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Aktualisiert am 04.07.2013 - 12:57 Uhrin MärkteLesedauer: 3 Minuten

Wissen kompakt: Anleiheexperten über Spekulationsblasen und Kursrisiken

Jeremy Cunningham, ACM-Bernstein
Jeremy Cunningham, ACM-Bernstein
Ja, man kenne sich schon, erklären die beiden in einer Kaffeepause. Man kenne gemeinsame Kollegen, habe sich auch schon auf Kongressen in London getroffen. Aber direkt zusammen gearbeitet haben sie noch nicht. Der eine heißt Steven Nicholls und ist Chef der Produktspezialisten für Rentenfonds bei Aberdeen Asset Management. Der andere ist Jeremy Cunningham, ein ernst und konzentriert wirkender Mann, der als Senior-Portfoliomanager für Anleihen bei ACM-Bernstein arbeitet.

Es ist ein Mittwoch im Hamburger Hotel „Vier Jahreszeiten“. Die Arbeitgeber der beiden Herren sind auf Werbetour durch Deutschland. Es geht um die globalen Anleihemärkte, und in welchen Segmenten Anleger noch gut aufgehoben sind. Nicholls spricht über Anleihen aus den Schwellenländern, Cunningham über Hochzinsanleihen. Und beide brechen eine Lanze für ihr Gebiet.

So wirft Nicholls eine Grafik auf die Leinwand, die die laufenden Renditen von Schwellenländeranleihen zeigt – Staatsanleihen in lokalen Währungen sowie in Dollar und Euro, und Unternehmensanleihen. Als die Anlegerwelt 2009 von Angst durchgeschüttelt war, gab es noch Renditen im zweistelligen Bereich zu bestaunen. Heute nicht mehr. Unter 6 Prozent rentieren sie alle, die Papiere in Hartwährungen sogar deutlich unter 5 Prozent. Möglich wurde es dadurch, dass Anleger aus den europäischen und amerikanischen Tiefzinsmärkten auf höher rentierliche Anlagen auswichen. Sie steckten Milliarden in Schwellenländeranleihen.

Definition einer Spekulationsblase

Doch den Gedanken an eine Spekulationsblase lässt Nicholls nicht gelten. „Niedrige Renditen zeigen noch lange keine Spekulationsblase an“, sagt er und schiebt gleich seine eigene Definition nach: „Eine Spekulationsblase gibt es, wenn fundamentale Fakten und Bewertungen auseinander gehen.“ Das kann er jedoch nicht erkennen. Die niedrigen Renditen repräsentieren für ihn Staaten und Unternehmen mit gesunden Finanzen.

Eine zweite, ungewöhnliche These liefert er, als er über die amerikanische Notenbank, die Fed, spricht. Denn Nicholls zeigt überhaupt keine Angst davor, dass die Fed den Leitzins heben und mit den Käufen am Anleihemarkt aufhören könnte. „Die Märkte denken, Fed-Chef Ben Bernanke und seine Mitarbeiter sind Idioten. Wir wissen es besser und ignorieren solche Einschätzungen“, meint Nicholls. Bernanke sei sehr besorgt über die US-Wirtschaft und wisse, dass jede geldpolitische Straffung den Aufschwung gefährdet. Und: „Er hat mehr Angst vor Deflation als vor Inflation.“ Also sollten sich die Gemüter mal ein bisschen beruhigen. Steigende Zinsen sieht er in den USA nicht in naher Zukunft.

Sein Kollege Cunningham hat das Thema Hochzinsanleihen mitgebracht. Er dröselt USA und Europa nach Ratings auf und stellt fest, dass zwei von drei europäischen High Yields das Rating Ba oder besser tragen. In den USA sind es lediglich 39 Prozent. Dagegen haben 43 Prozent der Anleihen ein B, in Europa sind es 25 Prozent. Was unterm Strich durchblicken lässt, dass Europa die besseren Hochzinsschuldner hat. Und trotzdem liegt das Kursniveau der US-Papiere über dem der europäischen. Verdrehte Welt.

Was soll die normale Duration?

Doch wo stecken derzeit die größten Risiken? Hier rechnet Cunningham nach. Eine Tabelle zeigt als Grundannahme eine Rendite von 5,6 Prozent, wenn die Ausfallrate bei 2 Prozent bleibt und das Zinsniveau nicht steigt. Zöge die Ausfallrate bei konstanten Zinsen auf 4 Prozent an, bliebe noch immer eine Rendite von 4,2 Prozent. Das wäre bei weiter schwachem Wirtschaftswachstum der Fall. Würden dagegen die Zinsen um 1,2 Prozentpunkte steigen, bliebe dem Anleger nur noch 2,9 Prozent Gewinn in dem Jahr. Das wäre das Szenario für anziehende Wachstumsraten in der Wirtschaft. „Das Hauptrisiko ist somit nicht eine steigende Ausfallrate“, folgert Cunningham. „Es sind steigende Zinsen.“

Doch in dieser Hinsicht ist Anleihe nicht gleich Anleihe. Zwar zeige beispielsweise ein Bloomberg-Terminal zu jeder Anleihe eine rechnerische Duration an. Sie stellt angeblich dar, um wie viel Prozent der Kurs fällt, wenn die Rendite um einen Prozentpunkt steigt, und umgekehrt. Doch das trifft die Realität laut Cunningham nicht ganz. Interessant ist vor allem, wie sich die Kurse von Hochzinsanleihen verhalten, wenn die Rendite risikofreier Anlagen – zum Beispiel Bundesanleihen – steigt. Und hier sinkt die Abhängigkeit, je mehr Risikoaufschlag in der Rendite der Anleihe steckt – also je höher der Spread ist. So errechnen die Analysten von ACM-Bernstein für jede Anleihe eine empirische Duration, die das Verhalten zu risikofreien Anlagen ausdrückt. Sie ergibt sich aus Erfahrungswerten der Vergangenheit und kann bei extremen Spreads von 550 Basispunkten (5,5 Prozentpunkte) und mehr sogar unter Null liegen. Das hieße, dass die Kurse von Hochzinsanleihen sogar mit steigen würden, wenn die Renditen – beispielsweise – von Bundesanleihen anziehen. Ein Trost für Anleger von Hochzinsanleihen.

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