
In der Praxis zeigt sich die Wohngebäudeversicherung oft als Sparte mit Ecken und Kanten. Viele verstehen sie falsch oder übersehen wichtige Details. Hier möchte ich aus meiner Sicht wichtige Aufklärungsarbeit für Vermittler leisten.
Zunächst hilft es, das Wort Wohngebäudeversicherung wörtlich zu nehmen – und die Obliegenheiten zu kennen. Eine Wohngebäudeversicherung dient der überwiegenden und dauerhaften Wohnnutzung. Das heißt, ein Wohngebäude ist nicht leerstehend, es ist keine Baustelle, und es ist auch keine überwiegend als Gewerbestätte genutzte Liegenschaft.

Fallstricke bei Nebengebäuden
Auch Nebengebäude sind nicht automatisch mitversichert. Die meisten Pauschaldeklarationen umfassen Nebengebäude nur bis zu einer gewissen Grundfläche – alles, was darüber hinausgeht, muss gesondert berechnet werden. Heißt im Klartext: Versicherungsnehmer müssen mit dem Versicherer sprechen und gegebenenfalls eine separate Wertermittlung machen.
In einem Nebengebäude wird laut Versicherungsdefinition zudem nicht gewohnt und auch kein Gewerbe betrieben. Wenn doch, dann muss es gesondert betrachtet werden, entweder als zusätzliches Wohnhaus oder als Gewerbegebäude. Auch hier lauert eine gefährliche Fehlerquelle in der falsch interpretierten Begriffsdefinitionen. Denn nicht jedes Bauwerk, das neben dem eigentlichen Wohnhaus steht, ist automatisch ein „Nebengebäude“ im Sinne des Versicherers.
Leerstand oder Baustellen müssen gemeldet werden
Ist ein Haus plötzlich dauerhaft unbewohnt oder wird zur Baustelle, muss der Versicherer informiert werden. Im Schadenfall drohen sonst Leistungskürzungen oder ein vollständiges Leistungsverweigerungsrecht. Oft zieht sich der Versicherer nach einer solchen Anzeige der Risikoerhöhung ganz oder teilweise aus der Deckung zurück – bietet vielleicht nur noch eine Feuerversicherung an oder möchte den Vertrag gar nicht fortführen.
Für eine Sanierungsbaustelle oder bei Anbau- und Ausbauarbeiten brauchen Kunden in der Regel eine Bauleistungsversicherung, um sowohl die Neubauleistung als auch die Altbausubstanz ausreichend abzusichern. Diese kann natürlich auch bei Neubauten nicht schaden, wird jedoch oft schon über die Baufirma angeboten. Wohngebäudepolicen bieten bei Neubauten oft nur Schutz gegen Feuer, jedoch lauern viele weitere Gefahren, die die Bauleistungsversicherung zuverlässig abdeckt.
Auch bei Leerstand gilt: Meldung machen, Obliegenheiten einhalten, Risikoerhöhung dem bestehenden Versicherer melden, Antwort abwarten und entsprechend handeln. Bei kurzfristigem Leerstand, zum Beispiel bis zu einem Verkauf, könnte der Versicherer sogar positiv reagieren und das Risiko noch für einen gewissen Zeitraum vollumfänglich weiter versichern.
Rechte im Blick behalten
Falsch wäre es, nach meiner Erfahrung ohne Absprache mit dem Versicherer gleich auf die Suche nach Alternativen zu gehen. Denn: Der bestehende Versicherer hat ein Recht auf diese Information und der Kunde auf eine entsprechende Reaktion. Wird eine Gefahrerhöhung nachweislich fristgerecht gemeldet und reagiert der Versicherer nicht, dann ist das sein Problem. Er bleibt dann vollumfänglich im Risiko und kann sich nachträglich nicht mehr aus der Affäre ziehen. Das ergibt sich aus dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG).
Die maßgebliche Frist, innerhalb derer ein Versicherer auf die Anzeige einer Gefahrerhöhung durch den Versicherungsnehmer reagieren muss, beträgt einen Monat ab Kenntnis der Gefahrerhöhung. Tipp: Der Versicherungsnehmer muss gegebenenfalls die gemeldete Gefahrerhöhung nachweisen können. Man sollte dies also stets schriftlich in einer zum Nachweis geeigneten Form tun (zum Beispiel per Einschreiben mit Rückschein).
Wichtig zu wissen: Bei Erbschaft oder Schenkung gibt es kein Sonderkündigungsrecht nach § 96 VVG. Denn dieser Paragraf greift nur bei einem Kauf – also dem Erwerb von Eigentum gegen Bezahlung – nicht aber bei Erbschaften oder Schenkungen. Erwerb ist definiert als Erhalt des Eigentums an einer Sache oder der Inhaberschaft an einem Recht gegen Bezahlung.
Worauf bei der Risikoerfassung zu achten ist
Viele Missverständnisse entstehen auch bei der korrekten Risikoerfassung und bei den Definitionen. Wenn Vermittler Risiken korrekt erfassen wollen, sollten sie entweder die Tarifsoftware des jeweiligen Versicherers nutzen oder – wenn man mehrere Angebote einholen will – einen Erfassungsbogen verwenden, wie ihn zum Beispiel Maklerpools anbieten. Diese sollten unbedingt sauber und vollständig ausgefüllt werden, sonst kommt es zu unnötigen Rückfragen und Missverständnissen – und am Ende zu falschen Angeboten oder sogar Ablehnungen.
Dabei ist zu beachten, dass bei einem normalen Einfamilienhaus in der Neubausiedlung, wo jedes Haus gleich aussieht, einer der bekannten Vergleichsrechner noch ausreichen mag. Aber deren Kompetenz endet sehr schnell, wenn’s komplizierter wird.
Viele Häuser sind falsch versichert
Ich behaupte, dass es in Deutschland eine große Anzahl von Wohnimmobilien gibt, die falsch versichert sind. Sei es mit zu niedrigen Werten oder weil die Versicherung nicht zur tatsächlichen Bauausführung oder Nutzung passt. Wenn der Versicherungsnehmer Ausbauten oder Umbauten nicht meldet und die Police nicht angepasst wird oder wenn aus einem Wohnhaus mittlerweile eine Shishabar mit Tankstelle wurde, ist das ein echtes Problem. Daher sollten Vermittler sich die Objekte immer genau anschauen und Risikobewertungen, Fotos, Lagepläne nutzen – alles, was hilft, dem Versicherer ein vollständiges Bild zu liefern.
Wie KI in Zukunft helfen kann
Künstliche Intelligenz könnte in Zukunft helfen, diese Herausforderungen besser in den Griff zu bekommen. Wenn zum Beispiel über Dienste wie Google Maps, Google Earth oder andere Geodaten-Plattformen die Größenverhältnisse und baulichen Strukturen von Gebäuden automatisiert analysiert werden, wird es für Versicherer möglich sein, proaktiv auf vermutete bauliche Erweiterungen oder Umbauten hinzuweisen.
Der Versicherer könnte Vermittler dann gezielt ansprechen – und auf die Bedeutung solcher Veränderungen für den Versicherungsschutz hinweisen. So ließen sich Missverständnisse vermeiden, Risiken besser kalkulieren – und der Versicherungsschutz bliebe passend zur Realität. Die ersten Modelle dafür liegen bereits in den Schubladen der Versicherer. Das Potenzial, Prozesse einfacher, schneller und transparenter zu machen, ist enorm – für Kunden wie Vermittler gleichermaßen.
Tipps für alle Phasen des Planens, Bauens, Kaufens, Sanierens und Verkaufens – sowohl beim Neubau, Altbau als auch bei Eigentumswohnungen – gibt es beispielsweise hier.
Über der Autor:
Stephan von Heymann wurde 1974 in Aurich geboren. Er begann seine Karriere in der Assekuranz mit einer Ausbildung zum Versicherungskaufmann bei der Ergo in Bremen. Er war mehrere Jahre als selbstständiger Versicherungsvermittler in Leipzig tätig, bis er 2014 zum Maklerpool Aruna nach Berlin wechselte. Dort ist er als „Haftpflicht Underwriter“ tätig. Ein ergänzendes Fachstudium bei der Deutschen Versicherungsakademie absolvierte er zwischen 2019 und 2020. Von Heymann betreibt ein Blog für Sachversicherungsthemen.