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Anlagespezialist von Ninety One rät Wo es sich nach Anleihen zu fischen lohnt

Mobilfunkmast in Düsseldorf
Mobilfunkmast in Düsseldorf: Die Telekommunikationsbranche ist aktuell ein interessantes Feld für Anleihe-Investoren, meint Jeff Boswell von Ninety One. | Foto: imago images / Michael Gstettenbauer

Das Marktumfeld war zuletzt alles andere als einfach. Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine nahm die Risikoaversion zunächst stark zu. Die Credit Spreads weiteten sich aus, bevor sich die Stimmung wieder beruhigte und die Spreads nach einer soliden Rally zum Quartalsende fast wieder das alte Niveau erreichten.

Im Hochzinssegment gaben die steigenden Rohstoffpreise den Anleihekursen im Energiesektor Auftrieb. Dagegen wurden Emittenten im Konsumgüter-, Lebensmittel- und Immobiliensektor durch die höhere Inflation und die steigenden Zinsen belastet. Wo aber sind die weniger offensichtlichen Anlagechancen zu finden?

Jeff Boswell © Ninety One

Im Zuge der sich ausweitenden Risikoaufschläge bei Unternehmensanleihen haben sich die bonitätsstärkeren Marktsegmente unterdurchschnittlich entwickelt. Das ist eher ungewöhnlich. Dies war neben einer Scheu vor längeren Laufzeiten in einem Umfeld steigender Zinsen auch auf die markttechnische Dynamik zurückzuführen. Dadurch sind die Bewertungen in einigen bonitätsstärkeren Marktsegmenten jetzt attraktiv.

In Phasen steigender Credit Spreads schneiden Anleihen mit höheren Ratings auf risikobereinigter Basis in der Regel besser ab als Anleihen bonitätsschwächerer Emittenten. Im ersten Quartal dieses Jahres war das Gegenteil der Fall. Damit haben sich Anlagechancen bei attraktiv bewerteten Anleihen in höheren Ratingklassen eröffnet, die sich Investoren nicht entgehen lassen sollten.

Wir sehen vor allem zwei Gründe für die unterdurchschnittliche Performance des Qualitätsfaktors:

  1. die Scheu vor längeren Laufzeiten sowie
  2. die Liquiditätsbedingungen und Kapitalflüsse

Was den ersten Faktor betrifft, so haben bonitätsstärkere Unternehmensanleihen tendenziell längere Laufzeiten. Die restriktivere Zentralbankpolitik hat daher naturgemäß auch zu einer geringeren Nachfrage nach diesen Titeln und stärkeren negativen Kursauswirkungen durch steigende Staatsanleiherenditen geführt.

Was die Liquidität beziehungsweise die Kapitalflüsse betrifft, so ist aus den meisten Kreditmärkten in diesem Jahr Kapital abgeflossen. Die Qualitätssegmente der Kreditmärkte – insbesondere hochverzinsliche Papiere mit BB-Rating – werden aufgrund ihrer höheren Liquidität tendenziell zur Kapitalbeschaffung genutzt. Diese markttechnische Dynamik ist in der Regel bei den Anleihen am stärksten ausgeprägt, die auch in beliebten Hochzinsanleihen-ETFs enthalten sind.

Im Hochzinsbereich ist BB das höchste Rating-Segment, das im Vergleich zu den risikoreichsten Anleihen mit CCC-Rating derzeit besonders günstig erscheint. Nach wie vor ist die zusätzliche Risikoprämie, die Investoren für das Halten von CCC-Anleihen im Vergleich zu solchen mit BB-Rating erzielen können, gemessen am Spread-Verhältnis sehr gering. Sie liegt deutlich unter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre.

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Mit der ungewissen Inflationsentwicklung, der geldpolitischen Straffung und den Auswirkungen auf das Wachstum dürften Unternehmen mit BB-Rating unserer Meinung nach besser zurechtkommen. Schließlich verfügen sie im Vergleich zu denen mit CCC-Rating tendenziell über solidere Bilanzen und Größenvorteile.

Angesichts dieser Rahmenbedingungen erscheinen BB-Anleihen auf risikobereinigter Basis attraktiver bewertet. Im Vergleich dazu entschädigen CCC-Anleihen Investoren nur unzureichend für die offensichtlichen Risiken für die Wirtschaft und die Märkte.

Wir gehen zwar davon aus, dass sich die Kreditausfälle auf kurze Sicht angesichts der gegenwärtig guten Unternehmensbilanzen weiter sehr in Grenzen halten werden. Jedoch wird die Schere zwischen den Sektoren wohl weiter auseinandergehen. Trotz sich mehrender Anzeichen für eine solche Entwicklung spiegeln die Kurse derzeit die Unterschiede in punkto Zyklizität oder Margendruck – denen Branchen und Unternehmen in unterschiedlicher Weise ausgesetzt sind  – nicht angemessen wider.

So haben sich einige traditionell defensive Sektoren während des jüngsten Ausverkaufs wider Erwarten unterdurchschnittlich entwickelt. Dazu gehört etwa die Telekommunikationsbranche. Dies ist eher auf die bereits erwähnten Liquiditätsbedingungen beziehungsweise Kapitalabflüsse als auf fundamentale Ursachen zurückzuführen. Das macht sie trotz ihrer jüngsten Unterperformance unseres Erachtens zu einer interessanten Anlage.

Auch Investment-Grade-Anleihen blieben im ersten Quartal hinter dem Markt zurück. Diese gehörten zu den Kreditanlagen mit der schlechtesten Wertentwicklung. Das lässt sich an der Rendite des Global-Investment-Grade-Index von -6,9 Prozent ablesen. Dennoch sehen wir bei ihnen weiterhin Anlagechancen.

Trotz der unterdurchschnittlichen Entwicklung sind die Gesamtrenditen von Investment-Grade-Anleihen nach wie vor attraktiv – für Investoren dürfte Qualität weiterhin im Fokus stehen. Für Kreditnehmer mit einem Investment-Grade-Rating bleibt der Markt weit offen. Wir halten weitere opportunistische Emissionen für möglich. Mit diesen könnten sich Unternehmen nämlich angesichts der Aussicht auf eine mögliche weitere Zinsvolatilität die aktuell günstigen Zinsen sichern.

Aufgrund dieser jüngsten Marktdynamik dürfte sich eine Umschichtung in höhere Rating-Klassen für Anleger an den Kreditmärkten besonders auszahlen, vor allem angesichts der gegenwärtig sehr unsicheren Aussichten. Sollten sich die Credit Spreads weiter ausweiten, würden wir bonitätsstärkere Anleihen aufgrund ihrer besseren Fundamentaldaten für die defensivere Anlage halten.

Sollten sich die Spreads dagegen verengen, dürften sich diese Qualitätswerte – die wir für überverkauft halten – am ehesten erholen. Obwohl die jüngste Wertentwicklung sie in einem ungünstigen Licht erscheinen lässt, bieten sich hier daher für selektiv vorgehende Investoren durchaus interessante Anlagechancen.


Über den Autor:
Jeff Boswell steht dem Bereich Alternative Credit bei der Fondsgesellschaft Ninety One vor.

 

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