Video-Kommentar Wohngebäude-Policen: „Schäden durch Klimawandel Preistreiber der Versicherer“
Nur die Hälfte der deutschen Wohngebäude sind gegen Starkregen, Hochwasser oder Überschwemmungen versichert. Um das zu ändern, fordern die Verbraucherschützer vom Bund der Versicherten (BdV) eine Pflicht, Bestandsverträge an Wohngebäudeversicherungen entsprechend zu erweitern. Doch es gibt auch gute Gründe der Versicherungsbranche gegen eine solche Pflicht, die sogenannten Elementarschäden privat abzusichern.
So warnen die deutschen Versicherer aktuell vor den finanziellen Folgen für Verbraucher: „Wenn wir Prävention und Klimafolgenanpassung nicht konsequent umsetzen, könnte es in Deutschland nach unseren Schätzungen allein infolge der Klimaschäden innerhalb der nächsten zehn Jahre zu einer Verdopplung der Prämien für Wohngebäudeversicherungen kommen“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
„Verdopplung der Prämien für Wohngebäudeversicherungen“
Betroffen wären alle Hausbesitzer und anteilig über die Miete auch alle Mieter. „Mancherorts könnten Gebäudeversicherungen gar so teuer werden, dass sich das Kunden nicht mehr leisten können“, so Asmussen weiter. Denn jeder Versicherer müsse prüfen, ob er die steigenden Extremwetterschäden langfristig weiter versichern kann. Das habe auch aufsichtsrechtliche Gründe, denn Versicherer müssen die Stabilität ihres Unternehmens sicherstellen.
Sie sei aber bedroht, wenn man sich auch in Deutschland auf immer mehr Naturkatastrophen einstellen müsse. „Ohne Prävention könnte das breite Versicherungsangebot, wie wir es heute kennen, in Zukunft schrumpfen“, sagt Mathias Kleuker, Vorsitzender des GDV-Präsidialausschusses Risikoschutz in Gesellschaft und Wirtschaft. Einige Versicherer könnten früher oder später dazu gezwungen sein, das Geschäft aufzugeben, weil sie die entsprechenden Risiken nicht mehr tragen können.
Versicherer setzen auf Prävention statt Pflicht
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Hierbei müsse man auch auf Prävention achten, die laut Anja Käfer-Rohrbach bereits bei der Stadtplanung beginnt. Auf der BdV-Wissenschaftstagung im Mai erinnerte die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) an die schweren Gebäudeschäden infolge des Sturmtiefs Bernd in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021. Heute würden lediglich 34 der betroffenen Häuser nicht wieder am gleichen Ort wieder aufgebaut, kritisiert sie mit Blick auf die potenziellen Gefahren durch zukünftige Unwetter als Folge des fortschreitenden Klimawandels.
Das dürften die Gemeinden und Städte eigentlich gar nicht genehmigen, meint Käfer-Rohrbach. Und weiter: „Die Länder machen es sich zu leicht, wenn sie eine Pflicht zur Versicherung gegen Elementarschäden fordern.“ Wie berichtet, stimmen die Ministerpräsidenten der Bundesländer diesem Plan Mitte 2022 zu. Doch Bundesjustizminister Marco Buschmann boykottierte das Vorhaben Ende vorigen Jahres. Denn eine Versicherungspflicht würde „Wohnen und Leben in Deutschland noch teurer“ machen, erklärte der FDP-Politiker. Daher halte er sie politisch für falsch und die Länder könnten ja selbst tätig werden – und beispielsweise den Bau von Schutzeinrichtungen fördern.
Der GDV wirbt daher für sein von der Versicherungswirtschaft erarbeitete Gesamtkonzept aus Prävention und Klimafolgenanpassung, Vorsorge für den Katastrophenfall und Versicherungsschutz. „Denn noch haben wir es als Gesellschaft in der Hand, die Schäden infolge des Klimawandels und damit die Versicherungsprämien positiv zu beeinflussen“, sagt Asmussen. Um das zu erreichen, sollten aus Sicht der Versicherer folgende Änderungen rasch umgesetzt werden:
- Klimaangepasstes Planen, Bauen und Sanieren
Prävention sollte fester Bestandteil der Landesbauordnungen werden. - Baustopp in Überschwemmungsgebieten
Denn jedes Jahr entstehen rund 1.500 neue Gebäude in hochwassergefährdeten Gebieten. - Stopp der Flächenversiegelung
Bei Baugenehmigungen sollte künftig eine Klima-Gefährdungsbeurteilung verpflichtend sein. - Bundesweites Naturgefahrenportal
Damit soll das Risikobewusstsein der Bevölkerung erhöht werden.
Mit Blick auf extreme Naturkatastrophen und damit auf mögliche Grenzen privater Versicherungskapazitäten sprechen sich die deutschen Versichererer für eine sogenannte Stop-Loss-Regelung aus. Bei dieser Form einer öffentlich privaten Partnerschaft würde der Staat ab einer vorher definierten Grenze die Schäden übernehmen. „Wir sprechen hier von Ausnahme-Katastrophen mit einem Schadenvolumen deutlich über 30 Milliarden Euro“, sagt GDV-Experte Kleuker.
Zum Vergleich: Die Ahrtal-Flut von 2021 war mit ihren Gesamtschäden von 8,5 Milliarden Euro zwar die bislang schwerste und teuerste Naturkatastrophe für die deutschen Versicherer. Dennoch wäre sie mit einem Schadenvolumen unter 30 Milliarden Euro kein Fall für die Stop-Loss-Regelung gewesen. „Andere Länder in Europa und der Welt haben solche Partnerschaften, etwa Frankreich, Belgien und Großbritannien“, sagt Asmussen. „Wir halten das für eine gute Lösung auch für Deutschland.“