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Wohngebäudeversicherung: Nur 9,7 Prozent der Tarife sind top

Nach einer vorläufigen Prognose des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) belaufen sich die entstandenen Schäden nach dem Hochwasser in Bayern und Baden-Württemberg auf etwa zwei Milliarden Euro. Für das Analysehaus Franke & Bornberg (F&B) ist klar, dass das Großschadenereignis tiefe Löcher in den Büchern der Wohngebäudeversicherer hinterlassen wird.
Unübersichtlicher Tarif-Dschungel
In einem aktuellen Rating hat F&B auch dieses Jahr das Angebot in dieser Sparte untersucht. Auch wenn das Hochwasserereignis dafür keine Rolle spielte, sprechen die Ergebnisse für eine überschaubare Produktqualität und für eine herausfordernde Suche nach dem passenden Versicherungsschutz für Kunden. Die Tariflandschaft ist heterogen – neben Leistungen für Schäden durch Feuer, Leitungswasser, Sturm und Hagel gibt es in der Wohngebäudeversicherung zahlreiche Zusatzleistungen. Die Tarife sind dabei meist modular aufgebaut, ein Vergleich sei daher schwierig. Hier war es aus Sicht der Ratingagentur Zeit für einen Relaunch der eigenen Untersuchung.
„Unser neues (...) Rating sorgt für einen besseren Überblick in dieser extrem vielfältigen Tariflandschaft. Das erleichtert die Vorausauswahl geeigneter Tarife“, sagt Michael Franke, Geschäftsführer von Franke und Bornberg. Die endgültige Wahl aber müsse noch immer anhand der besonderen Gebäudemerkmale und des Sicherungsbedarfs der Besitzer getroffen werden.
So funktioniert die Untersuchung
Als Quellen für das Rating wurden nach Unternehmensangaben ausschließlich die Versicherungsbedingungen sowie gegebenenfalls verbindliche Verbraucherinformationen, Antragsformulare, Versicherungsscheine, Geschäftsberichte und per Stichprobe verifizierte Daten genutzt. Die Testkandidaten wurden zunächst dahingehend überprüft, in welchen Ausprägungen beziehungsweise Varianten welche Detailleistungen und Einzelregelungen angeboten werden. Die Qualität der jeweiligen Regelungen wurde in einem nächsten Schritt auf einer Skala von null für die schlechteste Ausprägung bis 100 für die beste Ausprägung eingeordnet. Danach wurden die einzelnen Leistungskriterien entsprechend ihrer Wichtigkeit aus Kundensicht gewichtet, so die Autoren.
Änderungen bei der Rating-Methodik 2024
Laut F&B ist das neue Rating „schlanker“. Es verzichtet auf die Kategorien Grund-, Standard- und Topschutz und bewertet alle Tarife nach einem einheitlichen Kriterienkatalog. Die Notenskala umfasst jetzt sieben Leistungsklassen plus Schulnote. Mehr Differenzierung in der Spitzengruppe verspreche die neue Höchstnote „FFF+“ (Hervorragend), die auch schon in anderen Ratings des Hauses eingeführt wurde. Dem Rating liegen insgesamt 31 Hauptkriterien mit 81 Detailkriterien zugrunde.
Tarife in den oberen Leistungsklassen müssen Mindeststandards erfüllen. „Die Mindeststandards konzentrieren sich auf entscheidende Pain-Points, also Sachverhalte, die für Betroffene besonders unangenehm werden können“, so Franke. Einen großen Wert legen die Analysten nach eigener Aussage beispielsweise auf die Zusicherung, dass bei schleichenden Schäden, die zeitlich nicht eindeutig zugeordnet werden können, der aktuelle Versicherer die Bearbeitung übernimmt.
Präzisierung bei Leistungswasserschäden
Zudem wurden einige Kriterien präzisiert. Aus dem Kriterium „Rohrbruch“ wurden jetzt Zuleitungsrohre, Ableitungsrohre und Gasleitungen. Die wiederum werden unterschieden nach Wasser- und Abwasserrohren auf dem Grundstück und solche außerhalb des Grundstücks. Die Präzisierung sei notwendig, denn es ginge um viel Geld. „Leitungswasserschäden sowie Schäden an Zu- und Ableitungsrohren sind häufig und teuer, sowohl im Gebäude als auch außerhalb. Fast jeder zweite Euro der Wohngebäudeversicherung fließt für Leitungswasserschäden“, sagt Franke. Aber schon eine Nuance beim versicherten Leistungsumfang entscheide darüber, ob der Versicherer zahlt oder nicht.
Weitere Details zu den Bewertungsgrundlagen können hier nachgelesen werden.
Die Ergebnisse des Wohngebäude-Ratings
Dem Rating 2024 liegen 1.747 Tarife und Tarifkombinationen von 85 Versicherern zugrunde. Für eine bessere Übersicht wurden die Ergebnisse laut F&B auf 340 Tarifvarianten komprimiert, die sich vom Rating her unterscheiden. Davon erreicht nur knapp jeder zehnte Tarif die neue Höchstnote „FFF+“. 17 Versicherer bieten ein Produkt mit Top-Rating an. Immerhin 22,9 Prozent der Tarife landen mit der Note „FFF“ (Sehr gut) im Verfolgerfeld. Die größte Produktdichte zeigt sich allerdings im Mittelfeld. 32,4 Prozent der Offerten werden mit der Note „FF“ (Befriedigend) bewertet.
Am unteren Ende der Skala schneiden fast 30 Prozent aller Tarife nur „ausreichend“ oder noch schlechter ab. Schwächere Tarife oder Tarifkombinationen zeigen laut F&B häufig Lücken bei Schäden an Ableitungsrohren, Schäden durch Tiere sowie bei Leistungen für das Beseitigen umgestürzter Bäume und Aufforstung. Gebäudeschäden durch Graffiti oder Vandalismus und Kosten für Sachverständige seien ebenfalls nicht ausreichend gedeckt.

Prämien steigen mit den Baukosten
Die meisten Wohngebäude sind zum gleitenden Neuwert versichert, haben also keine feste Versicherungssumme. Auf diese Weise sind Gebäude stets ausreichend versichert. Im Gegenzug folgen die Prämien der Entwicklung von Baupreisindex und Tariflohnindex für das Baugewerbe. Deshalb sind die Prämien von 2022 auf 2023 um 14,7 Prozent und 2024 um weitere 7,5 Prozent gestiegen, wie die Autoren feststellen. Guter Schutz bleibe – wie die Berechnungen von F&B zeigten – trotzdem bezahlbar. Eine sicherlich kontroverse Einschätzung, da in kaum einer Sparte die Prämien zuletzt so stark zulegten.

Elementarschutz bleibt fast immer optional
Trotz der aktuellen Diskussionen um eine Elementarschadenpflichtversicherung bieten die meisten Tarife diesen erweiterten Naturgefahrenschutz nur optional an, berichtet F&B. In den Online-Rechnern der Versicherer sei Elementarschutz nicht immer automatisch vorbelegt. Das lasse ihnen Raum für eine individuelle Annahmepolitik. Und über die Prämie könne zusätzlich gegengesteuert werden.
Nachhaltigkeit in der Wohngebäudeversicherung auf dem Vormarsch
Eine weitere Beobachtung der Analysten: „Wohngebäudeversicherungen werden nachhaltiger, wenn auch nicht flächendeckend“, sagt Christian Monke, Leiter Ratings Gesundheit und Private Risiken. „Alles, was ein Wohngebäude nachhaltiger macht, kann auch versichert werden.“ Wärmepumpen seien zum Beispiel bei Diebstahl mittlerweile besser geschützt. Echte Nachhaltigkeitsmehrwerte bieten aus Sicht von Monke die Übernahme von Mehrkosten für einen nachhaltigen Wiederaufbau, die Übernahme höherer Kosten für energetische Sanierung und umweltfreundliche Baustoffe, eine klimaneutrale Schadenregulierung und die Übernahme von Beratungskosten für nachhaltige Technologien.