinken kann. Zur Energiewende gibt es beispielsweise keine vernünftige Alternative.