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Aktualisiert am 27.09.2023 - 12:36 Uhrin WohnimmobilienLesedauer: 6 Minuten

Immobilienexperte Tobias Just im Interview „Die Preise müssen auf ein gesünderes Niveau sinken“

Tobias Just, IREBS Immobilienakademie
Tobias Just leitet die IREBS Immobilienakademie. | Foto: Robert Dieth / IREBS Immobilienakademie

DAS INVESTMENT: Herr Just, die Konditionen am Immobilienmarkt ändern sich. Vor welchen Herausforderungen stehen Investoren?

Tobias Just: In Deutschland hat sich der Immobilienmarkt in den vergangenen zwölf Jahren für Investoren, Finanzierer, Projektentwickler und Asset Manager hervorragend entwickelt. Die Wirtschaft ist gewachsen, die Netto-Zuwanderung war hoch und die Nachfrage war so hoch, dass der Neubau nicht hinterherkam. Die Finanzierungskonditionen waren günstig und Investoren haben durch Wertsteigerungen ordentliche Renditen eingefahren. In diesem Jahr bricht diese Welt zusammen, denn es fallen zwei Punkte weg: Wirtschaftliches Wachstum und gute Finanzierungskonditionen. Da die Wirtschaft in eine Rezession rutscht, sinkt nicht nur die Flächennachfrage, sondern auch die Nachfrage nach Investment-Produkten. Folglich werden auch die Preise sinken. Und weil Notenbanker die Zinsen erhöhen, stehen neue Projektfinanzierungen unter einem schlechten Stern und Anschlussfinanzierungen werden immer häufiger zu schlechteren Konditionen möglich als in der ersten Finanzierungsrunde. Viele Projektentwickler, die Bauvorhaben starten wollten, lassen sie – wenn sie es sich leisten können – jetzt brach liegen – oder verkaufen sie sogar. Das ist besonders für junge Entwickler schmerzhaft. Stellen Sie sich folgenden hypothetischen Fall vor: Vor einigen Jahren hat ein Projektentwickler 80 Prozent Fremdfinanzierungskapital für 2,5 Prozent bekommen. Aktuell erhält er – wenn überhaupt – vielleicht nur noch 65 Prozent für 4,5 Prozent und muss die Differenz durch teure Mezzanine-Finanzierungen ausgleichen. Theoretisch müsste er mehr Miete verlangen oder zu einem noch höheren Preis verkaufen. Da das nicht möglich ist, versucht er, den Bau langsamer fortzuführen oder eben zu verkaufen, um den Fortbestand des Unternehmens zu gewährleisten.

Können geförderte Projekte im Wohnimmobiliensegment die Finanzierungslücke von Investoren schließen?

Just: Nein, zumindest nicht grundsätzlich. Gefördertes Wohnen bringt für Anleger zwar Stabilität, passt aber nicht überall zu den Grundstückspreisen. Die Lücke, die hohe Einkaufspreise und zu niedrige Mieten hinterlassen, muss in der Finanzierung geschlossen werden. Das geht auch mit Förderung nicht überall.

 

 

Wie lange kann die Rezession dauern?

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Just: Das gesamtwirtschaftliche Angebot muss wieder mit der Nachfrage zusammenkommen. Das geht angesichts der hohen Inflationsraten nur im Zuge einer Rezession. Theoretisch müsste zwar nicht unbedingt die Nachfrage durch Zinserhöhungen gesenkt werden, es könnte auch das Angebot erhöht werden. Praktisch ist das aber nicht möglich, weil kurzfristig zu wenig Material und Arbeitskraft vorhanden ist und Energie zu teuer geworden ist. Wie lange die Rezession letztendlich dauert, ist schwer zu sagen. Im Prinzip ist alles zwischen drei Monaten und drei Jahren möglich. Wenn ein Wirtschaftsabschwung auf einem Rückgang der Nachfrage fußt, kann er länger dauern, schließlich müssen die Erwartungen der Marktteilnehmer erst gebrochen werden. Im Moment passen sich die Erwartungen an die höheren Inflationsraten an. Das ist ein schlechtes Zeichen. Dieser Prozess hat aber noch nicht zu vielen hohen Tarifabschlüssen geführt, es gibt also noch ein Handlungsfenster. Je langsamer die Europäische Zentralbank jedoch agiert, desto wahrscheinlicher wird eine Preis-Lohn-Spirale. Dann wird das Brechen der Inflation schwerer.

Die Finanzkrise war im Vergleich zum derzeitigen Wirtschaftsabschwung wahrscheinlich kurz.

Just: Ja, genau, zumindest gilt dies für Deutschland. In Südeuropa waren die Anpassungen an die globale Finanzkrise erheblich und haben deutlich länger gedauert.

Warum hat die EZB die Zinsen Ihrer Meinung nach nicht schon früher erhöht?

Just: EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat in ihren Reden lange auf Beruhigung gesetzt, letztendlich aber dann doch zugegeben, den Teuerungsdruck unterschätzt zu haben. Was ausschlaggebend für diese Taktik war, ist von außen schwer zu sagen.

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