Volkswirt Ulrich Kater
So widerstandsfähig ist die Wirtschaft gegenüber steigenden Zinsen

Volkswirt Ulrich Kater
Es bleibt dabei: Obwohl Deutschland doch in eine leichte Rezession gerutscht ist und die Konjunktur in den USA nur mit angezogener Handbremse läuft, ist der große Absturz der Volkswirtschaften nach den massiven Zinssteigerungen in diesem und im vergangenen Jahr bislang ausgeblieben. Im Vergleich zu anderen Phasen mit Zinserhöhungen in diesem Umfang ist das eher die Ausnahme. Die Ursachen liegen in der Vorgeschichte. Dazu zählen die Fiskalprogramme aus der Corona-Pandemie und das Zwangssparen, das während der Lockdowns viele Menschen rund um den Globus anhielt, Geld nicht auszugeben.
Die Fiskalprogramme und das Zwangssparen haben sowohl in Europa als auch in den USA dazu geführt, dass zu Beginn der Zinssteigerungen eine aufgestaute Nachfrage privater Haushalte im Makrosystem vorhanden war (und noch ist). Diese stabile Nachfrage hat erstens die private Konsumnachfrage relativ stabil gehalten. Zudem hat sie Unternehmen ermöglicht, die Energie-Kostensteigerungen dieses Jahres in die Preise überzuwälzen und Gewinne zu steigern (an dem Verdacht der Gewinninflation ist zumindest bislang durchaus etwas dran).
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Es bleibt dabei: Obwohl Deutschland doch in eine leichte Rezession gerutscht ist und die Konjunktur in den USA nur mit angezogener Handbremse läuft, ist der große Absturz der Volkswirtschaften nach den massiven Zinssteigerungen in diesem und im vergangenen Jahr bislang ausgeblieben. Im Vergleich zu anderen Phasen mit Zinserhöhungen in diesem Umfang ist das eher die Ausnahme. Die Ursachen liegen in der Vorgeschichte. Dazu zählen die Fiskalprogramme aus der Corona-Pandemie und das Zwangssparen, das während der Lockdowns viele Menschen rund um den Globus anhielt, Geld nicht auszugeben.
Die Fiskalprogramme und das Zwangssparen haben sowohl in Europa als auch in den USA dazu geführt, dass zu Beginn der Zinssteigerungen eine aufgestaute Nachfrage privater Haushalte im Makrosystem vorhanden war (und noch ist). Diese stabile Nachfrage hat erstens die private Konsumnachfrage relativ stabil gehalten. Zudem hat sie Unternehmen ermöglicht, die Energie-Kostensteigerungen dieses Jahres in die Preise überzuwälzen und Gewinne zu steigern (an dem Verdacht der Gewinninflation ist zumindest bislang durchaus etwas dran).
Die regionale Fed of San Francisco hat hierzu Anfang Mai interessante Zahlen veröffentlicht. Demnach lagen im zweiten Quartal die kumulierten Über-Ersparnisse der privaten Haushalte noch bei circa 500 Milliarden US-Dollar. Diese Finanzmittel könnten erst Ende 2023 aufgebraucht sein. Wir kommen bei unseren Berechnungen sogar auf einen Wert von 800 Milliarden US-Dollar. Das sind immerhin 4 Prozent des US-amerikanischen Bruttoinlandsprodukts. Für den Euroraum ergeben sich ähnliche Mechanismen – wenngleich nicht in dieser ambitionierten Größenordnung.
Es scheint, als ob die jüngsten Konjunkturprogramme nicht nur die negativen konjunkturellen Folgen der Corona-Krise vor zwei Jahren abgemildert haben, sondern auch für die Energiekrise des vergangenen Jahres ausreichten. Die Puffer haben bislang die Wirkungen der restriktiven Geldpolitik abgefedert. Diese Polsterfunktion geht jedoch im Laufe der Zeit nicht nur zurück, sie kann sich sogar ins Gegenteil verkehren. Denn die Sparquote in den USA ist gegenwärtig eben aufgrund der (noch) guten Finanzausstattung der privaten Haushalte deutlich zu gering. Im kommenden Jahr sollten die US-Haushalte ihre Ersparnis wieder hochfahren – mit dämpfenden Effekten für den Konsum. Das ist ein Grund, warum die Konjunktur auch im nächsten Jahr nicht durchstarten wird.
In Deutschland wirken solche Überschusseffekte ebenfalls. Auch hierzulande war die Unterstützung von Unternehmen und privaten Haushalten während der Corona-Pandemie üppig. Da Konsumenten längst nicht alle Mittel ausgaben, verdoppelte sich die Sparquote im ersten Quartal 2021 sogar. Im Gegensatz zu den USA ist diese Sparquote bei deutschen Haushalten in der Zeit nach der Corona-Pandemie nicht außergewöhnlich niedrig, sondern hat sich lediglich um langjährige Normalwerte eingependelt.
Doch auch im Euroraum bauen sich Nachfrageüberhänge aus den Corona-Krise langsam ab. Das ist auch gut so, denn sie waren ja eine wesentliche Ursache der Inflation. Die Aufgabe der Geldpolitik liegt darin, die Nachfrageüberhänge so kräftig zu drosseln, dass sich die Lage an der Inflationsfront beruhigt, ohne dabei der Konjunktur zu viel Schaden zuzufügen. Das ist weniger eine technische Angelegenheit als eine Kunst.
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