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Vorsorge vom Vorgesetzten Worauf es bei bAV und bKV ankommt – und wer die besten Policen bietet

Ein Industriemechaniker arbeitet an einem Getriebekompressor bei Man Energy Solutions in Oberhausen: Um heiß begehrte Fachkräfte zu gewinnen undzu binden, bieten viele Firmen betriebliche Versicherungen an.
Ein Industriemechaniker arbeitet an einem Getriebekompressor bei Man Energy Solutions in Oberhausen: Um heiß begehrte Fachkräfte zu gewinnen und zu binden, bieten viele Firmen betriebliche Versicherungen an. | Foto: imago images/Rupert Oberhäuser

6.500 Euro sind viel Geld. Vor allem, wenn man es geschenkt bekommt. Das dachte sich wohl auch die Führungsriege der Deutschen Familienversicherung (DFV). Im Kampf um qualifizierte Bewerber setzte das Unternehmen Anfang 2020, als es 55 offene Stellen besetzen musste, auf ein neuartiges Anreizsystem. Jeder Bewerber, der zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde und dort erschien, bekam 500 Euro. Kam er oder sie eine Runde weiter und nahm am Assessment Center teil, gab es 1.000 Euro. Für eine Anstellung ließ der Versicherer weitere 5.000 Euro springen. Insgesamt bekamen also Bewerber, die den Job tatsächlich antraten, 6.500 Euro extra. Wer in der Probezeit kündigte oder gekündigt wurde, musste das Geld allerdings zurückzahlen.

„Ich habe es einfach satt, auf eine ausgeschriebene Stelle nur ein oder zwei Bewerbungen zu bekommen und dann Kompromisse eingehen zu müssen“, erklärt DFV-Chef Stefan Knoll. Nach Einführung des neuen Anreizsystems habe er sich bei rund 20 Bewerbungen auf eine Stelle die besten Leute aussuchen können. Außerdem habe er sich so die Honorare für Personalberater gespart.

Betriebsrente vor Weiterbildung

Mit solchen Rekrutierungsproblemen stehen sowohl die DFV als auch die Versicherungswirtschaft insgesamt nicht allein da. 46 Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in Deutschland haben nach eigenen Angaben Schwierigkeiten, qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen und zu binden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage unter 1.000 Managern, die das Analysehaus Heute und Morgen im Auftrag der Gothaer Versicherung durchgeführt hat.

Um im Kampf um die – vor allem jüngeren – Talente zu punkten, bieten ihnen die befragten Firmen verschiedene Annehmlichkeiten. Auf Platz 1 rangieren dabei flexible Arbeitszeiten. 44 Prozent der befragten Unternehmen setzen auf Vereinbarungen, die beim Arbeitszeitrahmen von der sogenannten Normalarbeitszeit abweichen. Die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, haben 38 Prozent der KMU im Programm. Knapp dahinter reihen sich höhere Gehälter (37 Prozent) ein. 30 Prozent der KMU setzen mittlerweile auf die betriebliche Altersvorsorge  (bAV). Damit landet die Betriebsrente auf Platz 4, vor den Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, die 28 Prozent der Firmen im Angebot haben.

 

 

Falsche Umsetzung und Unwissen

Auf Obst, Snacks oder kostenlose Getränke setzen insgesamt 22 Prozent der Unternehmen. Jeweils 13 Prozent der Arbeitgeber bieten betriebliche Gesundheitsförderung wie Sport oder Entspannungskurse und die betriebliche Krankenversicherung (bKV) an. Dabei wissen die Mitarbeiter aber Obst mehr zu schätzen als die bKV. Das zeigt eine weitere Studie der Gothaer. Demnach wünschen sich 40 Prozent der befragten Beschäftigten ein Essens- oder Getränkeangebot von ihrem Arbeitgeber. 35 Prozent würden sich über Angebote zur Stressprävention und immerhin noch 24 Prozent über Sport- und Bewegungskurse freuen.

Die bKV bildet unterdessen das Schlusslicht: Nur 13 Prozent der Befragten, die noch keine bKV angeboten bekamen, würden sich diese wünschen. Felix Anrich, Chef und Gründer der auf bKV spezialisierten Unternehmensberatung Fairfamily, macht falsche Umsetzung und fehlendes Grundlagenwissen für die mangelnde Beliebtheit der bKV in den Belegschaften verantwortlich. Mitarbeiter würden den Versicherungsunterlagen der bKV oft kaum Beachtung schenken, sagt er. Auch hohe Beiträge und das Zahlen aus eigener Tasche während der Elternzeit oder eines Sabbatjahrs schrecken laut dem Unternehmensberater viele Arbeitnehmer im ersten Moment ab.

Die bKV versteht sich als Ergänzung zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und soll Leistungen abdecken, die die gesetzlichen Krankenkassen nicht oder nur zum Teil bezahlen. Um die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter lückenlos berücksichtigen zu können, fordert Anrich ein flexibel abrufbares Portfolio an Gesundheitsleistungen wie Massagen, Krankengymnastik, Heilpraktiker-Leistungen, Brillen und weiteren Angeboten. 

Budgettarife auf dem Vormarsch

Das leisten sogenannte Budgettarife, deren Zahl in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat. „Bezogen auf die Monatsbeiträge konnten wir unser Neugeschäft im ersten Halbjahr 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum fast verdoppeln”, erklärt Jan Esser, Produktvorstand der Allianz Private Krankenversicherung (APKV). Dabei machten die Budgettarife laut Esser rund die Hälfte der neuen Verträge aus. „Der Vorteil von Budgettarifen liegt in ihrer Einfachheit“, sagt Frauke Fiegl, Vorstandschefin der Ergo Krankenversicherung und Vorstandsmitglied der Ergo-Tochter DKV Deutsche Krankenversicherung. Zeitgemäße Budgettarife haben ein fixes Budget, welches jede Person nach ihren Bedürfnissen in verschiedenen Leistungsarten wie Sehhilfen, alternative Medizin oder Zahnreinigung einsetzen kann. „Vorsorgeleistungen und Leistungen im Zahnbereich sind dabei besonders beliebt“, so die bKV-Spezialistin. „Darüber hinaus reduzieren Firmenchefs mit bKV nicht nur die Ausfallzeiten ihrer Mitarbeiter, sondern positionieren sich auch als sozialer Arbeitgeber", ergänzt Kristina Pankonin, Leiterin Produktmanagement bei der Münchener Verein Versicherungsgruppe. Das wirke sich positiv auf ihre Nachhaltigkeit aus.

Auch die Auswertungen vom PKV-Verband bestätigen den Trend zur betrieblichen Vorsorge. Demnach haben Ende 2022 rund 22.300 Unternehmen ihren Mitarbeitern eine betriebliche Kranken- oder Pflegeversicherung angeboten. Damit hat sich die Zahl der Betriebe seit 2015 mehr als vervierfacht (siehe Grafik oben). Mit der Zahl der Unternehmen steigt auch die Zahl der Beschäftigten, die von einer solchen Absicherung profitieren, kontinuierlich. Ende 2022 hatten knapp 1,8 Millionen Personen eine betriebliche Kranken- oder Pflegeversicherung. Gegenüber 2018 ist das ein Plus von rund einer Million bKV-Kunden.

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Allianz und Barmenia Top

Auch die Zahl der Tarifangebote wächst. Welche Anbieter dabei besonders hohe bKV-Kompetenz mitbringen, zeigt ein Rating des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP). Die Analysten bewerteten die sogenannte bKV-Kompetenz der Versicherer anhand von mehr als 70 Kriterien, die vor allem die Unternehmenskultur betreffen und in vier Teilbereiche gegliedert sind: Beratung, Vertragsgestaltung, Service & Verwaltung und das Produktportfolio. Von den 14 untersuchten Gesellschaften schneiden sieben im IVFP-Rating in Sachen bKV-Kompetenz mit der Bestnote „exzellent“ ab. Dazu zählen Hallesche, Allianz, die Ergo-Tochter DKV, Axa, Gothaer, Bayerische Beamtenkrankenkasse und R+V. Fünf weitere Anbieter erhalten die zweitbeste Note „sehr gut“.

Hallesche und Allianz sind außerdem bei den Maklern besonders beliebt. Das zeigt eine Befragung der Makler-Genossenschaft Vema unter ihren Mitgliedern. Dabei sollten die befragten Makler die Anbieter nennen, mit denen sie bei der betrieblichen Vorsorge am liebsten zusammenarbeiten. In der bKV landet Hallesche mit 25,2 Prozent der Nennungen auf Rang 1, mit Abstand gefolgt von Allianz (18,2 Prozent) und Barmenia (16,3 Prozent). Bei der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) setzen die Makler in erster Linie auf Allianz (25,7 Prozent). Es folgen Alte Leipziger und Canada Life mit 14,5 beziehungsweise 8,5 Prozent der Stimmen.

Die arbeitgeberfinanzierte bAV erlebe derzeit eine Renaissance, erklärt Ulrike Taube, die im Vorstand der Ergo Vorsorge Lebensversicherung die betriebliche Altersversorgung verantwortet. Das bestätigt auch eine Untersuchung des Beratungsunternehmens WTW. Für Makler und Mehrfachagenten ist bAV demnach das zweitwichtigste Produkt im Neugeschäft mit Lebensversicherung. Lediglich mit privater Altersvorsorge (pAV) erwirtschaften sie noch mehr Umsatz. Nach eingelöstem laufendem Beitrag für ein Jahr betrug im Jahr 2021 der Anteil der bAV bei den Maklern und Mehrfachagenten 36 Prozent. Damit liegt er nur knapp unter dem Anteil der pAV (42 Prozent). Bei Einfirmenvermittlern ist der bAV-Anteil mit etwas über einem Viertel (27 Prozent) geringer und die Bedeutung der pAV mit 57 Prozent deutlich höher (siehe Grafik rechts ).

Sozialpartnermodell gestartet

Doch was muss eine bAV mitbringen, um die Mitarbeiter tatsächlich ans Unternehmen zu binden? „Sie muss für Arbeitnehmer und -geber, aber auch für Vermittler, einfach und verständlich sein, eine gute Absicherung im Alter bieten und gemäß ESG-Kriterien nachhaltig ausgerichtet sein“, sagt Taube. Dabei können Arbeitgeber zwischen fünf Durchführungswegen wählen: Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds, Unterstützungskasse oder direkte Pensionszusage, für die das Unternehmen Pensionsrückstellungen in der Bilanz bildet.

Mit steigender Inflation geraten Unternehmen, die sich für die letztere Option entscheiden und ihren Mitarbeitern Betriebsrenten per Direktzusage gewähren, gleich von zwei Seiten unter Druck. Das zeigen Analysen des Beratungsunternehmens Aon. Denn einerseits müssen diese Firmen ihre langfristigen Trendannahmen zur Gehalts- und Rentenentwicklung inflationsbedingt erhöhen. Andererseits jedoch ist der für die Berechnung der Rückstellungen maßgebliche HGB-Rechnungszins immer noch niedrig. Anhand des Rechnungszinses wird ermittelt, welche Rendite Geldanlagen bringen, die für Betriebsrenten zur Seite gelegt werden. Je niedriger er ist, umso höher werden deshalb die notwendigen Rückstellungen.

Nahles-Rente 2022 gestartet

Beim jüngsten Durchführungsweg der betrieblichen Altersvorsorge, dem Sozialpartnermodell (SPM), entfällt dieses Problem. Denn das auch als Nahles-Rente bekannte Konzept sieht lediglich eine sogenannte Zielrente für Arbeitnehmer vor, deren Höhe nicht garantiert ist. Der Vorteil für Arbeitgeber ist, dass er nicht für die Höhe der späteren Betriebsrente haftet. Der Arbeitnehmer bekommt im Gegenzug die Chance auf eine höhere Rendite, da die Anlage der Beiträge flexibler gestaltet werden kann.

Die gesetzliche Grundlage hierfür hatte die Bundesregierung bereits im Jahr 2017 geschaffen. Im September 2022 machten die Chemiebranche und der Versicherer R+V den Anfang. Der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) nahmen SPM bei der R+V in ihren Flächentarifvertrag auf. Anfang November 2022 erteilte die Finanzaufsicht Bafin ihre Erlaubnis. Wenige Wochen zuvor nahm das bAV-Konzept des Metzler Pensionsfonds beim Gasgroßhändler Uniper die Bafin-Hürde.

Immer mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sorgen mithilfe ihres Arbeitgebers fürs Alter vor. Laut einer Studie von Kantar Public im Auftrag des Arbeitsministeriums stieg die Zahl der Arbeitnehmer mit bAV-Anwartschaften in den 20 Jahren zwischen 2001 und 2021 von 13,6 Millionen auf 18,4 Millionen. Damit zahlen 53,5 Prozent aller Beschäftigten in die bAV ein. Mit der Nachfrage steigt auch das Angebot. Analog zu seiner bKV-Kompetenzstudie kürte das IVFP die Versicherer mit besonders hoher bAV-Kompetenz. Von den 25 untersuchten Versicherern befanden die IVFP-Forscher 17 für „exzellent“. Dazu zählen Allianz, Alte Leipziger, Axa, Bayern-Versicherung, Canada Life, Dialog, die Bayerische, Ergo Vorsorge, Generali, HDI, LV1871, Signal Iduna, Stuttgarter, Swiss Life, Württembergische, WWK und Zurich.

 

 

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