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Wo die GKV der PKV überlegen ist

Als Privatpatient hat man es gut. Einzel- oder höchstens Doppelzimmer im Krankenhaus, Chefarzt-Behandlung, schnelle Facharzttermine – diese Vorteile sind allgemein bekannt. Doch ist die private Krankenversicherung (PKV) der gesetzlichen (GKV) in allen Bereichen überlegen? Nein, so das Ergebnis einer Studie des Beratungsunternehmens Premiumcircle. Denn in vielen Bereichen haben es gesetzlich Versicherte besser als Privatpatienten.
1.900 Leistungsformulierungen zu 107 Kriterien verdichtet
Premiumcircle bietet Versicherungsmaklern unter anderem eine Software an, mit der sie PKV-Verträge vergleichen können. In seiner jüngsten Studie, dem „Leistungsvergleich PKV-GKV 2025“ nutzt das Unternehmen diese Software selbst, um systematisch die GKV- und die PKV-Leistungen anhand eines definierten Mindeststandards für Krankenversicherungsschutz zu vergleichen.
Dafür haben die Forscher 107 Mindest-Leistungs-Kriterien (MLK) definiert, davon 104 Kriterien, die auch von der GKV erfüllt werden, plus drei zusätzliche Plus-Kriterien, die sie als „minimalen Versicherungsschutz“ ansehen. Die Plus-Kriterien (Sehhilfen ohne Altersbegrenzung, Zahnimplantate und die volle tarifliche Erstattung bei Unfall nach Überschreitung der Altersgrenze) sind keine GKV-Leistungen. Die MLK wurden aus insgesamt 1.900 unterschiedlichen Leistungsformulierungen der PKV-Anbieter gewonnen, indem diese aggregiert und verdichtet wurden.
In der PKV analysierten die Forscher nach eigenen Angaben ausschließlich vertraglich garantierte Leistungsinhalte der privaten Vollkostentarife, nicht etwa unverbindliche Leistungszusagen oder die tatsächliche Erstattungspraxis der Versicherer. Für die GKV wurden die gesetzlichen Leistungsansprüche nach dem Sozialgesetzbuch (SGB V, SGB I, SGB X, SGB XI) untersucht.
Das Analyseverfahren und seine Grenzen
Die Forscher haben die 32 leistungsstärksten PKV-Tarife, also jeweils den Toptarif jedes Versicherers, auf die Erfüllung der 107 MLK geprüft. Die Bewertung erfolgte in vier Abstufungen: "nicht erfüllt", "teilweise erfüllt", "erfüllt" oder "Leistung über MLK". Allerdings weisen die Forscher selbst auf die Grenzen ihrer Untersuchung hin. „Da die Ungleichheit der Systeme einen direkten Vergleich erschwert, wurden bei bestimmten Leistungskriterien Abwägungen vorgenommen, ob die Leistungsinhalte der GKV und PKV "in etwa vergleichbar" sind, schreiben sie.
Das Ergebnis: Kein PKV-Tarif hat die 104 GKV-Mindest-Leistungs-Kriterien nach SGB V erfüllt. Der Tarif mit der höchsten Erfüllung hat 99 von 104 MLK erfüllt. Der Tarif mit der geringsten Erfüllung kommt auf gerade einmal 48 von 104 MLK.
Zieht man noch die von den Forschern definierten Plus-Kriterien hinzu, geht also von 107 Mindest-Leistungskriterien aus, so kommt der Tarif mit der höchsten Erfüllung auf 102 von 107 MLK. Der leistungsschwächste Tarif hingegen hat nur 51 von 107 MLK erfüllt. Zwei PKV-Tarife haben jeweils nur 2 von 3 Plus-Kriterien erfüllt, 30 PKV-Tarife haben alle drei Plus-Kriterien erfüllt. Die GKV hat kein Plus-Kriterium erfüllt.
Familien und unheilbar Kranke benachteiligt
Der Blick auf einzelne Bereiche zeigt, dass Familien und unheilbar Kranke in der PKV laut Studie oft besonders schlechte Karten haben. So waren die Leistungslücken bei der Familienversorgung besonders groß: Knapp 42 Prozent der PKV-Tarife haben hier die Mindestkriterien nicht erfüllt. Lediglich jeder zehnte Tarif bietet Leistungen, die über den Anforderungen für eine Mindestversorgung liegen. Ähnlich sieht es bei der Krankenpflege und der Palliativ-Medizin aus: Knapp 39 Prozent der untersuchten PKV-Tarife erfüllen diese Kriterien nicht, kein einziger Tarif bietet hier mehr als die Mindestversorgung.
Auch bei Anschlussbehandlungen wie Reha oder Kur zeigen sich viele private Versicherer nicht von ihrer besten Seite: Jeder Dritte erfüllt die 18 Mindestkriterien gar nicht, weitere 6 Prozent bleiben unter der von den Forschern definierten Mindestversorgung. Nur 6 Prozent der Versicherer bieten hier mehr als die MLK.
Bei den Krankentransporten und der Prävention bleibt jeweils rund jeder vierte PKV-Tarif unter den MLK zurück. Bei der Psychotherapie ist es jeder fünfte. Auf der anderen Seite bieten jedoch knapp 14 Prozent der untersuchten PKV-Anbieter Leistungen, die über die Mindestversorgung hinausgehen. Bei der Prävention sind es sogar knapp 43 Prozent.
Besonders gut stehen privat Versicherte hingegen erwartungsgemäß bei der Honorarerstattung für ärztliche Leistungen da. Hier haben alle untersuchten Tarife die Mindestkriterien übererfüllt. Auch in Sachen „ambulante Behandlerwahl“ und „Hilfsmittel“ haben fast alle untersuchten PKV-Tarife die Mindestkriterien erfüllt. Auch bei den Zahnleistungen bieten knapp 52 Prozent der PKV-Tarife mehr, als sie mindestens sollten.
BBKK am besten, Ottonova am günstigsten
Mit Blick auf die einzelnen Tarife zeigt sich, dass der Preis nichts über die Leistungsstärke eines Tarifs aussagt. So liegt der preiswerteste Tarif, FC Pro+ von Ottonova, mit jeweils 92 von 104 GKV-Mindestleistungskriterien und 95 von den 107 Gesamtkriterien im oberen Leistungsdrittel. Ein 35-jähriger Versicherter, der eine Selbstbeteiligung von 10 Prozent und 650 Euro in Kauf nimmt, würde dafür 624,25 Euro monatlich zahlen.
Der leistungsstärkste Tarif, Gesundheit-Vario von der Bayerischen Beamtenkasse (BBKK), der 99 von 104 GKV- und 102 von 107 Gesamt-Kriterien erfüllt, wäre bei gleichen Voraussetzungen mit 705,32 Euro monatlich nicht wesentlich teurer. Der teuerste Tarif, Excellent vom Münchener Verein, erfüllt hingegen nur 74 beziehungsweise 77 Mindestkriterien, kostet den Versicherten aber 982,34 Euro im Monat.
Fazit
Aus den Studienergebnisse ergeben sich folgende Vor- und Nachteile der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung.
Nachteile der GKV:
- Bietet einen gesetzlich festgelegten Leistungskatalog mit wenigen Wahlmöglichkeiten
- Leistungsumfang ist nicht langfristig kalkulierbar, da er politischen Entscheidungen unterliegt
- Wettbewerb zwischen Kassen erfolgt primär über Beitragshöhe, kaum über Leistungen
- Versorgung ist auf "ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungen" beschränkt
- Zugang nur zu zugelassenen Leistungserbringern (Vertragsärzten, Plankrankenhäusern)
- International stark eingeschränkter Versicherungsschutz.
Vorteile der GKV:
- Keine nachträglichen Auseinandersetzungen über medizinische Notwendigkeit bereits gewährter Leistungen
- Erfüllt alle 104 GKV-Mindest-Leistungs-Kriterien zu 100 Prozent.
Vorteile der PKV:
- Vertraglich garantierte Leistungen, jedoch starke Spreizung zwischen den Tarifen
- Mehrleistungen bei den Arzthonoraren, Zahnleistungen und Prävention in vielen Tarifen
- Schnelle Facharzt-Termine, die zum Beispiel bei aggressiven, schnell streuenden Tumoren lebensrettend sein können
- Zugang zu Ärzten und Therapien, die nur PKV-Mitglieder behandeln
Nachteile der PKV:
- Kein PKV-Tarif erfüllt alle 104 GKV-Mindest-Leistungs-Kriterien (Erfüllungsgrad zwischen 48 und 99 Kriterien)
- Größte Defizite bei "Familienplanung" (41,8% Nichterfüllung), "Krankenpflege und Palliativversorgung" (38,7% Nichterfüllung) und "Anschlussheilbehandlung, Reha und Kur" (33,3% Nichterfüllung)
- Die meisten PKV-Versicherten sind zudem nicht in den analysierten Top-Tarifen versichert, sondern in älteren, leistungsschwächeren Tarifen
- Bei Wechsel in leistungsstärkere Tarife ist eine erneute Gesundheitsprüfung erforderlich
- Darüber hinaus weisen die Forscher auf einen entscheidenden, in der Studie nicht berücksichtigter Faktor hin: Den vertraglichen Vorbehalt der medizinischen Notwendigkeit, durch den Leistungen trotz vertraglicher Zusage im Einzelfall abgelehnt werden können. Über mehrere solcher Fälle berichteten Spiegel und "ZDF Frontal" vor wenigen Tagen.
Das meint der PKV-Verband
Und wie steht der PKV-Verband zu den Studienergebnissen? Der Verbandssprecher verweist auf Nachfrage von DAS INVESTMENT auf die Stellungnahme zum Spiegel-Artikel. Die Leistungen an die Versicherten hätten stetig zugenommen, schließlich stiegen die Leistungsausgaben der PKV-Anbieter in den vergangenen drei Jahren um knapp 20 Prozent, heißt es darin.
Allerdings wird dieser Anstieg nicht in Bezug zur Versichertenzahl gesetzt, die im gleichen Zeitraum ebenfalls gestiegen ist. Darüber hinaus verweist der Verband auf die jüngste Umfrage des Allensbach-Instituts bei Privatversicherten, die im Dezember 2024 durchgeführt wurde. Demnach seien 94,6 Prozent der PKV-Kunden mit ihrem Versicherer zufrieden.