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Woran Versicherer in der Kundenbeziehung arbeiten müssen

Das Kundenverhalten richtig zu verstehen und die sogenannten „Touch Points“, also die Kontaktpunkte mit Kunden, richtig auszurichten – damit befasst sich die „Versicherungsstudie Customer Experience 2023“ der Managementberatung Horváth. Die Ergebnisse der im August des Vorjahres vom Meinungsforschungsunternehmen Forsa durchgeführten Online-Befragung von über 2.000 Endkunden, die innerhalb der vergangenen zwölf Monate im Kontakt zu einer Versicherung standen, wurden erst jetzt veröffentlicht.
Studie untersucht Handlungsbedarf auf vier Ebenen
In der Studie geht es um folgende vier Kernfragen: Wie kommt der Kontakt mit dem Versicherer zustande und welche Kontaktkanäle nutzen Versicherungskunden? Wie erleben Kunden ihren Versicherer im Falle einer Beschwerde? Wie stehen Kunden zu den ESG-Aktivitäten ihres Versicherers? Welche Meinung haben Kunden zu Ökosystemen und wie nutzen sie diese? Die Auswertung zeigt laut Horváth Handlungsbedarf auf vier verschiedenen Ebenen auf, analog zu den Kernfragen.
Digitale Kommunikation noch im Hintertreffen
Was den Kontaktkanal angeht, stellen die Autoren fest, dass die Anbieter ihre Kunden nicht ausreichend betreuen und regelmäßige Anlässe zur Ansprache nicht nutzen. Der Kontakt gehe zu über 90 Prozent vom Kunden aus, und das nicht nur im Schaden- und Leistungsfall, sondern auch bei allgemeinen Services oder der Beratung.
Die Kunden präferieren zu 82 Prozent Telefon, E-Mail und Berater zur Kontaktaufnahme, wobei sie vor allem Schnelligkeit und Einfachheit dieser Kanäle schätzen, so Horváth.18 Prozent laufen über einen digitalen Kanal. Einzig im Schadenfall seien Apps inzwischen beim Kunden präsent. Kundenportale und Remote-Beratung per Videotelefonie hätten bisher die Erwartungen nicht erfüllen können. Insgesamt sei der Omnichannel-Vertrieb noch nicht in der Praxis angekommen, so die Einschätzung.

Negatives Kundenurteil über Erfahrungen mit Beschwerden
In Sachen Kundenbeschwerden fällt das Studienergebnis für die Versicherer sehr negativ aus. 24 Prozent der befragten Kunden haben sich im vergangenen Jahr aus diversen Gründen über ihren Versicherer geärgert, am häufigsten über die Höhe der Versicherungsprämie. Eine Beschwerde gab es allerdings von einem Großteil (75 Prozent) nicht, womit wertvolles Kundenfeedback verloren gehe. 49 Prozent dieser Gruppe geben an, dass eine Beschwerde nichts gebracht hätte. Für 45 Prozent ist der Aufwand zu groß. Hier waren Mehrfachnennungen möglich.
Von denen, die sich beschweren, sind zudem 51 nicht zufrieden mit dem Umgang mit ihrer Beschwerde. Dazu trägt bei, dass 25 Prozent der Beschwerden durch den Versicherer gar nicht beantwortet werden. Jeweils mindestens die Hälfte der Betroffenen erlebt den Beschwerdeprozess dabei als zu langsam, zu schwierig und zu intransparent. Die Prozesse führten damit zu Kundenverlusten. Insgesamt stellt Horváth fest, dass Versicherer Kundenfeedback nicht für die Weiterentwicklung von Produkten und Prozessen nutzen.

Nachhaltigkeitsbemühungen werden nicht wahrgenommen
Das Thema ESG bewerten die Kunden in der aktuellen Studie höher als noch im Jahr 2021. Damals sagten 61 Prozent, dass ihnen die ESG-Bemühungen ihres Versicherers persönlich wichtig bis sehr wichtig seien. Mittlerweile sind es 77 Prozent. Problem: Eine große Mehrheit von diesen Befragten, nämlich 90 Prozent, kennt aber die Bemühungen ihres Versicherers in diesem Bereich gar nicht. In der Folge geht hier Potenzial verloren, da Investitionen der Anbieter in ESG kundenseitig nicht gesehen werden, um sie als Vorteil am Markt ausspielen zu können. Hier braucht es laut der Autoren eine bessere Kommunikation.
Bedeutung von ESG-konformem Verhalten für die Kunden steigt
Dennoch gewinn das Thema Nachhaltigkeit beziehungsweise ESG in der Kundenansprache und -bindung als Hebel an Bedeutung. So sind 19 Prozent der Kunden grundsätzlich bereit, eine höhere Prämie zu akzeptieren, wenn der Versicherer ESG-konform arbeitet. 31 Prozent wären bereit, zu einem Versicherer zu wechseln, wenn dieser ESG-konform arbeitet. Immerhin für 36 Prozent der Befragten führt ESG-konformes Verhalten des Versicherers zur Bereitschaft einer langfristigen Bindung mit dem Versicherer.
Akzeptanz versicherungsfremder Dienstleistungen wächst
Bei der vierten Untersuchungsebene – Ökosystem – stellt die Studie fest, dass Kunden deutlich stärker als noch vor drei Jahren bereit sind, versicherungsfremde Dienstleistungen zu nutzen. Der Wert ist hier von 50 auf 65 Prozent gestiegen. Allerdings haben erst 24 Prozent dieser Kunden solch eine Dienstleistung auch schon genutzt.
Weitere Erkenntnisse: Das Kundeninteresse nach versicherungsfremden Dienstleistungen ist insbesondere im Bereich Wohnen sowie Pflege und Gesundheit stark ausgeprägt. Hier entfalten Zusatzangebote die größte Wirkung, zum Beispiel Handwerker-Services oder die Vermittlung von Ärzten und Pflegedienstleistungen. Zudem ist das Interesse an Angeboten und Rabatten im Falle eines Autokaufs in den vergangenen Jahren stark angestiegen.