Volkswirt Johannes Mayr
Volkswirt Johannes Mayr
Das Konjunkturwachstum hat sich in den entwickelten Volkswirtschaften in den vergangenen Dekaden erheblich verlangsamt. Die Gründe sind vielschichtig und reichen von der demografischen Entwicklung über die Produktivität bis hin zu externen Einflüssen durch Ressourcenknappheit und steigende Energiepreise. Säkulare Stagnation ist ein häufig zitierter Begriff hierfür. Neben der strukturellen Verlangsamung des Wachstumspotenzials wird einem zweiten makroökonomischen Phänomen dagegen weniger Beachtung geschenkt. Auch dem Konjunkturzyklus – also den Schwankungen der Nachfrage um den Wachstumstrend – scheint die Luft auszugehen. Das ist für Politik, Notenbanker und Ökonomen relevant. Und auch Investoren sollten sich dem Phänomen, seiner Ursachen und möglichen Folgen bewusst sein.
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Das Konjunkturwachstum hat sich in den entwickelten Volkswirtschaften in den vergangenen Dekaden erheblich verlangsamt. Die Gründe sind vielschichtig und reichen von der demografischen Entwicklung über die Produktivität bis hin zu externen Einflüssen durch Ressourcenknappheit und steigende Energiepreise. Säkulare Stagnation ist ein häufig zitierter Begriff hierfür. Neben der strukturellen Verlangsamung des Wachstumspotenzials wird einem zweiten makroökonomischen Phänomen dagegen weniger Beachtung geschenkt. Auch dem Konjunkturzyklus – also den Schwankungen der Nachfrage um den Wachstumstrend – scheint die Luft auszugehen. Das ist für Politik, Notenbanker und Ökonomen relevant. Und auch Investoren sollten sich dem Phänomen, seiner Ursachen und möglichen Folgen bewusst sein.
Die Schwankungsbreite der Konjunkturzyklen hat seit den 1950er Jahren in mehreren Stufen deutlich abgenommen. Dies zeigt repräsentativ ein Blick auf den ISM-Index in den USA, dem global wohl meistbeachteten Konjunkturindex. Die Amplitude seiner Schwankungen hat seit den 1950er Jahren in zwei Stufen abgenommen und fällt vor allem seit der Finanzkrise auffallend geringer aus.
Indikatoren und Maße der Konjunktur in anderen Regionen zeigen ein ähnliches Bild. Der Trend steht damit in Kontrast zum weitverbreiteten Gefühl von sehr dynamischen Entwicklungen und Umbrüchen in Wirtschaft, Geopolitik und Gesellschaftssystemen. Auch die globale Corona-Pandemie mit Lockdowns, Produktions-Stopps und Lieferkettenproblemen hat daran nichts geändert. Was steckt dahinter?
Verantwortlich für die Abnahme der Schwankungsbreite dürften vor allem vier Faktoren sein. Trivial ist, dass in einer im Trend weniger stark wachsende Wirtschaft auch die konjunkturellen Schwankungen absolut geringer ausfallen. Dazu kommt der strukturelle Wandel der westlichen Volkswirtschaften mit dem Rückgang des Wertschöpfungsanteils der Industrie.
Während die Industrie bis in die 1960er Jahre in Deutschland noch für mehr als die Hälfte der Wertschöpfung stand, liegt ihr Anteil heute noch bei etwa 20 Prozent, Tendenz fallend. Diese Entwicklung und die damit einhergehende Dominanz der Dienstleistungen ist in den USA sogar noch ausgeprägter. Und die Industrie ist über den Investitions- und Kapitalzyklus eine entscheidende Triebfeder jeder Konjunktur. Vereinfacht gesagt: weniger Industrie, weniger Zyklus.
Neben diesen beiden Faktoren spielt aber auch die Wirtschaftspolitik eine entscheidende Rolle. Denn spätestens seit der Finanzkrise sind Geld- und Fiskalpolitik zu einer Politik der Vollkaskoversicherung übergegangen. Mit enormen monetären Mitteln stemmen sie sich gegen wirtschaftliche Abschwünge und haben ihren Einsatz dabei stetig erhöht. Die Rettungsschirme für Haushalte und Unternehmen ziehen einen Boden unter den Nachfragezyklus, der die Abwärtsbewegungen begrenzt.
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