LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in WirtschaftLesedauer: 8 Minuten

Diskussion um nachhaltige Portfolios LFDE-Fondsmanager: „Wir wollen Firmen im Wandel nicht kategorisch ausschließen“

LFDE-Fondsmanager Paul Merle
LFDE-Fondsmanager Paul Merle: „Senken große CO2-Verursacher ihre Emissionen, tragen sie zur Begrenzung der globalen Erwärmung bei.“ | Foto: LFDE

Was darf drin sein, wenn „nachhaltig“ draufsteht? Diese Diskussion wird bei Fonds teils hitzig geführt. Umweltschutz-Organisationen wie Greenpeace werfen der Fondsbranche Greenwashing vor, weil immer noch viel Geld in große CO2-Verursacher fließt. Die verteidigt sich: Schließlich sei der Umbau der Wirtschaft mit enormen Kosten verbunden und nur, wer investiere, könne auch Einfluss auf Unternehmen ausüben.

Das Pariser Fondshaus La Financière de l'Echiquier (LFDE) geht mit seinen nachhaltigen Fonds unterschiedliche Wege. Paul Merle, Portfoliomanager im Nachhaltigkeitsteam, erklärt im Interview, warum er darin keinen Widerspruch sieht und wie seine Investitionen in große CO2-Emittenten zu mehr Klimaschutz beitragen sollen.

DAS INVESTMENT: Als Portfoliomanager für nachhaltige Fonds bei LFDE lenken Sie und Ihre Kollegen gleich mehrere unterschiedliche Strategien. Welche Themen stehen bei Ihnen derzeit im Fokus?

Paul Merle: Mit dem Ukraine-Krieg ist der Bereich Energieeffizienz stark in den Blickpunkt gerückt. Wir müssen mehr in erneuerbare Energien investieren – nicht nur, um die globale Erwärmung zu bekämpfen, sondern auch, um unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland zu verringern. Das ist eine große Aufgabe für Europa und besonders für Deutschland, das sehr stark von russischer Energie abhängig ist. Auf sozialer Seite beschäftigt uns die weltweit alternde Bevölkerung in Industrie-, aber auch Schwellenländern. Um dieses Thema abzudecken, investieren wir verstärkt in die Gesundheitsversorgung. Zudem hat uns die Covid-Krise gezeigt, wie wichtig Biodiversität ist. Für unseren Fonds Echiquier Climate and Biodiversity suchen wir nach Unternehmen, die den Erhalt der Artenvielfalt fördern.

Immer mehr Anleger wollen mit ihren Investments Positives bewirken. Konkrete Auswirkungen zu messen ist jedoch schwierig. Wie gehen Sie vor?

Merle: Wir orientieren uns an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. Für unsere Reports werten wir aus, auf welche Ziele sich unsere Investitionen positiv auswirken. So können wir etwa zeigen, wie viele Betten wir in einem Krankenhaus finanzieren. Oft ist es aber deutlich komplizierter. Um den CO2-Abdruck eines Portfolios zu messen, greifen wir auf externe Anbieter zurück, etwa Carbon for Finance. Die Verfügbarkeit von Kohlenstoff-Daten hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. Das hilft uns auch zu messen, ob unsere Portfoliounternehmen in Sachen Nachhaltigkeit Fortschritte machen.

Inwieweit können Sie als Fondsinvestor überhaupt Einfluss auf Unternehmen ausüben?

Merle: Das ist bei Publikumsfonds tatsächlich nicht so einfach, denn – im Gegensatz zu einem Private-Equity-Fonds – sind wir nur ein Anteilseigner von vielen. Engagement ist aber ein großer Teil unseres ESG-Prozesses. Wir erstellen eine Nachhaltigkeitsanalyse für jedes Unternehmen und sprechen mit dem Management, bevor wir investieren. Wir teilen mit den Firmen unsere Einschätzungen, in welchen Bereichen wir Verbesserungspotenzial sehen. Verändert sich auf längere Sicht nichts, entscheiden wir, ob wir uns von unserer Beteiligung trennen.

 

Aktivisten fordern, dass nur in bereits sehr nachhaltige Firmen investiert wird. Die Politik will jedoch, dass die Finanzbranche den Umbau der Wirtschaft stützt. Wie lösen Sie das Dilemma auf?

Merle: Wir teilen die Unternehmen in drei Kategorien ein. Zunächst kommen selbstverständlich Firmen ins Portfolio, deren Produkte und Dienstleistungen beim Schutz der Biodiversität und im Kampf gegen den Klimawandel helfen, wie erneuerbare Energien und umweltfreundliche Verkehrsmittel. In die zweite Kategorie sortieren wir Firmen ein, die keine konkreten Lösungen für die Klimakrise anbieten, aber als Branchenvorreiter durchaus Systemwirkung auf Wettbewerber, Lieferanten und Kunden haben. Dazu zählen etwa Unternehmen aus dem Bereich Gesundheit oder Finanzen. Wir finden, dass jede Branche ihren Beitrag gegen die Klimaerwärmung leisten muss – das können wir mit dieser Kategorie abdecken. Für unsere dritte Kategorie schauen wir uns Unternehmen an, die sich im Wandel befinden. Typischerweise stammen diese Firmen aus Branchen, die große CO2-Emittenten sind und deren Geschäftsaktivitäten zum Teil noch einen schlechten Einfluss auf das Klima haben. Senken diese Unternehmen ihren CO2-Ausstoß, tragen sie aber zur Begrenzung der globalen Erwärmung bei.

Haben Sie ein Beispiel?

Merle: Unser Portfoliounternehmen Neste war vor zehn Jahren noch eine klassische Ölraffinerie-Firma und ist heute Marktführer bei Diesel aus erneuerbaren Produkten wie recycelten Speiseölen. Diese Kraftstoffe lassen sich unter anderem für Flugzeuge nutzen und helfen, Treibhausgasemissionen einzusparen – im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen sind es bis zu 80 Prozent. Wir wollen Firmen, die Fortschritte machen und ihren Einfluss auf das Klima verbessern, nicht kategorisch ausschließen. Allerdings setzen wir bei unseren Nachhaltigkeitsfonds auf unterschiedliche Strategien. Nicht mit jedem Fonds investieren wir in Unternehmen aus allen drei Kategorien.

Auf der nächsten Seite: Warum der Fondsmanager auch auf Atomkraft setzt und in welchen Branchen er jüngst zugekauft hat.

Was heißt das etwa für die umstrittene Atomkraft?

Merle: Im Echiquier Positive Impact Europe schließen wir Nuklearenergie und auch fossile Energie aus. Mit dem Echiquier Climate & Biodiversity wollen wir dagegen auch in Unternehmen im Wandel investieren. Dort haben wir etwa die Recyclingfirma Veolia im Portfolio, die auch Nuklearabfälle verarbeitet. Damit hilft das Unternehmen, die Auswirkungen von Atomkraft zu verringern.

Quelle Fondsdaten: FWW 2024

Ein Dauerthema bei nachhaltiger Geldanlage ist die Regulierung. Bringen EU-Gesetze wie die Taxonomie mehr Klarheit für Anleger?

Merle: Die Regulierung ist der richtige Schritt, es bleibt aber noch viel zu tun. Bei der EU-Taxonomie sind erst zwei der sechs Umweltziele konkret ausformuliert. Das hilft uns Investoren noch wenig. Bislang sind auch nur wenige Unternehmen in der Lage, der Taxonomie entsprechend zu berichten. Das gilt besonders für kleinere Firmen. Die Reportings binden Ressourcen und kosten Geld – das können sich manche Unternehmen schlicht nicht leisten. Hinzu kommt, dass es zu vielen Themen in den beteiligten Ländern unterschiedliche Einschätzungen gibt. Ein Beispiel ist die genannte Atomkraft: In Frankreich wird Kernenergie als Möglichkeit betrachtet, CO2-Emissionen einzusparen. In Deutschland sieht man das anders. Die Diskussion hat gezeigt, wie schwierig es ist, mit 27 Ländern einen Konsens zu finden.

Welche Auswirkungen haben die aktuellen Krisen auf Ihre nachhaltigen Fonds?

Merle: Viele unser Portfoliounternehmen sind von den steigenden Zinsen betroffen. Das hat die Performance im vergangenen Jahr gedrückt – damit standen wir aber nicht alleine da. Wir sind Langzeitinvestoren und halten auch in schwachen Marktphasen an unseren Strategien fest. Auf lange Sicht werden sich Investitionen in Firmen auszahlen, die wichtige Umwelt- und Sozialthemen voranbringen. Nicht zuletzt sind die Bewertungen dieser Unternehmen niedriger als vor etwa einem Jahr. Daher können wir nun günstig zukaufen.

Quelle Fondsdaten: FWW 2024

In welchen Branchen haben Sie jüngst aufgestockt?

Merle: Wir haben vor allem bei defensiven Aktien zugekauft, etwa im Gesundheitswesen, bei Versorgern und Basiskonsumgütern. Damit sind wir für einen Konjunkturabschwung gut aufgestellt. Gleichzeitig haben wir zyklische Werte in den Portfolios reduziert.

Viele Fondsgesellschaften haben jüngst Strategien von Artikel 9 auf Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung heruntergestuft. Wie gehen Sie bei Ihren nachhaltigen Fonds vor?

Merle: Unsere Fonds sind eher konservativ klassifiziert. Lediglich unsere Impact-Fonds haben wir als Artikel-9-Fonds eingestuft und sind nach wie vor von unserer Methodik überzeugt. Wir warten jedoch noch auf methodische Klarstellungen und Antworten der Aufsichtsbehörde auf offene Fragen, die sich auf unsere nachhaltigen Investitionsmethoden und damit auch auf die Klassifizierung unserer Fonds auswirken könnten.

Über den Interviewten:
Paul Merle ist als Portfoliomanager im ESG-Team von La Financière de l'Echiquier (LFDE) für europäische Standardwerte und Wachstumsaktien zuständig. Mit Adrien Bommelaer und Luc Olivier managt er die Fonds Echiquier Climate & Biodiversity Impact Europe (ISIN: FR0013517273) und Echiquier Positive Impact Europe (FR0010863688).

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Tipps der Redaktion