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Research-Spezialist erläutert Wie KI und maschinelles Lernen die Kreditvergabe verändern

Ausstellung zum Thema Künstliche Intelligenz in Dresden
Ausstellung zum Thema Künstliche Intelligenz in Dresden: Die Technologie könnte unter anderem auch die Kreditvergabe revolutionieren, meint Gastautor Kevin Kruczynski. | Foto: Imago Images/Sylvio Dittrich

Vor einer Generation noch war die Bewilligung eines Kredits ein Privileg, das durch ein persönliches Verhältnis zum Bankdirektor vor Ort gewährt wurde. Denn dieser musste in der Lage sein, den Charakter und die finanzielle Situation einer Person zu beurteilen, bevor er über die Zusage eines Kredits entschied. Im Laufe der Jahre hat diese Art der persönlichen Bankbetreuung an Bedeutung verloren, die Filialnetze der Banken schrumpften, während Kredite allgegenwärtig und für mehr Menschen denn je verfügbar geworden sind.

Ein großer Teil dieses Wandels wurde durch Kreditauskunfteien ermöglicht, die die Kreditaktivitäten von Personen anhand etablierter Modelle überwachen, um deren Kreditwürdigkeit zu bewerten. Eine höhere Bonitätseinstufung eröffnet in der Regel ein breiteres und günstigeres Spektrum an Kreditmöglichkeiten. 

Viele Kreditanträge fallen durchs Raster 

In den USA führte das Analyseunternehmen Fico im Jahr 1989 einen Algorithmus zur Kreditwürdigkeitsprüfung ein, Dieser verwendet fünf Variablen zur Berechnung der Kreditwürdigkeit einer Person. Die Banken legten anschließend Mindestpunktzahlen fest, anhand derer sich potenzielle Kreditnehmer für erstklassige Kreditprodukte qualifizieren konnten. Dieses System ist in den meisten Kreditabteilungen fest verankert, und bis vor Kurzem gab es kaum Anreize, diese Vorgehensweise weiterzuentwickeln und neuere Technologien einzusetzen.

Das Hauptproblem besteht darin, dass aufgrund der Starrheit und der Verzerrungen des Systems vollkommen valide Kreditantragsteller durch das Raster fallen. Schätzungsweise 80 Prozent der Amerikaner sind noch nie mit der Bedienung eines Kredits in Verzug geraten, doch nur 49 Prozent erhalten über das derzeitige System Zugang zu erstklassigen Krediten. Im Ergebnis wird zahlreichen Kreditnehmern, die den Willen und die Mittel zur Rückzahlung haben, der Zugang zu erstklassigen Produkten verweigert. Dadurch sind sie gezwungen, teurere Subprime- Kreditalternativen zu nutzen, während den Banken erhebliche Einnahmen und Wachstumsaussichten entgehen. 

KI: Win-Win für Kreditnehmer und Banken 

Mittlerweile existieren neuere KI- und ML-gestützte Ansätze der Kreditwürdigkeitsprüfung. Sie erlauben, die Kreditwürdigkeit einer Person korrekter zu beurteilen. Die neuesten KI-gesteuerten Modelle berücksichtigen mehr als 1.500 Datenpunkte, einschließlich Informationen aus sogenannten digitalen Fußabdrücken und sozialen Medien.

Diese Verfahren nutzen eine schlankere und modernere Cloud-basierte Infrastruktur, die deutlich einfacher und kostengünstiger zu pflegen ist als die Altsysteme der meisten Banken. Dies erleichtert die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und hilft bei der Aufdeckung von Betrug. Eine Analyse von McKinsey zeigt, dass Banken, die neuere Kreditvergabemodelle eingeführt haben, ihre Erträge um bis zu 15 Prozent steigern und die Ausfallraten um bis zu 40 Prozent senken konnten – was durch eine Kombination aus besserer Kundenerfahrung, höheren Akzeptanzraten, niedrigeren Kundenakquisitionskosten und geringeren Ausfallraten erreicht wurde. Hinzu kommt der Nebeneffekt, dass die Arbeitsabläufe und Prozesse gestrafft werden konnten. 

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Upstart - plattformbasierte Lösungen in der Schlüsselrolle 

Allein in den USA existieren mehr als 4.000 Banken. Wir sind davon überzeugt, dass nur sehr wenige das notwendige Geschäftsvolumen aufweisen, um firmeneigenen Systeme der neuesten Technologiegeneration zu entwickeln. Noch weniger strahlen die Anziehungskraft aus, um die besten Talente aus dem Silicon Valley anzuziehen.

Es zeichnen sich einige interessante Geschäftsmodelle ab. Von diesen scheint Upstart eine Schlüsselrolle in diesem Bereich einzunehmen, da deren plattformbasierter Ansatz allmählich eine kritische Masse erreicht. Das Unternehmen wurde vor zehn Jahren von ehemaligen Google-Mitarbeitern gegründet, die den Kreditentscheidungsprozess unter der Prämisse revolutionieren wollten, moderne Informatik und neueste Technologien zur Verbesserung der Ergebnisse einzusetzen. 

Die Zahl der Variablen in ihren Algorithmen liegt inzwischen bei über 1.500, Tendenz steigend. Dies trägt zu einem positiven Kreislauf bei, denn je mehr Kredite über Upstart vergeben werden, desto genauer wird der Algorithmus. Die bisherigen Ergebnisse stimmen zuversichtlich: Mehr Kreditnehmer erhalten Zusagen, und die Ausfallraten sind niedriger. Anstatt die Kredite in den eigenen Büchern zu halten und das Kreditrisiko zu übernehmen, kooperiert Upstart mit Banken, die mit Hilfe der Upstart-Technologie beabsichtigen Kredite zu vergeben.

Derzeit sind 30 Banken auf der Plattform vertreten, und man hofft, diese Zahl innerhalb eines Jahres auf über 100 erhöhen zu können. Klar ist, dass die Wachstumsperspektive lang ist. Denn je mehr Kredite mit der Technologie bewilligt werden, desto mehr Beweise für positive Ergebnisse werden erbracht und desto mehr Vertrauen werden die Banken in diese Technologie setzen. 

Über den Autor: 

Kevin Kruczynski ist Investmentmanager für Research und Analysen von globalen und US-Aktien beim Vermögensverwalter GAM.

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