INVESTMENT BUSINESS – EIN M&G PODCAST Zentralbanken im Fokus: Die Rolle der EZB in turbulenten Zeiten

Bei diesem Artikel handelt es sich um ein Transkript der ersten Episode der zweiten Staffel des M&G-Podcasts „Investment Business“.
Dieser Podcast ist nur für professionelle Anleger in Deutschland und Österreich und qualifizierte Anleger in der Schweiz bestimmt.
Die Key-Takeaways:
- Die Rolle der EZB in der Bewältigung vergangener Krisensituationen
- Die aktuelle geldpolitische Kehrtwende der EZB hin zur Inflationsbekämpfung
- Historischer Kontext und Evolution der Zentralbanken in Europa
- Praktische Auswirkungen der EZB-Politik auf Investoren und Märkte
Sprecher: Dr. Wolfgang Bauer, Fondsmanager und Fixed Income-Experte bei M&G Investments
Host: Christoph Seeger, Wirtschaftsjournalist, Content Director bei mjnt., gehört zur Edelstoff Media Gruppe (DAS INVESTMENT / private banking magazin)
Christoph Seeger: Hallo und herzlich willkommen zur ersten Folge der neuen Staffel des M&G Podcasts Investment Business. Mein Name ist Christoph Seeger, ich bin Wirtschaftsjournalist mit langjähriger Erfahrung und darf diese Staffel moderieren. Wieder werden wir uns in sechs Episoden mit den Kapitalmärkten beschäftigen. In den ersten drei Folgen unterhalte ich mich mit Dr. Wolfgang Bauer, Fixed Income Experte bei M&G Investments. In den zweiten drei Folgen treffe ich dann den Kapitalmarktstrategen von M&G Investments Ivan Domjanic, der den Hörerinnen und Hörern der ersten Staffel wohlbekannt sein dürfte. Nun aber zu dir, Wolfgang. Herzlich willkommen und bitte stell dich doch einmal kurz vor und erkläre, was du genau bei M&G Investments machst.
Dr. Wolfgang Bauer: Vielen Dank für die einführenden Worte, Christoph. Auch von meiner Seite natürlich herzlich willkommen zu unserer Podcast-Folge. Mein Name ist Dr. Wolfgang Bauer. Ich bin seit knapp zehn Jahren als Fondmanager bei M&G hier in London tätig. Ich arbeite im institutionellen Bond-Portfolio-Management-Team und beschäftige mich hauptsächlich mit Total-Return-Strategien und auch mit Euro Corporate Bonds. Und im Asset Management bin ich, was man in Deutschland als klassischen Quereinsteiger bezeichnen würde, denn vor meiner Karriere hier im Fondsmanagement habe ich als Chemiker in Cambridge in der Forschung gearbeitet und daher stammt auch mein Doktortitel. Also falls du mal in einer späteren Podcast-Folge, Christoph, über Mikroemulsionssysteme oder die Oberflächeneigenschaften von Polydimethylsiloxan sprechen möchtest, dann gib mir einfach Bescheid, jederzeit gerne.
Christoph Seeger: Ja, sehr gerne, Wolfgang. Vielen Dank, da komme ich bei Bedarf gerne drauf zurück. Freut mich, einen echten Wissenschaftler an Bord zu haben und nicht nur so einen BWLer, wie ich es bin. Also vielen Dank. Bevor wir uns in den kommenden beiden Folgen jetzt intensiver mit speziellen Kategorien von Anleihen, also weniger mit der Chemie natürlich beschäftigen, wollen wir uns heute den Institutionen widmen, Wolfgang, deren Entscheidungen maßgeblichen Einfluss auf den Kurs der Bonds haben – den Zentralbanken und Notenbanken. Lass uns einmal mit den Basics beginnen heute. Was sind Notenbanken, wie sind sie entstanden und was ist ihre Aufgabe?
Dr. Wolfgang Bauer: Ganz allgemein versteht man unter Notenbanken oder Zentralbanken, diese Begriffe werden oft synonym zueinander verwendet, Institutionen, die in einem bestimmten Gebiet die Geld- und Währungspolitik gestalten. Ich will und kann gar nicht so tief in die Geschichte der Notenbanken einsteigen, das würde den Rahmen des Podcasts sprengen. Aber ich finde es durchaus interessant hervorzuheben, wie lange es diese Institutionen eigentlich schon wirklich gibt. Und zwar, wenn man sich beispielsweise die Schwedische Reichsbank anschaut, die wurde bereits 1668 gegründet. Und sie gilt auch als die älteste heute noch existierende Zentralbank. Nicht viel später, nämlich im Jahr 1694, wurde die Bank of England gegründet, die ich, wenn ich hier aus meinem Fenster in London blicke, in ungefähr 250 Meter Entfernung Luftlinie vom Büro zumindest erahnen kann.
Es dauerte allerdings einige Jahrhunderte, bis sich der Aufgabenbereich dieser Proto-Zentralbanken dem heutigen Aufgabenspektrum angenähert hatte. Und deutlich später wurden die beiden absoluten Schwergewichte in der Notenbank-Szene gegründet, nämlich das Federal Reserve System, kurz die Fed 1913 und die Europäische Zentralbank, die EZB 1998. Und in Bezug auf die Aufgaben und Ziele der Zentralbanken ist zu sagen, dass die einzelnen Notenbanken zwar viele Gemeinsamkeiten aufweisen, aber durchaus auch subtile Unterschiede. Es würde den Rahmen dieser Podcast-Folge sprengen, über alle Funktionen bis ins letzte Detail zu sprechen. Die Bandbreite ist nämlich enorm und umfasst aber beispielsweise die Ausgabe von Banknoten, das Halten von Währungsreserven und auch oftmals die Finanzmarktaufsicht. Aber für uns als Anleiheinvestoren ist es natürlich besonders wichtig, dass die Zentralbanken ihre geldpolitischen Ziele der Preisstabilität verfolgen.
Christoph Seeger: Das ist auch das, wofür Sie bekannt sind, wofür wir Sie immer in den Nachrichten sehen und womit wir mitten im Kern des Themas wären, oder Wolfgang?
Dr. Wolfgang Bauer: Ja, absolut. Preisstabilität, also die Inflations-, aber auch Deflationsbekämpfung ist natürlich eines der absolut übergeordneten Ziele von Zentralbanken im Allgemeinen. Für die EZB ist es sogar das Ziel schlechthin. Zwar spielt auch die Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik der EU eine Rolle, aber es ist doch ein untergeordnetes Ziel. Interessanterweise ist es bei der Fed in den Vereinigten Staaten etwas anders, weil neben der Preisstabilität werden in den USA als quasi gleich wichtige Ziele, nämlich auch ein hoher Beschäftigungsgrad in der amerikanischen Volkswirtschaft und moderate langfristige Zinsen definiert. Also wenn man so will, hat die Fed gewissermaßen das Wohl und Wehe der amerikanischen Volkswirtschaft auf eine sehr holistische Art im Blick, wohingegen sich die EZB in erster Linie als Hüterin der Preisstabilität versteht. Und momentan muss man natürlich sagen, diesbezüglich allerdings eher mit überschaubarem Erfolg, denn die EZB definiert Preisstabilität als einen Anstieg des Verbrauchpreisindexes für das Währungsgebiet von unter, aber nahe 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und da sind wir im Moment natürlich sehr weit entfernt, mit der Inflationsrate im Euro-Raum zwischen 5 und 6 Prozent zum Zeitpunkt der Aufzeichnung heute.