

Glauben Sie bei einem sich deutlich steigenden Höchstrechnungszins auch an eine Renaissance der Riester-Rente, wie derzeit einige Marktbeteiligte?
Brüß: Ich kann mir gut vorstellen, dass man der Riester-Rente durchaus noch mal ein neues Leben einhauchen kann, wenn regulatorische Erleichterungen vereinbart und integriert werden. Wir haben immer noch große Bestände, 16 Millionen Verträge. Systeme...
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Glauben Sie bei einem sich deutlich steigenden Höchstrechnungszins auch an eine Renaissance der Riester-Rente, wie derzeit einige Marktbeteiligte?
Brüß: Ich kann mir gut vorstellen, dass man der Riester-Rente durchaus noch mal ein neues Leben einhauchen kann, wenn regulatorische Erleichterungen vereinbart und integriert werden. Wir haben immer noch große Bestände, 16 Millionen Verträge. Systeme wie die bAV funktionieren und sind für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein guter Impulsgeber etwas zu tun, wenn sich der Staat daran beteiligt. Das Problem bei Riester und teilweise auch Rürup ist, dass es zu komplex ist, sowohl für den Berater als auch den Kunden. Problematisch ist, dass mindestens die Beiträge erhalten bleiben müssen, denn das hemmt einen Versicherer extrem in der Kapitalanlage. Was sich auch ändern müsste, ist der komplexe Zulagenprozess. Den könnte man einfacher gestalten,. Auch die eingebaute Vererbbarkeit ist verkaufshemmend.
Themenwechsel: Die Fusion mit der Barmenia wurde vergangenen Herbst verkündet. Wie ist hier der Stand der Dinge?
Brüß: Zunächst einmal muss man sich den Unterschied zu einem Merger bei börsennotierten Aktiengesellschaften klarmachen. Hier reden zwei Versicherungsvereine miteinander, die entschieden haben, zu heiraten, weil sie einfach gut zueinander passen. Wir haben gerade die Phase der Due Diligence abgeschlossen, in der man sich wechselseitig in die Bücher schaut, die Risiken prüft und auch, ob die versprochene Substanz da ist. Auf dieser Basis wird es jetzt eine Bewertung geben und dann Entscheidungen in den Vorständen, Aufsichtsräten und Mitgliedervertreterversammlungen der Vereine. Das sind derzeit noch drei Vereine, einer auf unserer und zwei auf Seiten der Barmenia, die zustimmen müssen. Parallel holen wir die Genehmigungen der Bafin und des Kartellamts ein und werden dann irgendwann den konkreten Termin für den Zusammenschluss bekannt geben. Diese Prozesse würden bei börsennotierten Unternehmen hinterm Vorgang stattfinden. Insofern sind wir hier sehr früh dran und sehr transparent.
Entschieden ist die Grobstruktur. Es soll an der Spitze künftig zwei Vereine geben. Dafür müssen bei der Barmenia die zwei Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit noch zusammengeführt werden. In der Barmenia Lebensversicherung gibt es operatives Geschäft, während es bei der Gothaer unterhalb der Finanzholding in AGs angesiedelt ist. Die Bestände sollen zunächst auf die Gothaer Leben übertragen werden. Das heißt, in dem neuen Konstrukt wird es einen Lebensversicherer für alle Vertriebe geben. Ziel ist hier, es bis zum Herbst umgesetzt zu haben. Der nächste Schritt wird sein, allerdings mit einer Perspektive von drei Jahren plus X, die Krankenversicherer auf die Barmenia Krankenversicherung zu verschmelzen. Wir werden dann im Zielbild zwei starke Personenversicherer haben. Das Leitprinzip lautet: Wir wollen gemeinsam besser werden. Wir machen das, weil wir gemeinsam wachsen wollen, nicht aus synergiegetriebenen Aspekten. Die Barmenia hat den Schwerpunkt in der PKV, wir sind stärker im Kompositbereich und in der Lebensversicherung. Aufgrund der unterschiedlichen Geschäftsschwerpunkte und Produktfelder ist das ein sehr guter Match. Gemeinsam werden wir als Versicherungskonzern unter den Top Ten in Deutschland rangieren.
Dafür steht aber sicherlich noch viel Integrationsarbeit bevor. Wie sieht die aus?
Brüß: Da sind wir noch in einem frühen Stadium. Wir sind dabei, in gemischten Teams die Strukturen und Prozesse zu durchleuchten. Vor dem Zusammenschluss dürfen wir aber über wettbewerbsrelevante Themen nicht sprechen. Natürlich macht es zum Beispiel in der IT mittel- bis langfristig keinen Sinn, mit zwei Systemen zu arbeiten. Wir werden uns bei solchen Fragen sicherlich auf das zukunftsfähigere System konzentrieren. Auf der kulturellen Ebene muss erarbeitet werden: Wofür stehen wir als Konzern, was ist unser Leitbild und was sind unsere Werte? Wir sind beide Versicherungsvereine mit einer ähnlichen Kultur, aber es gibt auch Unterschiede. Das ist losgelöst von Technik, Strukturen und Prozessen. Und dann gibt es natürlich die menschliche Ebene, alles muss mit den Mitarbeitenden gemeinsam umgesetzt werden. All das sind Themen, die Zeit brauchen. Wichtig ist aber auch, dass wir sehr schnell wechselseitig die Angebotsfähigkeit herstellen.
Dabei könnte helfen, dass die Gothaer in Sachen Digitalisierung und Automatisierung gut dasteht, vor allem auch Dank des Themas BiPRO. Warum setzen Sie so stark darauf?
Brüß: Wir haben es geschafft, uns mit der Automatisierung und Digitalisierung im Maklervertrieb vor die Welle zu setzen und Treiber der Entwicklung zu sein. Das hat sich vor allem in der Corona-Zeit ausgezahlt, sonst hätte sich das Geschäft vielleicht auch nicht so gut entwickelt. In Zeiten enger Margen ist es wichtig, dass Prozesse effektiv sind. Menschliche Arbeitskraft ist teuer und wir spüren natürlich auch da den Fachkräftemangel. Es wird zum Beispiel in der Schadenbearbeitung immer schwieriger, Mitarbeitende zu finden. Wir waren sehr früh dran, in der genormten Welt der BiPRO die gesamte Wertschöpfungskette zu digitalisieren, von der 420er-Norm, für die Bereiche Tarifierung, Angebot, Antrag bis zu der 500er-Norm der Datenversorgung. In diesem Zusammenhang hat es uns natürlich sehr gefreut, dass wir im vergangenen Jahr zum dritten Mal in Folge den DVB-Makler-Award in Gold verliehen bekommen haben. Wir sind zudem Mitinitiator des BiPRO-Hubs. Darüber soll eine Serviceplattform von Versicherern für Vertriebspartner entstehen, über die alle mit einer einheitlichen Anbindung Daten austauschen können. Treiber dabei ist, die Effizienz und die Datenqualität zu steigern, die Komplexität zu reduzieren und auch die Kosten zu reduzieren. Unterm Strich beschleunigt es die Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern. Insbesondere bei den größer werdenden Verbünden spielt das eine Riesenrolle. Wenn man da nicht so aufgestellt ist, spielt man gar nicht mehr mit.
Kommen wir zum Schluss noch auf Sie persönlich zu sprechen. Sie haben bereits im Oktober Ihren Abschied von der Gothaer für Ende 2024 angekündigt. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen und haben Sie schon Zukunftspläne?
Brüß: Ich werden dieses Jahr 59 und erlebe eine solche Fusion nicht zum ersten Mal. Am Anfang stehen immer Personaldiskussionen. Man tut gut daran, sich frühzeitig zu positionieren, damit alle Beteiligten, insbesondere auch die eigenen Mitarbeitenden, wissen, wohin die Reise geht. Da passte auch der Zeitpunkt vor der DKM, weil mir klar war, dass ich darauf permanent angesprochen werde. Was mich persönlich dabei antreibt: Hier entsteht etwas Großes und Neues, und ich glaube, dass das eine echte Erfolgsstory ist. Aber das ist kein Prozess, der in ein bis zwei Jahren erledigt ist, sondern eher ein Marathon. Es ist wichtig für mich, die Kompetenzen von beiden Häusern zusammenzubringen und den Bauplan mitzugestalten, weil ich eine Verantwortung für meine Mitarbeiter und die Gothaer sehe. Aber ich habe mir die Frage gestellt, ob ich den Bauplan dann auch noch selbst umsetzen will, um dann im Rahmen der Bauphase irgendwann altersbedingt auszuscheiden mit einem halbfertigen Gebäude. Und da habe ich für mich entschieden, dass ich das nicht möchte und meinen Vertrag, der Ende dieses Jahres ausläuft, nicht mehr verlängert. Für Vorstände gibt es bekanntlich Altersgrenzen, die deutlich unter 65 Jahren liegen. Was die Zeit danach angeht, habe ich noch viel vor und bin voller Tatendrang. Als kreativer Vertriebs- und Marketingmensch habe ich viele Ideen, aber spruchreif ist da noch nichts.



