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„Wirtschaftskriminelle nicht mit Samthandschuhen anfassen“ Verfahrenseröffnung im Libor-Skandal

Wenn Thomas Hayes nächste Woche einen Londoner Gerichtssaal betritt, wird er die erste Person sein, die wegen mutmaßlicher Manipulation von Benchmark-Zinssätzen vor Gericht gestellt wird. Seit dem Beginn der Ermittlungen von Aufsichtsbehörden in Sachen Libor-Manipulationen sind sieben Jahre ins Land gegangen.

So lange prüfen die Behörden auf drei Kontinenten bereits die Anschuldigungen, dass Händler bei den größten Banken der Welt die Zinssätze manipuliert hätten, an denen sich Kredite und Wertpapiere im Volumen von 350 Billionen Dollar orientieren. Banken wurden mit Strafen von insgesamt 9 Milliarden Dollar belegt, darunter eine Geldstrafe von 2,5 Milliarden Dollar für die Deutsche Bank AG im vergangenen Monat, ohne dass bisher ein einziger Händler vor einem Richter gestanden hätte.

Für die britische Wirtschaftskriminalitätsbehörde, das Serious Fraud Office, steht bei dem Fall einiges auf dem Spiel. Das SFO wurde kritisiert, es habe abgewartet, bis die öffentliche Empörung über den Skandal 2012 einen Höhepunkt erreichte, bevor es strafrechtliche Ermittlungen einleitete.

„Es steht außer Frage, dass es lange gedauert hat, bis wir zu diesem Punkt gekommen sind“, sagt Owen Watkins, Anwalt in der Kanzlei Lewis Silkin in London und ehemals Mitarbeiter der Regulierungsbehörden. „Die Behörden werden demonstrieren wollen, dass sie Wirtschaftskriminelle nicht mit Samthandschuhen anfassen, indem sie Straftaten zur Anklage bringen, die mit langen Haftstrafen geahndet werden können.“

Hayes, ein blonder 35-Jähriger, der als Händler bei Banken wie UBS Group und Citigroup arbeitete, plädiert bei der Anklage von Verschwörung in acht Fällen zur Manipulation des Londoner Interbankensatzes Libor von 2006 bis September 2010 auf „nicht schuldig“. Zu seinen mutmaßlichen Mitverschwörern gehören Händler bei HSBC Holdings, JPMorgan Chase & Co. und der Deutschen Bank sowie Broker bei ICAP und RP Martin Holdings.

Verhandelt wird das Verfahren, bei dem mit einer Dauer von rund zehn Wochen gerechnet wird, vor dem Southwark Crown Court, dem Gericht, vor dem 2012 schon der ehemalige UBS-Händler Kweku Adoboli wegen nicht genehmigter Handels-Transaktionen zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Die Wurzeln der Ermittlungsverfahren reichen bis an den Anfang der Finanzkrise von 2008 zurück. Dabei haben die US- Terminmarktaufsicht U.S. Commodity Futures Trading Commission, das amerikanische Justizministerium und die britische Marktaufsicht unzählige E-Mails, Internet-Chats und Telefonaufzeichnungen ausgewertet, die ihrer Auffassung nach belegen, dass Händler zusammengearbeitet haben, um Zinssätze zu manipulieren. Auch geringe Bewegungen beim Libor konnten den Wert von Derivate-Positionen um Hunderte Millionen Dollar steigern.

Die Manipulationen fanden in zahlreichen Ländern und Währungen statt. Neben den milliardenschweren Geldstrafen für die Banken wurden mehr als 100 Händler und Broker seit Beginn der Ermittlungen suspendiert oder entlassen. Gegen 21 von ihnen wurde Anklage erhoben, wobei sich die Prozesse noch über Jahre hinziehen werden.

Hayes ist jetzt die erste Person, deren Verfahren vor Gericht kommt. Der in West-London aufgewachsene Händler begann seine Karriere in der Finanzbranche der britischen Hauptstadt und zog 2006 nach Tokio, um dort für die UBS im Handel von Yen-Derivaten zu arbeiten. Dabei machte er sich einen Namen als begabter und aggressiver Händler und wechselte 2009 zur Citigroup, wo er einen Antrittsbonus von über 3 Millionen Dollar erhielt. Weniger als ein Jahr später verließ er die Bank wieder.

Bei dem Verfahren gegen Hayes geht es nicht nur darum, ob er versucht hat, den Yen-Libor zu beeinflussen. Die Staatsanwaltschaft muss auch zweifelsfrei nachweisen, dass er wusste, dass seine Handlungen zu dem Zeitpunkt illegal waren. Auch die Reaktion der Aufsichtsbehörden könnte sich als wichtig erweisen. Denn einige der Händler erklärten, dass die Aufsicht über die Libor-Festsetzung so lasch war, dass ihnen nicht klar war, dass sie etwas Verbotenes taten. Als die ersten Vorwürfe von Zinsmanipulation 2008 auftauchten, bestritt der mit der Libor-Festsetzung betraute britische Bankenverband, dass es Probleme gebe. Die meisten Behörden in den USA und in Großbritannien zögerten einzugreifen.

Für die Beschäftigten an den Finanzmärkten lässt sich die Zeitrechnung in vor dem Libor-Skandal und nach dem Libor-Skandal einteilen. Die Aufsichtsbehörden haben auf der Basis ihrer Erfolge beim Libor inzwischen Manipulationen bei Devisen, an den Öl- und Gasmärkten sowie bei Edelmetallen aufgedeckt. Die Internet-Chats, die die Zusammenarbeit der Händler erleichterten, sind in den meisten Banken verboten worden. Und in naher Zukunft soll die Manipulation von Benchmark-Zinssätzen nach europäischem Recht strafbar werden.

„Libor war ein Wendepunkt in der öffentlichen und staatlichen Wahrnehmung der Banken“, erläutert Andre Spicer, Professor für Organisatorisches Verhalten an der Cass Business School in London. „Es kennzeichnete einen grundlegeneden Vertrauensverlust und führte zu einem veränderten Verhalten der Banken bei Einstellungen und Entlohnung der Mitarbeiter sowie der Aufsicht über die Angestellten.“

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