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  • Wir haben den Wikifolio-Chef zum Interview gebeten

Von in FondsLesedauer: 8 Minuten
Wikifolio-Gründer Andreas Kern
Wikifolio-Gründer Andreas Kern: „Wir machen aus unseren Talenten Produkte.“ | Foto: Martina Draper

Die Plattform Wikifolio wirbt für sich als Anlaufhafen für Investment-Interessierte, die sich abseits der etablierten Fondswelt Anlageideen holen oder eigene Strategien einem breiteren Publikum vorstellen wollen. In die dort hinterlegten Portfolios („Wikifolios“) lässt sich auch investieren. Das in Wien ansässige Unternehmen feierte im vergangenen Jahr sein zehnjähriges Bestehen. 

DAS INVESTMENT: Wikifolio ist in den zehn Jahren seines Bestehens eine bekannte Marke geworden. Beschreiben Sie mal bitte, was Sie anders machen als Copy-Trading-Plattformen, wie Naga, Etoro oder Zulutrade.

Andreas Kern: Wir machen aus unseren Talenten Produkte, indem wir sie an die Börse bringen. Soweit ich weiß, macht das weltweit sonst niemand. Viele Plattformen gehen das verspielter an, dort geht es eher in Richtung Gambling. Wir bewegen wir uns im Segment der ernst zu nehmenden Anlage.

Was muss ein Anlage-Fan tun, um ein Wikifolio aufzulegen?

Wiener Unternehmenssitz von Wikifolio

Kern: Zu Beginn, also bei Erstellung eines Wikifolios, beschreibt der Trader verbindlich seine Handelsstrategie und erstellt ein erstes Musterportfolio, also ein Wikifolio. Von diesem Moment an können potenzielle Anleger jederzeit transparent sehen, welche Werte im Wikifolio enthalten sind und was der Trader kauft oder verkauft. Wir machen alles zu 100 Prozent transparent. Die Trader können ihren Wikifolio-Track-Record nicht löschen oder verändern.

Wie lässt sich in ein Wikifolio investieren?

Kern: Wenn die Community ein Wikifolio interessant findet, kann es die Basis für ein sogenanntes Wikifolio-Zertifikat bilden. Die Zertifikate werden an der Börse Stuttgart, der Berner Börse und OTC bei mehr als 10 Banken gehandelt. Wobei das Zertifikat das Wikifolio eins zu eins repliziert, ohne Tracking Error. Damit kann jeder Anleger über seine Bank oder seinen Online-Broker in die jeweilige Handelsstrategie investieren. Alle Wikifolio-Zertifikate sind übrigens besichert. Der gesamte für die Nachbildung der Investitionen notwendige Wertpapierbestand wird separiert und verpfändet – ein Treuhändler prüft diesen Prozess regelmäßig und kann im Falle einer Zahlungsunfähigkeit darauf zugreifen und zugunsten der Anleger verwerten. Im Durchschnitt investieren Anleger übrigens rund 5.000 Euro in ein Wikifolio-Zertifikat.

Wieso sollte jemand überhaupt in ein Portfolio auf Ihrer Plattform investieren? Es gibt immerhin auch eine Menge Strategien im regulierten Investmentfonds-Mantel.

Kern: Ein Grundproblem der Branche ist, dass im Finanzvertrieb oft hohe Provisionen fließen. Bankberater neigen dazu, die Produkte zu verkaufen, bei denen sie am meisten kassieren. Das hat sich in den vergangenen Jahren zwar schon etwas gebessert, aber genau da setzen wir an. Wir möchten Anlegern ermöglichen, die besten Produkte zu finden, statt dort zu investieren, wo die Gebühren am höchsten sind. Viele Wikifolios erwirtschaften auch ein besseres Ergebnis als klassische Investmentfonds, das hat die Uni Zürich 2018 in einer Untersuchung bestätigt. Ein weiterer Aspekt ist: Erfolgreiche Investmentfonds werden immer größer und dadurch deutliche schwerfälliger. Dagegen stehen kleinen agilen Zertifikaten viel mehr Investitionschancen zur Verfügung. Der Autor und Hedgefonds-Manager Joel Greenblatt hat dazu einiges Lesenswertes geschrieben.

Was machen Ihre Trader anders als klassische Fondsmanager?

Kern: Nehmen wir beispielsweise den Corona-Crash im März 2020: Damals haben viele Wikifolio-Trader die Cash-Quote zügig nach oben geschraubt. So haben sie einerseits Risiko aus dem Portfolio genommen. Andererseits konnten sie mit dem Cash schnell die Krisengewinner ins Portfolio holen.

Handeln denn alle Trader so gleichförmig – geben Sie diesbezüglich Tipps?

Kern: Unsere Trader tauschen sich untereinander aus. Manche vermitteln auch Finanzwissen. 2021 waren in den Portfolios viele europäische Digitalunternehmen, außerdem viele Titel rund um Nachhaltigkeit: Wasserstoffantrieb oder E-Mobilität.  2022 standen US-Schwergewichte und europäische Value-Aktien vorne auf der Einkaufsliste.

 

In den Corona-Lockdowns haben viele Verbraucher die Aktienanlage für sich entdeckt. Mittlerweile sind die Märkte stark unter Druck geraten. Ziehen sich auch Anlage-Interessierte von Wikifolio wieder zurück?

Kern: Natürlich haben die Trader und die Anleger auch bei Wikifolio schnell auf die Marktentwicklungen reagiert. Die Cash-Quote in den Wikifolios ist gestiegen. Mittlerweile sehen wir im Markt ja auch einige positive Signale, und die Cash-Quote sinkt wieder. Die meisten unserer Anleger sind eher an langfristigem Kapitalaufbau interessiert. Bei uns finden sie interessante Wikifolios, die schon in der Vergangenheit bewiesen haben, dass sie Marktturbulenzen gut abfedern konnten.

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Wenn sich viele Menschen auf einmal für Aktien interessieren: Sehen Sie die Gefahr, dass sich Anleger noch einmal so verrennen wie zum Beispiel zu Zeiten des Neuen Marktes? Der Crash der Internetaktien hat vielen die Geldanlage wieder verleidet.

Kern: Wir sehen den neuen Anlage-Trend positiv: Geldanlage hat ein besseres Image erhalten, die Zugangshürden zu den Kapitalmärkten werden geringer. Wir glauben auch, dass sich der Trend hält. 2020 und 2021 konnten die Anleger leicht Gewinne erwirtschaften. Wenn die Marktphase wieder schwieriger wird, wie aktuell, ist Orientierung gefragt. Anleger können sich auf Wikifolio Ideen holen und Kommentare zu bestimmten Aktien lesen.

Wikifolio setzt ganz auf aktives Management. Allerdings investieren immer mehr Anleger in passive ETFs. Sind das nicht ungünstige Aussichten für Sie?

Kern: Bei Privatanlagern steckt in der Tat schon mehr Geld in passiven Produkten als in aktiven. Das heißt umgekehrt aber auch, dass sich aktives Management umso mehr lohnt. Denn wenn alle Anleger ETFs wählen, hört der Markt auf, Informationen zu verarbeiten. Die Kernkompetenz unserer Community liegt auch nicht bei den großen Unternehmen, wie in vielen ETFs, sondern im Mid-Cap-Bereich. In den USA hatten aktive und passive Aktienfonds seit Jahresbeginn einen Nettoabfluss, wir konnten uns gegen den Trend stellen.

Kennen Sie Ihre Trader eigentlich persönlich?

Kern: Alle 14.000 natürlich nicht, aber 50 oder 100 kenne ich recht gut von diversen Messen und Events.

Anlagetipps darf man nicht so einfach geben, sagen die Esma und die Bafin. Betrifft das nicht auch Wikifolio?

Kern: Andere erfolgreiche Anleger beim Agieren zu beobachten, ist eine wertvolle Orientierung. Wenn wir darüber hinausgehend über Strategien, Trends oder auch mal einzelne Aktien berichten, gelten für uns dieselben Maßstäbe wie für alle Finanzjournalisten. Wer über die Börse Wikifolio-Zertifikate erwirbt, ist uns nicht bekannt. So kommen wir auch nicht in den Verdacht, den Anleger bezüglich seines Portfolios zu beraten.

Sie haben schon behauptet, dass manche etablierte Fondsmanager aus der alten Welt aussteigen und zu Wikifolio gehen – oder nebenbei noch ein Wikifolio betreiben. Verraten Sie uns bitte einmal Beispiele.

Kern: Philipp Haas ist da ein gutes Beispiel. Er verfügt nicht nur über beindruckende Wikifolios, sondern ist gleichzeitig Influencer und betreut einen sehr informativen Youtube-Kanal.

Wo ist der Vorteil, oder anders gefragt: Was könnte einen Fondsmanager dazu bringen, eine Strategie lieber per Wikifolio anzubieten?

Kern: Wikifolio dokumentiert sehr transparent den Track Record seiner Trader. Außerdem hat man bei uns mehr Freiheitsgrade: Bei großem Risiko lässt sich auch mal zu 50 Prozent in Cash gehen. Wer es außerdem schafft, eine kritische Masse an Anlegern anzuziehen, kann bei Wikifolio auch besser verdienen. Hinzu kommt: Einen Fonds aufzumachen, zieht viele strukturelle und rechtliche Anforderungen nach sich. Bei einem Wikifolio setzt sich der Trader ins „gemachte Nest“, er kann sich ganz auf seine Strategie konzentrieren. Der rechtliche Rahmen oder die Besicherung – alles ist vorstrukturiert. Es gibt keine Vertriebskosten. Und unsere Plattform beschert Aufmerksamkeit.

Ist festgelegt, wie viel Geld an den Betreiber einer Wikifolio-Strategie fließt?

Kern: Der Betreiber erhält ab 125.000 Euro Investitionen in das zugehörige Zertifikat die Hälfte der Performance-Gebühr ausgezahlt. Die Gebühr kann er bei Erstellung des Wikifolios mit zwischen 5 und 30 Prozent des Gewinns festlegen. Der Durchschnitt liegt bei circa 11 Prozent. Gewinn bedeutet die Differenz zur bisherigen Watermark, wenn ein neuer Jahreshöchststand erreicht ist.

Welche Pläne hegen Sie für die Zukunft?

Kern: Wir haben eine gewaltige vertrauenswürdige Datenbasis geschaffen – mit Daten aus mehr als zehn Jahren und fast 10.000 börsengelisteten Wikifolio-Zertifikaten. Das werden wir nutzen, um die Leistung unserer besten Trader noch klarer zur Schau zu stellen. Außerdem wollen wir weitere Angebote für erfahrene und weniger erfahrene Anleger anbieten. Unter anderem wollen wir eine App entwickeln – das musste bisher anderen Initiativen weichen. 2022 sind wir von circa 40 auf 60 Mitarbeiter gewachsen.  Daher können wir uns in den nächsten Monaten auf neue Themen konzentrieren. Ich möchte aber nicht zu viel verraten: Die Branche ist ja deutlich kompetitiver geworden im Vergleich zu 2012, als wir gestartet sind.


Über den Interviewten: 
Andreas Kern war zunächst zehn Jahre lang in der Finanz- und Payment-Branche aktiv, unter anderem bei Paybox Austria und als Mitgründer von Payolution, bevor er 2012 Wikifolio gründete. Der studierte Mathematiker und Computerwissenschaftler hat einen Master of Science für Innovationsmanagement der Johannes Kepler Business School Linz und ist ausgebildeter Börsenhändler für Termin- und Kassamarkt.

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