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5 Fragen und Antworten Wie sich die Corona-Krise auf die Inflation auswirkt

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3. Hat die Inflation durch Corona für die Geldpolitik an Stellenwert verloren?

Nein, das hat sie nicht. Schon vor Corona konnte man beobachten, dass die Inflation trotz guter Konjunktur nicht ansprang. Ein dauerhaftes Verfehlen des Inflationsziels einer Notenbank birgt aber ein Risiko für die Wirksamkeit von Geldpolitik: Die Inflationserwartungen „entankern“ sich. Das heißt, Unternehmen, Arbeitnehmer und Konsumenten rechnen mit immer tieferer Teuerung. Es droht eine selbsterfüllende Prophezeiung.

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Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat daher im Spätsommer 2020 einen Strategiewechsel bekanntgegeben. Künftig versieht die Fed ihr Inflationsziel mit einem „Gedächtnis“, lässt die Teuerung also nach Phasen niedriger Inflation bewusst zumindest moderat überschießen. Die Inflationstoleranz steigt damit und ermöglicht einen stärkeren Fokus auf die Wachstumsförderung. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre neue Strategie noch nicht verkündet. Aber in Frankfurt gehen die Überlegungen wohl in eine ähnliche Richtung.

4. Führt Deglobalisierung im Zuge von Corona zu mehr Inflation?

Eine schwierige Frage. Ohne Zweifel hat die Globalisierung dazu geführt, dass die Inflation in den westlichen Industrienationen sehr niedrig blieb. Der Effekt fußte auf zwei Entwicklungen: niedrige Güterpreise durch günstige Importe und gedämpfte Lohnanstiege durch eine Ausweitung des international verfügbaren Arbeitsangebots. Verliert die Globalisierung an Wirkung, entsteht neuer Preisdruck.

Tatsächlich ist bereits absehbar, dass der seit einigen Jahren laufende Deglobalisierungstrend sich durch Corona noch verstärkt. Unternehmen drängen auf eine Verkürzung der Lieferketten, während Staaten kritische Produktionskapazitäten vorhalten wollen. Immer liegt den Anstrengungen der Wunsch nach mehr Sicherheit, nach mehr wirtschaftlicher Resilienz zugrunde. Als Folge nimmt der Inflationsdruck für unregulierte Produkte zu.                  

Das sagt aber noch nichts über die Stärke des Effekts aus. Denn: Auch wenn westliche Unternehmen ihre Produktion, etwa von medizinischer Schutzausrüstung, zurückverlagern sollten, werden sie das nicht mit der Technologie der 1970er Jahre tun. Stattdessen könnte es zu einem massiven Einsatz automatisierter Fertigung kommen. Im Endergebnis dürften weder Löhne noch Güterpreise durch diese Entwicklung nennenswert steigen. Auch der Digitalisierungsschub durch Corona wird in diese Richtung wirken und die Inflation dämpfen. Somit dämpfen Automatisierung und Digitalisierung die Teuerung stärker, als die Deglobalisierung sie treibt.

5. Gibt es regionale Unterschiede zwischen den USA und Europa?

Ja. Die US-Volkswirtschaft ist deutlich flexibler, dienstleistungs- und damit lohngetrieben, hat mehr Unternehmen mit Marktmacht und weniger regulierte Preise, wie beispielsweise im Gesundheitswesen. Das macht sie anfälliger für Preisveränderungen. In den USA dürfte die Inflation daher schneller wieder aus dem Corona-Tal kommen.

Fazit

Ein coronabedingter Anstieg der Inflation ist kurzfristig nicht zu erwarten. Auch im Jahr 2021 dürfte die Teuerung gering bleiben. Danach ist mit einem leichten Anziehen zu rechnen, allerdings keiner sprunghaften Steigerung. Für Anleger bedeutet das: Es gibt für die Zentralbanken auf absehbare Zeit keinen Bedarf, ihre Geldpolitik zu straffen. Im Gegenteil. Die Inflationsbekämpfung hat für die Notenbanken gegenüber der Wachstumsförderung an Bedeutung verloren. Die Zeichen stehen daher weiter gut für Anleihen mit Renditeaufschlag, Aktien und Edelmetalle. Denn das Schreckgespenst der Inflation wurde schon lange nicht mehr gesehen – und es muss auch niemandem mehr Angst einjagen.


Über den Autor:
Jörg Zeuner ist Chefvolkswirt von Union Investment sowie Mitglied des Union Investment Committee.

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