- Startseite
-
Nordix-Spezialist Vladislav Krivenkov ordnet die Börsenlage ein

Am 5. Juni des vergangenen Jahres geschah ein Ereignis, das viele Marktteilnehmer mit Sorge wahrnahmen: Seit diesem Tag liegen die Kosten für die kurzfristige Kreditaufnahme der USA über denen einer langfristigen Finanzierung. Die geforderte zusätzliche Unsicherheitsprämie für eine kurzfristige Finanzierung gilt vielen Marktteilnehmern als Signal für eine anstehende Rezession. Die sogenannte Inversion der US-Zinskurve besteht jetzt seit mehr als 300 Tagen. Ein Jubiläum, das zu einer Zwischenbilanz einlädt.
USA: Inverse Zinskurve treibt Rezessionssorgen

Die Statistik der Zinskurven-Inversion
In den vergangenen dreißig Jahren kam es in den USA bisher viermal zu einer Inversion der Zinskurve: 1998, 2000, 2006 und im Jahr 2019. Während die Inversion in den turbulenten Zeiten der Asienkrise der späten 90ern keine Rezession in den USA zur Folge hatte, rutschte die US-Wirtschaft im April 2001 rund 14 Monate nach der Inversion der Zinskurve, als Folge des Platzens der Dotcom-Blase, in eine Rezession.
Mit dem 11. September nahmen die wirtschaftlichen Verwerfungen dann weitere Fahrt auf. Das Platzen der Immobilien-Blase in den USA wenige Jahre später folgte 23 Monate nach dem die Renditen für kurzfristige US-Staatsanleihen über den der zehnjährigen Schatzanweisungen (10 Year Treasury-Notes) notierten.
Die letzte Rezession erlebten die USA mit Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020. Diese Rezession kam sechs Monate nach der Inversion der US-Zinskurve im August 2019.
Kapitalmarkt kann sich bisher gegen Rezessionstreiber wehren
In den vergangenen 300 Tagen gab es reichlich potenzielle Rezessionsauslöser: Eine galoppierende Inflation, konjunkturdämpfende Zentralbank-Maßnahmen, kräftig gestiegene Refinanzierungskosten für Unternehmen und Staaten, Bankenpleiten in den USA und der Schweiz, ein eingetrübtes Kapitalmarkt-Sentiment und Sorgen vor einer Krise im (Commercial) Real-Estate-Markt.
Angesichts dieser Herausforderungen und vor dem Hintergrund der inversen US-Zinskurve überrascht es nicht, dass viele Marktteilnehmer in Umfragen ein eher pessimistisches Konjunktur-Szenario zeichnen, wie beispielsweise aus dem Ifo-Geschäftsklimaindex hervorgeht. Überraschend sind jedoch die bisher robusten Ergebnisse der Präsenz- und Spätindikatoren der vergangenen 300 Tage.
So zeigt sich zum Beispiel der Arbeitsmarkt in den USA weiter unbeeindruckt von den massiven Zinserhöhungen der Federal Reserve. Er notiert weiterhin auf einem Niveau nahe der Vollbeschäftigung. Auch die medial präsenten Entlassungen bei US-Tech-Konzernen scheinen diesem Zustand nicht entgegenwirken zu können. Der Fachkräftemangel dies- und jenseits des Atlantiks ist nach wie vor das dominierende Thema der Personalabteilungen.
Die anekdotische Evidenz der Berufswahl der „Gen-Z“, für welche die Arbeitsplatz-Sicherheit oder das Einkommen untergeordnete Entscheidungskriterien zu sein scheinen, untermauern die Angebot-Nachfrage-Dysbalance des Arbeitsmarkts. Dabei stellen steigende Arbeitslosenquoten einen wesentlichen Inputfaktor für eine Rezession dar. Auch die laufende Unternehmensberichtssaison zeigt sich im Schnitt eher robust als rezessionsbedroht. So überraschten beispielsweise die US-Tech-Konzerne Microsoft, Meta und Alphabet kürzlich mit besser als erwarteten Quartalberichten.