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IW-Experte Michael Voigtländer
So riskant ist der deutsche Immobilienmarkt

Michael Voigtländer leitet das Kompetenzfeld Finanzmärkte und Immobilienmärkte beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Foto: Institut der deutschen Wirtschaft
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) beobachtet die Vergabe von Wohnimmobilienkrediten in Deutschland inzwischen sehr kritisch. Was steckt dahinter? Michael Voigtländer und Jonas Zdrzalek vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln haben den Wohnungs- und Häusermarkt untersucht.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat Anfang 2022 verkündet, dass Banken ab 2023 Wohnimmobilienkredite mit mehr Eigenkapital unterlegen müssen. Konkret ist beabsichtigt, den „antizyklischen Kapitalpuffer auf 0,75 Prozent der risikogewichteten Aktiva auf inländische Risikopositionen festzusetzen und einen sektoralen Systemrisikopuffer von 2,0 Prozent der risikogewichteten Aktiva auf mit Wohnimmobilien besicherte Kredite einzuführen“ (Bafin, 2022).
Damit reagiert die Bafin auf aus ihrer Sicht ansteigende Risiken für die Finanzmarktstabilität aufgrund der anhaltenden Preissteigerungen am deutschen Wohnimmobilienmarkt. Auch der Ausschuss für Finanzstabilität (Deutsche Bundesbank, 2021) äußerte im Dezember 2021 die Befürchtung, dass die Finanzmarktstabilität angesichts steigender Risiken in der Wohnimmobilienfinanzierung gefährdet sein kann. Weitere Schritte, etwa die Einführung von Obergrenzen für den Beleihungsauslauf (Verhältnis des Fremdkapitals zum Kaufpreis), behält sich die Bafin ausdrücklich vor.
Die konkreten Auswirkungen der Einführung eines sektoralen Risikokapitalpuffers in der Wohnimmobilienfinanzierung sind schwer zu quantifizieren. Banken müssen mehr Eigenkapital nachweisen, das knapp ist, und sie verfügen in sehr unterschiedlichem Maß über Eigenkapital. Zudem ist der Wettbewerb in der Wohnimmobilienfinanzierung intensiv, was die Auswirkungen auf das Zinsniveau begrenzen wird.
Allerdings wird aufgrund inflationärer Tendenzen ohnehin eine Zinserhöhung erwartet, die zusätzlich zu der Maßnahme der Bafin die Zinsbelastung für Haushalte steigern wird (Feld/Hirsch, 2022). Wichtiger noch als die konkrete Wirkung der Maßnahmen ist die Frage, ob steigende Risiken in der Wohnimmobilienfinanzierung in Deutschland vorliegen, die wiederum Eingriffe rechtfertigen.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat bereits 2016 die Risiken in der deutschen Wohnimmobilienfinanzierung untersucht (Bendel/Voigtländer, 2016). Diese Analyse wird im Folgenden aktualisiert. Zentral werden zwei Fragen adressiert:
- Kann die Entwicklung der Kreditvergabe angesichts der Entwicklungen der Zinsen und Immobilienpreise noch als angemessen bewertet werden?
- Inwiefern geben die Entwicklung und Ausgestaltung der Kreditprodukte aktuell Anlass zur Sorge?
Bevor diese beiden zentralen Fragen beantwortet werden, wird zunächst der Zusammenhang von Wohnimmobilienmarkt, Immobilienfinanzierung und der Finanzmarktstabilität dargestellt.