Volkswirt Johannes Mayr
Zu viele staatliche Leistungen bremsen das Wachstum

Volkswirt Johannes Mayr
Empirisch zeigen dies die wirtschaftspolitischen Entscheidungen und Weichenstellungen seit 2007 und deren Folgen eindrucksvoll. Zwar haben die meisten Industrieländer während der Finanzkrise und der Covid-Pandemie umfangreiche fiskalische und geldpolitische Hilfsprogramme aufgelegt. In Deutschland waren die Hilfen vor allem für die Unternehmen – entgegen der Praxis zuvor – aber jeweils auffalle...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Empirisch zeigen dies die wirtschaftspolitischen Entscheidungen und Weichenstellungen seit 2007 und deren Folgen eindrucksvoll. Zwar haben die meisten Industrieländer während der Finanzkrise und der Covid-Pandemie umfangreiche fiskalische und geldpolitische Hilfsprogramme aufgelegt. In Deutschland waren die Hilfen vor allem für die Unternehmen – entgegen der Praxis zuvor – aber jeweils auffallend umfangreich und stark auf Garantien und Bürgschaften konzentriert.
Dieses hohe Maß an finanzieller Absicherung bestehender Geschäftsmodelle und an Bereitstellung von Fremdkapital spiegelt den Versicherungsgedanken besonders deutlich. Auch die Orientierung der Covid-Hilfen an vergangenen Umsätzen und der enorme Einsatz von Subventionen für die Erhaltung von Arbeitsplätzen (Kurzarbeitergeld) kann als Ausdruck dieser Vollkaskomentalität gewertet werden.
Im ersten Moment stützen derartige Programme die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und verhindern eine Rezession. Die langfristigen Folgen sind aber erheblich und zeigen sich meist negativ auf der Angebotsseite. Kurz gesagt: „short term gain versus long term pain.“ Denn diese Art der Unterstützung trägt in besonderem Maße zu einer Verfestigung von Strukturen bei, da bestehende und zum Teil nicht zukunftsfähige Geschäftsmodelle explizit geschützt und abgesichert werden. Nicht zufällig bilden Deutschland, Japan und Italien dabei eine Gruppe von besonders „großzügigen“ Ländern, die gleichzeitig ein besonders niedriges Wachstumspotenzial aufweisen.
Empirisch zeigen sich die Folgen in Deutschland unter anderem auch an einer seit 2004 im Trend rückläufigen Anzahl von Unternehmensinsolvenzen, die im Gegensatz zu Ländern wie den USA auch in den Krisenphasen keine nennenswerten Anstiege verzeichnet. Mittelfristig führt diese Politik zudem zu einem Anstieg der durchschnittlichen Verschuldung der öffentlichen wie auch der privaten Hand. Zusammen mit einer fehlenden Marktbereinigung legt dies die Basis für eine zunehmende Zombifizierung der Wirtschaft. Die damit einhergehende strukturelle Verschlechterung der Produktivität nimmt dem Konjunkturzyklus die Kraft nach oben. Und mittelfristig leidet das Wachstumspotenzial.
In den vergangenen Jahren war eine umfangreiche staatliche Absicherungspolitik auch deshalb politisch attraktiv, da die unmittelbare finanzielle Belastung des Staatshaushalts durch das außergewöhnlich niedrige Zinsniveau begrenzt war. Auch angesichts der nun wohl auch mittelfristig höheren Zinskosten scheint ein Überdenken der aktuellen Praxis für kommende Krisen aber auch von fiskalischer Seite unumgänglich. Eine stärkere Ausrichtung von Programmen an Bedürftigkeit und Effektivität und Effizienz muss ökonomisch das Ziel sein. Kurz: Helfen wo nötig, gleichzeitig auf Ebene der Haushalte mehr Eigenverantwortung und auf Unternehmensebene mehr von Schumpeters Diktum der schöpferischen Zerstörung wagen.
Der aktuell sehr polarisierte politische Diskurs lässt kurzfristig allerdings daran zweifeln. Dies zeigen die jüngsten Kompromisse um Strompreisbremsen, Heizungsgesetz oder Angebotskrise am Wohnungsmarkt, die nur mit neuerlich enormen staatlichen Subventionen erreicht wurden. Hier muss die Wirtschaftspolitik aber die längerfristigen makroökonomischen Effekte stärker im Blick haben und gleichzeitig der Bevölkerung, die kurzfristig teils unangenehmen ökonomischen Realitäten nicht verschweigen. Schließlich kann eine Veränderung auch der Anfang vom Wandel zum Besseren sein.
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