- Startseite
-
Warum die Aktienmärkte in eine Zinsfalle laufen könnten

Die Herde rennt einmal wieder in dieselbe Richtung. An den Finanzmärkten herrscht überwiegend die Einschätzung, dass die Zinsen in diesem Jahr spürbar sinken werden. Bei der Geldpolitik der amerikanischen Notenbank Fed preisen sie derzeit sechs bis sieben Zinsschritte nach unten ein. Allein in diesem Jahr könnte Fed-Chef Jerome Powell bis zu fünfmal an der Zinsschraube drehen, so die Prognosen.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde dürfte Powell etwas später und weniger energisch folgen, da die europäische Notenbank auch später mit Zinserhöhungen begonnen hat. Auch das ist derzeit unter Anlegern Konsens. Grundsätzlich ist es möglich, dass sich die Finanzmärke so entwickeln, wie es die Mehrheit erwartet. Häufiger ist allerdings das Gegenteil der Fall. Vor diesem Hintergrund sollten Anleger zumindest auch ein alternatives Szenario auf dem Radar haben.
Das Fed-Watch-Tool der CME Group weist darauf hin, dass es bei den Zinssenkungen nicht so schnell gehen könnte, wie sich das die Anleger wünschen. Das Prognose-Tool leitet die Wahrscheinlichkeiten für Änderungen des Leitzinses und der US-Geldpolitik aus den Preisdaten für 30-Tage-Futures ab. Das Ergebnis sieht wie folgt aus.
Powell hält vorerst die Füße still
Derzeit liegen die Leitzinsen der Fed bei 5,25 bis 5,5 Prozent. Zumindest hat Fed-Präsident Jerome Powell bei den letzten Sitzungen mit den Zinserhöhungen pausiert. Dass es jetzt auf der nächsten Sitzung am 20. März zu einer ersten Senkung kommt, scheint jedoch alles andere als sicher. Im Gegenteil: Laut Fed-Watch-Tool beträgt die Wahrscheinlichkeit für einen ersten Zinsschritt in Höhe von 25 Basispunkten nur 17,5 Prozent. Umgekehrt sprechen 82,5 Prozent gegen eine Senkung. Auch verbale Äußerungen von Powell deuten nicht gerade auf eine baldige Zinssenkung hin.
Etwas besser sieht die Prognose für die übernächste Sitzung der Fed am 1. Mai aus. Hier besteht laut Fed-Watch-Tool für eine erste Zinssenkung immerhin eine Wahrscheinlichkeit von 53,4 Prozent. Richtig gut sieht es erst für die Fed-Sitzung am 12. Juni aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Leitzinsen auch dann noch bei den derzeitigen 5,25 bis 5,5 Prozent liegen, beläuft sich nur auf 7,3 Prozent. Der Rest entfällt auf andere und zwar optimistischere Szenarien.
USA-Konjunktur brummt
Es gibt auch fundamentale Gründe, die gegen schnelle und aggressive Zinssenkungen in den USA sprechen. Die amerikanische Wirtschaft wuchs im vierten Quartal 2023 aufs Jahr hochgerechnet um 3,3 Prozent. Von Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Plus von 2,0 Prozent gerechnet, was für deutsche Verhältnisse bereits sensationell gewesen wäre. Im dritten Quartal des vergangenen Jahres hatte das amerikanische BIP sogar um 4,9 Prozent zugelegt. Eine harte Landung der US-Konjunktur sieht anders aus.
Für die Robustheit des amerikanischen Wirtschaftswachstums spricht auch der Arbeitsmarkt. Im Dezember entstanden in den USA außerhalb der Landwirtschaft 223.000 neue Stellen. Erwartet worden waren lediglich 200.000 neue Jobs. Im November sind sogar mehr als eine viertel Million neue Arbeitsplätze entstanden. Die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt wirkt sich auch positiv auf die Stimmung der Verbraucher aus, die in den USA für rund zwei Drittel der Wirtschaftsleistung verantwortlich sind.
Wenn die Wirtschaft in den USA weiter brummt, entfällt für Powell der Grund für erste Zinssenkungen. Das gilt zumindest so lange, wie das Inflationsziel von zwei Prozent noch nicht erreicht ist. Falls es Peking schafft, durch geld- und fiskalpolitische Maßnahmen die chinesische Wirtschaft wieder auf Erholungskurs zu steuern, dürfte sich das auch in steigenden Rohstoffpreisen widerspiegeln. Das würde es der Fed erschweren, ihr Inflationsziel auf absehbare Zeit zu erreichen.
Die Aktienmärkte, allen voran die Wall Street, könnten also in eine Zinsfalle laufen. Was das für die Kurse am breiten Markt bedeuten würde, liegt auf der Hand. In so einem Szenario würden sich wahrscheinlich Dividendentitel unter anderem aus den Sektoren Pharma und dem konjunkturunabhängigen Konsum mit am besten schlagen, weil diese sich in der Vergangenheit als Fels in der Brandung in stürmischen Börsenphasen gezeigt haben. Aussichtsreich wären dann auch weiterhin die „Tech Titans“, also die großen, wenig verschuldeten Gelddruckmaschinen aus dem Techsektor.

Über den Autor:
Michael Wittek leitet das Portfoliomanagement bei Albrecht, Kitta & Co. und ist für die Anlegestrategie der Vermögensverwaltung verantwortlich.