Xempus-Vertriebschef Ralf Marschke „96 Prozent der Firmen haben noch keine bKV“
DAS INVESTMENT: Merkt man den Fachkräftemangel bei der betrieblichen Vorsorge?
Ralf Marschke: Ja. Vorsorge gewinnt mehr und mehr an Relevanz. Das Bewusstsein für das Thema Gesundheit wurde deutlich geschärft. Das nutzen immer mehr Arbeitgeber für sich, denn betriebliche Vorsorge hilft, Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden. Bei der betrieblichen Krankenversicherung (bKV) gab es in den vergangenen Jahren hohe Zuwachsraten. Nach Angaben des PKV-Verbands wuchs der Anteil der Unternehmen mit bKV im Jahr 2022 um 22 Prozent. Allerdings ist das Niveau insgesamt noch niedrig, de facto haben 96 Prozent der Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitenden in Deutschland noch keine bKV.
Und wie sieht es bei der betrieblichen Altersvorsorge aus?
Marschke: Arbeitnehmer haben längst verstanden, dass sie mehr für ihre Altersvorsorge tun müssen. Die bAV ist attraktiv, weil der Arbeitgeber Zuschüsse leistet, sogar gesetzlich dazu verpflichtet ist. Bis dato hat allerdings auch nur jeder zweite sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Deutschland eine bAV-Anwartschaft. Für Vermittler bedeutet das eine große Chance, sich in diesem Umfeld zu positionieren.
Gab es Einbrüche aufgrund der Corona-Pandemie?
Marschke: Eher im Gegenteil. Die Pandemie hat die betriebliche Vorsorge stark in den Fokus gerückt und dazu geführt, dass die Menschen sich viel mehr Gedanken darüber machen, wie sie ihre Gesundheit erhalten und unterstützen können. Was sich in dieser Zeit allerdings auch gezeigt hat, war, wie wichtig digitale Kommunikationsmöglichkeiten für Vermittler sind, um die Beratungen weiter aufrecht zu erhalten. Das hat die Kundenerwartungen an digitale Prozesse nachhaltig verändert. Die persönliche Beratung bleibt in diesem Umfeld auf jeden Fall weiter wichtig, aber digital unterstützt wird es zum Wettbewerbsvorteil. Und das nicht nur um die Kundenzufriedenheit zu gewährleisten und die Erwartungen an digitale Prozesse zu erfüllen, sondern auch um die Vorteile einer digitalen Arbeitsweise für sich selbst zu nutzen.
Welche sind das?
Marschke: Mit Digitalisierung können Vermittler viel Zeit und Aufwand sparen – und das transparent und rechtskonform. Nehmen wir als Beispiel die Beratung großer Belegschaften. Steht der Vermittler vor der Herausforderung, viele Mitarbeitende gleichzeitig zu einem bAV-Angebot zu beraten, bedeutete das analog viel Vorbereitungszeit. Digital geht das mit wenigen Klicks. Das schlägt sich nicht zuletzt im Aufwands-Provisions-Verhältnis der Vermittler nieder.
Inwiefern?
Marschke: Wenn man unsere Daten zu Beratungen mit dem manuellen Weg vergleicht, zeigt sich, dass ein Vermittler sein Geschäft digital um den Faktor drei skalieren kann. Außerdem verringert sich die Stornoquote, da die Mitarbeitenden durch die transparente Beratung das Angebot besser verstehen und somit eine bewusstere Entscheidung treffen.
Hallo, Herr Kaiser!
Laut einer Gothaer-Studie ziehen viele Beschäftigte einen vom Arbeitgeber kostenlos angebotenen Obstkorb sowie Angebote zur Stressprävention und Sport der bKV vor. Und auch Mitarbeiter vieler Firmen, die eine bAV anbieten, nehmen dieses Angebot nicht wahr. Was läuft da falsch?
Marschke: Die bAV ist komplex und die Vorteile einer bKV sind vielen Arbeitgebern noch gar nicht richtig bewusst. Für den Vermittler bedeutet das, viel Aufklärungsarbeit leisten zu müssen. Auch hier kann er mit digitalen Lösungen die komplexen Zusammenhänge einfach darstellen und verständlich machen. Es gibt zum Beispiel Software, mit der Arbeitnehmende ihre Rentenlücke nachvollziehbar berechnen können. Oder Tools, die den Arbeitgebern klar aufzeigen, welche Vorteile ihnen ein bkV-Angebot konkret bietet. Das schafft Transparenz und trägt am Ende wesentlich zur Verbreitung bei.
Wie wirkt sich die steigende Inflation mittel- bis langfristig auf das bAV-Geschäft aus?
Marschke: Die betriebliche Vorsorge mit steuerlichen Vorteilen und der Arbeitgeberförderung wird immer wichtiger und das Bewusstsein für die bAV bei Mitarbeitenden wird weiter steigen. Denn die gesetzliche Rente wird nicht ausreichen. Zudem wird es durch die hohe Inflation und die damit verbundenen höheren Lebenshaltungskosten für viele Menschen schwieriger, die private Vorsorge weiter aufrecht zu erhalten. Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern die Vorteile der bAV klar machen, werden profitieren.
Welche Durchführungswege in der bAV sind besonders gefragt?
Marschke: In der bAV wird die Direktversicherung sehr stark nachgefragt. Das liegt zum einen daran, dass die Umsetzung für die Beteiligten relativ unkompliziert ist – Teile des Bruttogehalts fließen direkt in eine Lebensversicherung, die dadurch regelmäßig bespart wird. Zum anderen gab die Verpflichtung für Arbeitgeber, seit 2022 bei jeder Entgeltumwandlung einen Zuschuss von 15 Prozent zu leisten, einen zusätzlichen Push.
Und worauf setzen Vermittler und deren Kunden bei der bKV?
Marschke: Hier sind die vor einiger Zeit eingeführten Budgettarife ein echter Game-Changer. Denn auch hier ist die Abwicklung sehr unkompliziert: Der Arbeitgeber definiert ein bestimmtes Budget pro Mitarbeiter, dieser kann aus bestimmten bKV-Leistungen auswählen und hat sofort einen Nutzen. Da bedarf es nicht mehr vieler zusätzlicher Argumente.
Über den Interviewten:
Ralf Marschke verantwortet bei Xempus den gesamten Vertrieb und die Bestandskundenbetreuung. Xempus ist ein Software-Entwickler, der sich auf betriebliche Vorsorge spezialisiert hat.