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Aktualisiert am 03.01.2023 - 18:15 Uhrin AnalysenLesedauer: 6 Minuten

Heilsbringer Aktienrente? Zaudern der Politik gefährdet Wohlstand der jüngeren Generationen

Michael Heuser vom DIVA
Michael Heuser vom DIVA: Er fordert mehr Dampf bei der Rentenreform. | Foto: DIVA

Wissenschaft und Experten sind sich einig: Das Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung wird ohne einschneidende Anpassungen der wesentlichen Stellschrauben schon sehr bald nicht mehr funktionieren. Bereits heute klafft eine 100 Mrd. Euro-Lücke zwischen benötigten Rentenmitteln und Beitragseinnahmen. Der anstehende Renteneintritt der Babyboomer, eine steigende Lebenserwartung und die seit Jahrzehnten niedrige Geburtenrate öffnen diese Schere weiter; immer weniger Erwerbstätige müssen als Beitrags- und Steuerzahler für immer mehr Rentner als Leistungsempfänger aufkommen.

In der Bevölkerung gibt es für diese Entwicklung offensichtlich ein ausgeprägtes Bewusstsein, das durch die aktuellen geopolitischen Verwerfungen und Unsicherheiten noch verstärkt wird. Der Deutsche Altersvorsorge-Index (DIVAX-AV), das vom Deutschen Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) halbjährlich veröffentlichte Stimmungsbarometer zur Altersvorsorge in Deutschland, sinkt seit zwei Jahren kontinuierlich. Selbst im ersten Corona-Jahr noch mit positivem Wert, drehte er im Herbst 2021 in den negativen Bereich und hat sich dort mittlerweile hartnäckig festgesetzt. Besonders negativ wird dabei die gesetzliche Rente bewertet – im Herbst 2022 haben 61 Prozent der Befragten die Sorge, dass sich deren Versorgungsniveau weiter verschlechtern wird.

 

 

Politik setzt weiter auf überholte Rentenarithmetik

Schon die Vorgänger der Ampelkoalition haben es versäumt, Antworten auf die Frage der absehbaren Finanzierungslücken in den sozialen Sicherungssystemen, allen voran in der gesetzlichen Rentenversicherung, zu finden. Die aktuelle Regierung setzt diesen fatalen Kurs fort. Dies wiegt umso schwerer, als die demografiebedingten Grenzen des Umlageverfahrens von der Wissenschaft seit Jahrzehnten prognostiziert und an die Politik adressiert werden.

Geschehen ist das Gegenteil dessen, was notwendig wäre: Mit der abschlagsfreien Rente mit 63, der Mütterrente und dem Aussetzen des Demografiefaktors wurde der demografische Druck auf die zukünftige Ausgabenlast für gesetzliche Renten weiter erhöht. Die Ampelkoalition hält an der überholten Formel fest, indem sie Beitragssatz, Renteneintrittsalter und Rentenniveau für die laufende Legislaturperiode festschreibt und damit die maßgeblichen Stellschrauben aus der Hand gibt. Den Ausgleich zwischen schrumpfenden Einnahmen und wachsenden Rentenzahlungen müssen deshalb schnell anwachsende Steuerzuschüsse richten. Experten warnen, dass ein Weiter-wie-bisher dazu führen wird, dass in Zukunft bis zur Hälfte des Bundeshaushalts für die gesetzliche Rente beansprucht wird. Das führt geradewegs in einen Haushalt ohne Freiraum für jegliche dringend notwendige Zukunftsinvestitionen.

 

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Lange setzten politische Entscheidungsträger ihre Hoffnungen und ihre Rentenberechnungen darauf, dass eine dauerhaft brummende Konjunktur, technologischer Fortschritt, die Zuwanderung junger Erwerbstätiger und die Erschließung von Erwerbstätigkeitspotentialen vor allem bei Frauen die Beiträge sprudeln lassen und Steuerzuschüsse alimentieren würden. Wie brüchig solche Hoffnungen sind, zeigen die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen.

Heilsbringer Aktienrente?

Originell und ein Lichtblick ist die Idee der Regierungspartei FDP, das Umlageverfahren durch reichlich sprudelnde Kapitalmarktrenditen zu stützen, die aus der Anlage eines Kapitalstocks an den Aktienmärkten resultieren. Nach aktuellen Informationen sollen dazu für den Start im Jahr 2023 für 10 Milliarden Euro Bundesanleihen begeben und über den Haushalt als Startkapital zur Verfügung gestellt werden. Der Bund erwirbt im Gegenzug eine Forderung gegenüber dem Kapitalstock. So lässt sich die Anrechnung der Mittel auf die Schuldenbremse umgehen. Zusätzlich wird die Möglichkeit geschaffen, Bundesvermögen wie Unternehmensbeteiligungen einzubringen.

 

 

Doch die Tücke steckt im Detail. Die Idee kommt nicht nur viel zu spät. Für nennenswerte Entlastungseffekte sind auch ein Kapitalstock von mehreren 100 Milliarden Euro und signifikante Kapitalmarktrenditen erforderlich. Letztere müssten deutlich über den Zinsen für Bundesanleihen liegen, denn nur die Differenz steht für eine Finanzierung der Renten zur Verfügung. Erhebliche Zweifel sind angebracht, denn die Refinanzierungskosten des Bundes dürften wieder deutlich zunehmen. Die Zinssätze steigen nämlich inflationsbedingt zügig an. Und die derzeit dynamisch anwachsenden Staatsschulden werden die Bonität des Bundes verschlechtern und damit die Refinanzierung zusätzlich verteuern. Problematisch aus unserer Sicht auch: Wenn der Bund Forderungen gegen den Kapitalstock hat, kann er sie bei Finanzierungsengpässen in anderen Bereichen geltend machen und dem Kapitalstock so seine Mittel wieder entziehen.

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