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Nach einer Schwächephase bieten sich aktuell gute Anlagegelegenheiten

Seit vergangenem Jahr erleben wir die Renaissance des Zinses. Sie knüpft an ein Jahrzehnt der Null- und Negativzinsen an, die dem Kapitalmarkt von der EZB verordnet wurden, um die seinerzeit chronisch niedrige Inflation dem Ziel von nahe 2 Prozent näherzubringen und die Konjunktur zu stimulieren.
Dass dieses Inflationsziel mit Spitzenwerten von 8,8 Prozent Ende 2022 ungewollt deutlich übertroffen wurde, provozierte einen der dynamischsten Zinsanstiege der Geschichte: Von Juli 2022 bis Juni 2023 – in weniger als einem Jahr – wurde der Leitzins von minus 0,5 auf 3,5 Prozent angehoben. Dieser historisch zügige Zinsanstieg führte 2022 zu einem weiteren historischen Ereignis: dem schlechtesten Jahr für ein Aktien- und Anleihen-Portfolio seit 100 Jahren.
Wo befinden wir uns Mitte 2023, einem halben Jahr nach dem Kapitalmarktjahr, das viele gerne vergessen würden? Ich sage: An einem besonders spannenden Punkt für Investoren. Warum? Das lässt sich im Wesentlichen auf zwei Aspekte zurückführen:
1. Viele Vermögenswerte aktuell unterbewertet
Anders als noch vor einem Jahr bietet jede Assetklasse (mit der Ausnahme von Immobilien) sehr interessante Anlagemöglichkeiten. Der rapide Zinsanstieg hat zu einer Neubewertung aller Instrumente am Kapitalmarkt geführt. In Kombination mit der überraschend angezogenen Inflation und geopolitischen Belastungen ist die Preisfindungen am Markt komplex und die Risikoaufschläge sind groß.

2022 haben Aktien und Anleihen besonders gelitten, weshalb sich in beiden Anlageklassen aktuell noch immer qualitativ hochwertige Investments mit einem nennenswerten Abschlag und hohem Renditepotenzial erwerben lassen. Small Caps beispielsweise sind historisch günstig bepreist und bieten sich dynamischen Langfristanlegern an. Ausgewählte und aktiv gemanagte Portfolios von Hochzinsanleihen können zwischen 13 Prozent (Europa) und 18 Prozent (Emerging Markets) Endfälligkeitsrendite liefern.
Ähnliches zeigt sich bei Liquid Alternatives: Im Bereich der Übernahme-Arbitrage (Merger Arbitrage) sprechen einzelne Manager von aktuellen Renditeniveaus zwischen 12 und 18 Prozent. Auf bis zu 15 Prozent schätzen Manager das mittelfristige Renditepotenzial für Wandelanleihen-Arbitrage (Convertible Arbitrage). Wer die Expertise für derlei Investments besitzt, erfreut sich an diesen Ausnahme-Renditen und schlägt jetzt zu.
2. Auswahl ist groß
Investoren steht heute ein so breites Instrumentarium zur Verfügung wie selten zuvor. Wie kam es dazu? Während der Nullzinsphase haben sich viele Anleger in Verzicht auf Anleihen geübt und gingen stattdessen einen von zwei Wegen:
- Sie bewegten sich in risikoreichere Zinsanlagen wie zum Beispiel High Yield, Direct Loans, Mezzanine, etc.
- Sie nutzten als konservativere Ergänzung liquide Alternativstrategien, das heißt Hedgefondsstrategien.
Beide Segmente erlebten überdurchschnittliches Wachstum und geneigte Investoren bauten Expertise in diesen Segmenten auf, die sie zuvor nicht hatten. Auch das Angebot an Aktienstrategien nahm während der Nullzinsphase zu, da für die meisten Investoren kein Weg an einer hohen Aktien-Allokation vorbeiführte.
Nachdem mit der Rückkehr des Zinses im vergangenen Jahr auch klassische Anleihen wieder ihre Berechtigung im Portfolio haben, kann man sich heute aus der Gesamtheit all der genannten Instrumente und Anlageklassen ein höchst individuelles Portfolio mit einem performanten Risiko-Rendite-Profil zusammenstellen. Insbesondere der Variantenreichtum der Liquid Alternatives kann ein Portfolio aus Aktien und Anleihen in seinen Charakteristika deutlich aufwerten.
Institutionelle Investoren und hochvermögende Privatpersonen können zudem noch auf den Bereich der illiquiden Alternativen (Private Debt, Private Equity, Infrastructure) zugreifen, um ein Portfolio darüber hinaus zu diversifizieren und widerstandsfähiger zu gestalten.
Meines Erachtens befinden wir uns deshalb an einem besonders attraktiven Zeitpunkt für Investoren. Zwar erfordert es Expertise und Zeit, all die Instrumente und Anlagen zu überblicken und im Portfoliokontext zu beurteilen. Aber eines ist gewiss: Es lohnt sich.
Über den Autor:
Marian Henn ist Partner beim Vermögensverwalter Allington Investors aus Bad Homburg vor der Höhe.