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Aktualisiert am 07.07.2023 - 10:42 Uhrin Karl PilnyLesedauer: 9 Minuten

Pilnys Asia Insights Im Osten nichts Neues: Xi Jinping stärkt seine Macht beim Nationalen Volkskongress

Die Schlusssitzung der ersten Tagung des 14. Nationalen Volkskongresses findet am 13. März 2023 in der Großen Halle des Volkes in Peking, der Hauptstadt Chinas, statt.
Die Schlusssitzung der ersten Tagung des 14. Nationalen Volkskongresses in der Großen Halle des Volkes in Peking, China. | Foto: IMAGO / Xinhua

Soeben ging in Peking der Nationale Volkskongress mit 2.952 Delegierten aus dem ganzen Land zu Ende. Die achttägige Sitzung fand wie jedes Jahr in der Großen Halle des Volkes statt. Die internen Querelen vor dem Parteitag im Oktober letzten Jahres hatten das Land in Atem gehalten und Fragen aufgeworfen.

Mit dem Ende des Volkskongresses hat Xi nun seine neue Mannschaft durchgesetzt und in Position gebracht. Nach zehn Jahren tritt Li Keqiang als Ministerpräsident ab, sein Nachfolger wird der frühere Parteichef von Shanghai Li Qiang, der als Günstling Xis gilt.

Beide kennen sich aus der Zeit, als Xi Parteichef der Provinz Zhejiang war (2004-2007). Nachdem Xi 2012 in Peking an die Macht kam, begann Lis rasanter Aufstieg.

Wie erwartet haben alle 2.952 Delegierten des Nationalen Volkskongress den Staatschef „einstimmig“ im Amt bestätigt. Weniger wichtig als die Bestätigung von Xi als Parteichef auf dem XX. Parteitag, denn dieses Amt ist weiterhin das einflussreichste.

Gleichwohl wächst mit dem wachsenden globalen Einfluss Chinas auch die Bedeutung des Amtes des Staatschefs. 2018 hatte Xi Jinping die Amtszeitbeschränkung für den Posten des Staatschefs aus der Verfassung streichen lassen, und beim Parteitag im Oktober 2022 nun dafür gesorgt, dass die gesamte Parteispitze mit seinen Gefolgsleuten besetzt wurde.

Diese sind nun ausnahmslos in den Staatsrat aufgerückt, der die Beschlüsse der Parteiführung in konkrete Maßnahmen umsetzt. Was ist nun zu erwarten?

Die einen verstehen Li Qiang als Ja-Sager und befürchten, dass Xi Jinping den Bezug zur Realität verliert. Der bisherige Ministerpräsident Li Keqiang hatte sich zwar öffentlich loyal gezeigt, setzte aber häufig kritische Akzente, wie eben bei der Null-Covid-Politik.  Die anderen hoffen, dass Li Qiang mehr Spielraum für Reformen hat, weil Xi ihn nicht als Rivalen betrachtet.

Xi Jinping plant Ausbau des chinesischen Militärs und Umstrukturierung von Partei- und Staatsorganen

In seiner Abschlussrede hat Xi Jinping skizziert, wohin er China künftig steuern will. Um im Wettbewerb mit den USA zu bestehen, muss sich China noch mehr von westlicher Hochtechnologie unabhängig machen, weswegen die Kontrolle über Wissenschaft und Technik künftig der Partei unterstellt wird.

Er hat eine tiefgreifende Umstrukturierung von Partei- und Staatsorganen angekündigt, wodurch der Einfluss der Partei weiter gestärkt und die Entscheidungsstrukturen mehr zentralisiert werden sollen.

Der Volkskongress soll in diesem Jahr das Signal „Aufbruch“ aussenden, gerade weil sich China diversen strukturellen Herausforderungen gegenübersieht, die den Optimismus der Bevölkerung dämpfen wie eine alternde und schrumpfende Bevölkerung, eine Immobilienkrise und eine Schuldenkrise.

Den USA warf Xi eine „allumfassende Eindämmung, Einkreisung und Unterdrückung“ Chinas vor. Mit „Eindämmung“ sind die Exportbeschränkungen, die China den Zugang zu modernsten Halbleitern und Technologien der Künstlichen Intelligenz erschweren, gemeint.

„Einkreisung“ bezieht sich auf Militärbündnisse und Kooperationen mit Australien, Großbritannien, Japan, den Philippinen und Taiwan. So zum Beispiel Aukus, dass gerade den Bau von atomgetriebenen U-Booten von den USA, Großbritannien und Australien angekündigt hat.

Xi Jinping winkt den Abgeordneten des 14. Nationalen Volkskongresses in der Großen Halle des Volkes in Peking, China zu.
Xi Jinping winkt den Abgeordneten des 14. Nationalen Volkskongresses in der Großen Halle des Volkes in Peking, China. © IMAGO / Xinhua

Xi wurde vom Volkskongress als Vorsitzender der Militärkommission und damit Oberbefehlshaber der Streitkräfte bestätigt. Er plant im Laufe seiner dritten Amtszeit das chinesische Militär und seine Kapazitäten so weit auszubauen, dass es in der Lage wäre, Taiwan zu erobern. Das Militärbudget soll in diesem Jahr um 7,2% wachsen, stärker als in den vergangenen Jahren.

In den Augen Xis ist Chinas „großer Wiederaufstieg“ ein „unumkehrbarer historischer Prozess“ und nach einem Jahrhundert des Kampfes sei „die Demütigung der Nation“ durch die Kommunistische Partei endlich beendet worden.

Die Modernisierung der Streitkräfte müsse fortgeführt werden, die „Volksbefreiungsarmee in eine große Mauer aus Stahl“ verwandelt werden.

Immerhin hat Xi die USA in seiner Rede nicht wieder direkt angegriffen und auch in Richtung Taiwan kamen keine neuen Drohungen. Xi betonte das „Ein-China-Prinzip“ und wandte sich „entschlossen gegen Einmischung von außen und taiwanische separatistische Aktivitäten“.

Da Anfang 2024 in Taiwan gewählt wird, versucht er möglicherweise mit milderen Tönen die Wahlchancen der KMT-Partei zu erhöhen, die sich derzeit in der Opposition befindet.

Jedenfalls hilft das Feindbild USA von der durchwachsenen Wirtschaftslage abzulenken und den Nationalismus als Legitimationsquelle der Partei zu nutzen.

Xi verkündete auch die Bereiche „Entwicklung und Sicherheit“ künftig besser zu verzahnen. Dabei müsse aber die „zentrale Führung der Partei“ gewahrt bleiben. Damit verdeutlichte er abermals, dass er die politische Kontrolle der Kommunistischen Partei über die Wirtschaft, den Staat und alle anderen Bereiche weiter ausbauen will.

Viele verstehen das als endgültige Abkehr von der Reform- und Öffnungspolitik früherer Jahrzehnte. Auf die chinesische Wirtschaftskrise ging Xi nicht explizit ein.

Dafür stellte sich Li Qiang erstmals in seiner neuen Position als Ministerpräsident vor, der üblicherweise auch für die Wirtschaft zuständig.

Chinas Ministerpräsident Li Qiang: Stabile Wirtschaft, Preise und Arbeitsmarkt im Fokus

Kurz nach der Rede Xi Jinpings sagte Li, das ausgegebene Wachstumsziel von fünf Prozent für dieses Jahr sei „keine einfache Aufgabe“, dazu müsse man die Anstrengungen verdoppeln. Li erklärte seine Unterstützung der privaten Wirtschaft und betonte außenpolitisch, wie sehr die Volkswirtschaften Chinas und Amerikas miteinander verzahnt seien.

Li Qiang versprach eine „Serie kombinierter Maßnahmen, um die Nachfrage auszuweiten“, jedoch ohne ins Detail zu gehen. Es ist momentan offen wie viele Befugnisse Xi dem neuen Ministerpräsidenten zugesteht, zumal die Kommunistische Partei erwartungsgemäß weitere Befugnisse zum Beispiel in der Finanzaufsicht an sich gezogen hat.

Er wolle sich auf stabiles Wachstum, stabile Preise und einen stabilen Arbeitsmarkt konzentrieren, so Li, der über wenig praktische Erfahrung verfügt. Wohl darum erwähnte er seine Zeit als Parteichef von Shanghai, „wo mehr als siebzigtausend auslandsfinanzierte Unternehmen sind“.

Dort habe er „viele Gelegenheiten gehabt“, Unternehmensführer ausländischer Firmen zu treffen – einschließlich amerikanischer Unternehmen.

Erste Pressekonferenz des neuen chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang in Peking nach dem 14. Nationalen Volkskongress.
Erste Pressekonferenz des neuen chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang in Peking. © IMAGO / Xinhua

Als Ministerpräsident Li Keqiang an der Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses 2022 das Ziel ausgab, die Wirtschaft des Landes solle um «rund 5,5 Prozent» wachsen, hielten das viele Experten für überoptimistisch und haben recht behalten, denn das Bruttoinlandprodukt wuchs vergangenes Jahr nur um 3 Prozent.

Dieses Jahr agiert die Regierung vorsichtiger und so kündigte Li in seinem Arbeitsbericht vor dem Nationalen Volkskongress an, dass die Wirtschaft 2023 um «rund fünf Prozent» wachsen solle. Diesmal ist das Wachstumsziel konservativ formuliert, denn nach dem abrupten Ausstieg aus der Zero-Covid-Politik und nach der abrupten Kehrtwende von „Null-Covid“ zu „Full-Covid“ zieht der private Konsum deutlich an.

In großen Städten wie Peking und Schanghai sind Läden, Restaurants und Kaufhäuser wieder voll und auch die Reiselust ist zurück. Nach zwei Jahren mit ständigen Quarantänen und Massentests wollen die Chinesen wieder auf Reisen gehen.

Die jüngst veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes sorgen ebenfalls für Optimismus. Der Caixin-Index für den Dienstleistungssektor stieg im Februar auf 55, im Monat zuvor hatte er bei 52,9 gelegen. Ein Wert über 50 signalisiert Wachstum.

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Lokale Schuldenlast bremst Chinas Investitionsmöglichkeiten aus

Trotz solcher positiven Signale ist das Wachstumsziel noch recht moderat, womit sich die Regierung wohl eine erneute Blamage ersparen will, zumal es auch Unwägbarkeiten gibt.

Zwar haben die Verkäufe von Wohnungen und Häusern wieder angezogen, doch die Schuldenlast vieler Immobilienentwickler ist noch nicht abgebaut, zumal viele Lokalregierungen hohe Schulden haben, was den Spielraum für neue Investitionen begrenzt.

Auch aus dem Ausland kommt Gegenwind. Die Konjunkturschwäche und die anhaltend hohe Inflation in Europa und den USA lassen die Nachfrage nach Waren aus China zurückgehen, was zu rückläufigen Ausfuhren führt.

Momentan mangelt es an Spielraum für Stimulanz Pakete, denn zwischen 2012 und 2022 stiegen Chinas Schulden um 37 Billionen Dollar. Am 30. Juni 2022 hatte der Schuldenstand 52 Billionen Dollar erreicht.

Nach Schätzungen liegen Chinas gesamte Schulden um 75 Prozent über denen aller anderen Schwellenländer zusammen.

China steht vor einer entscheidenden Herausforderung. Das Land braucht neue Wachstumsmotoren und muss gleichzeitig die sozialen und ökologischen Konsequenzen seines bisherigen Entwicklungspfads unter Corona-Krise bewältigen. Wie auch in Europa sind Strukturreformen wichtig.

Dennoch ist im Jahr des Hasen aufgrund einer niedrigen Inflation und den anhaltenden Nachholeffekten mit Chancen für Anleger zu rechnen, zumal die Wachstumstreiber und technologische Fortschritte weiter intakt sind.

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