Schenkung, Vollmacht, Erbfolge Wie man generationenübergreifend für Klarheit bei den persönlichen Finanzen sorgt
Was mir an meiner Arbeit als Berater so gut gefällt? Keine Familie gleicht der anderen und jede hat grundlegend verschiedene Bedürfnisse. Was sie aber alle gemeinsam haben: Sie sollten gemeinsam über finanzielle und rechtliche Themen sprechen, und das am besten möglichst frühzeitig. Wer soll einmal mein Vermögen erben? Was passiert, wenn ich pflegebedürftig werden sollte? Kann ich bereits jetzt mit Vollmachten oder Schenkungen an meine Kinder und Enkel für spätere Eventualitäten vorsorgen?
Genau diese Fragen haben sich auch zwei meiner Kunden gestellt – nennen wir sie das Ehepaar Schneider. Er ist Arzt im Ruhestand, sie ist Hausfrau. Die beiden haben einen gemeinsamen Sohn, Thomas (43), der von seiner Frau geschieden ist. Das gemeinsame Kind der beiden, also der Enkel der Schneiders, lebt mit seiner Mutter im außereuropäischen Ausland. Das Ehepaar Schneider wohnt zur Miete, ihr Vermögen besteht in erster Linie aus Immobilien. Die Mieteinnahmen hieraus dienen ihrem Lebensunterhalt. Durch Schenkungen von seinen Eltern konnte Sohn Thomas eine alte Immobilie erwerben, die er nach und nach renovieren will. Die Schneiders möchten nun noch weiteres Vermögen auf ihren Sohn und auch auf ihren Enkel übertragen, um Freibeträge auszuschöpfen. Ihre Ex-Schwiegertochter soll aber keinen Zugriff auf das Vermögen haben.
Vermögens- und Einkommenssituation der Schneiders
Das Ehepaar besitzt gemeinsam zwei Eigentumswohnungen im Wert von jeweils 370.000 Euro. Frau Schneider ist außerdem die Eigentümerin der ehemaligen Praxis-Immobilie, für die ein Darlehen aufgenommen wurde. Weiterhin hat sie eine Rentenversicherung mit einem Vermögenswert von 114.000 Euro und ein Kontoguthaben von 15.000 Euro.
Aus den beiden Eigentumswohnungen ergeben sich für beide Ehepartner jeweils 10.800 Euro Mieteinnahmen pro Jahr. Bei Frau Schneider kommen noch einmal 18.000 Euro Mieteinnahmen pro Jahr für die Praxis-Immobilie hinzu. Allerdings tilgt sie auch das Darlehen mit 6.000 Euro pro Jahr. Herr Schneider bezieht 26.400 Euro Rente aus einem Versorgungswerk und zahlt pro Jahr 9.600 Euro Miete. Die jährlichen Krankenversicherungsbeiträge stellen einen weiteren großen Ausgabenposten für die Eheleute dar. Insgesamt kommt Herr Schneider auf einen Saldo von 20.400 Euro und Frau Schneider auf einen Saldo von 18.000 Euro pro Jahr.
Bereits erfolgte Schenkungen und vorhandene Regelungen
In der Vergangenheit haben die Schneiders drei Schenkungen vollzogen. Alle drei waren Geldschenkungen an ihren Sohn Thomas, die dem Immobilienerwerb beziehungsweise notwendigen Baumaßnahmen dienten. Insgesamt wurden so bereits 520.000 Euro übertragen. Rechtliche Regelungen hat das Ehepaar bisher noch keine getroffen. Somit gilt aktuell die gesetzliche Erbfolge. Es bestehen außerdem zum jetzigen Stand noch keinerlei andere Vollmachten oder Vertretungsregelungen.
Herausforderung 1: Erbfolge und Vollmachten
Die Schneiders wünschen sich, dass sie sich als Ehepartner gegenseitig beerben. Sobald beide verstorben sind, soll der Enkel direkt ihr Vermögen erben, auch um Freibeträge auszuschöpfen. Die aktuelle Situation – ohne erbrechtliche Verfügungen und Vollmachten – spiegelt also nicht die Wünsche des Paares wider.
Meine Empfehlung:
Die Eheleute sollten einen Rechtsanwalt konsultieren, um mit dessen Hilfe in einer testamentarischen Regelung die von ihnen gewünschten erbrechtlichen Verfügungen umzusetzen. In ihrem Fall könnte in einem Testament beispielsweise geregelt werden, dass sie sich gegenseitig beerben und dass beim Versterben des zweiten Ehepartners auch direkt der Enkel erbt. Auch kann es sinnvoll sein, sich gegenseitig in Form einer Generalvollmacht zu bevollmächtigen. Außerdem sind für eine spätere eventuelle Pflegebedürftigkeit eine Betreuungs- sowie eine Patientenverfügung sinnvoll. Sicherheitshalber könnte zusätzlich eine Vollmacht an eine Vertrauensperson des Ehepaars übertragen werden, zum Beispiel an Sohn Thomas.
Herausforderung 2: Rechtliche und steuerliche Besonderheiten im Ausland
Die Ex-Schwiegertochter hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Enkelsohn der Schneiders. Die beiden leben im außereuropäischen Ausland.
Meine Empfehlung:
Sowohl bei den Schenkungen an den Enkel als auch bei eventuell anfallenden Erbschaftssteuerzahlungen müssen gegebenenfalls rechtliche Rahmenbedingungen mit Bezug zu ausländischem Recht berücksichtigt werden. Ich empfehle meinen Kundinnen und Kunden generell, immer auch ihren Steuerberater oder Anwalt zur Beratung heranzuziehen. Besonders in diesem speziellen Fall sollten alle Maßnahmen unbedingt durch einen entsprechenden Fachanwalt mit Expertise in ausländischem Recht steuerlich und rechtlich abgeklärt werden.
Herausforderung 3: Überschreitung von Freibeträgen
Je nach Höhe des Vermögens, das der Enkel – wie von den Schneiders gewünscht – direkt vom letztversterbenden Großelternteil erben soll, kann hier der Freibetrag (in Höhe von 200.000 Euro) überschritten werden. Auch für Sohn Thomas würde der Freibetrag bei lediglich 400.000 Euro liegen, was den Vermögenswert der Immobilien der Schneiders überschreitet.
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Meine Empfehlung:
Um eine spätere Überschreitung von steuerlichen Freibeträgen zu vermeiden, sollten bereits zu Lebzeiten weitere Schenkungen an den Sohn und an den Enkel erfolgen. Unter Berücksichtigung der verbleibenden Freibeträge kann, je nach persönlicher Präferenz, mit Schwerpunkt an den Sohn oder mit Schwerpunkt an den Enkel verschenkt werden (siehe Beispielszenario in der Grafik). Bei Schenkung der Immobilien kann ein Nießbrauchrecht zugunsten der Eheleute eingeräumt werden. In jedem Fall sollten sich die Schneiders auch ein Rückforderungsrecht vorbehalten, das beispielsweise zum Tragen käme, wenn Thomas vor seinen Eltern versterben würde oder sein Vermögen von Pfändungen betroffen sein sollte.
Herausforderung 4: Aktuelle und zukünftige Deckung von Kosten
Aktuell und perspektivisch ist die finanzielle Situation von Sohn Thomas angespannt. Auch die Schneiders selbst könnten in der Zukunft vor dem Problem stehen, dass sie im Fall einer eventuellen Pflegebedürftigkeit die Kosten nicht oder nur knapp aus den laufenden Einnahmen decken können.
Meine Empfehlung:
Es ist bereits geplant, dass die ehemalige Praxis-Immobilie veräußert werden soll. Der Verkaufserlös kann nach Ablösung noch bestehender Verbindlichkeiten als weiteres liquides Kapital vorgehalten werden, um auf eine eventuelle Pflegebedürftigkeit eines oder beider Ehepartner vorbereitet zu sein. Alternativ kann das Kapital auch, gegebenenfalls zusammen mit Teilen der vorhandenen Rentenversicherung, reinvestiert werden, um so die wegfallenden monatlichen Mieteinnahmen zumindest teilweise auszugleichen, zum Beispiel durch ein Depot mit Auszahlplan.
Um die wirtschaftliche Situation von Sohn Thomas zu stabilisieren, kann festgelegt werden, dass er nach dem Tod seiner Eltern von den Einnahmen aus dem geerbten Vermögen des Enkels – also seines Sohnes – profitieren soll. Das ist beispielsweise durch das Vorsehen eines Zuwendungsnießbrauchrechts möglich.
Alles im Blick behalten
Drei Generationen – eine Finanzplanung: Auch wenn viele Herausforderungen auf den ersten Blick komplex wirken, können die meisten mit einer transparenten, vorausschauenden Einschätzung und offener Kommunikation einfach gelöst werden. Die Betrachtung über Generationen hinweg sorgt hierbei dafür, dass Themen schon frühzeitig angegangen werden. Die gesamte Familie Schneider kann so entspannt in die Zukunft blicken.
Über den Autor:
Olaf Simon ist Certified Financial Planner und seit über 22 Jahren bei MLP als Berater tätig. Er berät Kundinnen und Kunden in Münster und Berlin generationenübergreifend mit den Schwerpunkten Vermögensmanagement, Immobilienfinanzierung, Ruhestandsplanung und Testament.
Wir präsentieren kontinuierlich Beispiele aus der Beratungspraxis. Wir schauen dabei erfolgreichen CFP-Zertifikatsträgern bei MLP über die Schulter – unter anderem bei Beratungen zu Praxisgründungen, Ruhestandsplanungen, Depotanalysen und Immobilienfinanzierungen. Tipps und Tricks inklusive.