Finanzexperte Jan Viebig
Notenbanker sehen wirtschaftliche Lage überraschend optimistisch
Aktualisiert am 21.11.2022 - 14:41 Uhr
Jan Viebig ist Investmentchef der Privatbank Oddo BHF. Foto: Oddo BHF
Für den weiteren Jahresverlauf 2022 erwarten europäische Notenbanker ein leicht negatives Wachstum, gefolgt von einer Belebung der Wirtschaft im Frühjahr 2023. Jan Viebig von der Privatbank Oddo BHF findet diese Prognose angesichts der hohen Inflation bemerkenswert optimistisch.
Dass die EZB diese Flexibilität nutzt, wurde bereits im Juni und Juli deutlich, wie Abbildung 3 zeigt. Während deutsche Staatsanleihen mit einem Volumen von mehr als 14 Milliarden Euro verkauft wurden, hat die EZB spanische (rund 6 Milliarden Euro) und italienische Staatsanleihen (rund 10 Milliarden Euro) aufgestockt.
Generell werden Reinvestitionen fälliger Anleihen im Rahmen des regulären Ankaufprogramms Asset Purchase Programme (APP) „so lange wie nötig“ fortgesetzt. Allerdings konnte die EZB, trotz Umschichtungen von Kern zu Peripherieanleihen, ihre Anleihebestände im Juli um 0,7 Milliarden Euro und im August um 2,8 Milliarden Euro netto minimal reduzieren.
Für die Märkte...
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Dass die EZB diese Flexibilität nutzt, wurde bereits im Juni und Juli deutlich, wie Abbildung 3 zeigt. Während deutsche Staatsanleihen mit einem Volumen von mehr als 14 Milliarden Euro verkauft wurden, hat die EZB spanische (rund 6 Milliarden Euro) und italienische Staatsanleihen (rund 10 Milliarden Euro) aufgestockt.
Generell werden Reinvestitionen fälliger Anleihen im Rahmen des regulären Ankaufprogramms Asset Purchase Programme (APP) „so lange wie nötig“ fortgesetzt. Allerdings konnte die EZB, trotz Umschichtungen von Kern zu Peripherieanleihen, ihre Anleihebestände im Juli um 0,7 Milliarden Euro und im August um 2,8 Milliarden Euro netto minimal reduzieren.
Für die Märkte war die Zinserhöhung um 75 Basispunkte keine große Überraschung Allerdings war sie im Vorfeld nicht gänzlich eingepreist. Auf die Frage, ob die Anleihemärkte realistisch gepreist sind, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde, es handele sich um „keine schlechten Marktannahmen“. Die Renditen im Euroraum stiegen nach dem EZB-Entscheid besonders am kurzen Ende an (ein bis drei Jahre um mehr als 30 Basispunkte, siehe Abbildung 4), sodass sich die zuvor im Lauf der Woche steiler gewordene Zinsstrukturkurve wieder etwas verflachte.
Die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen stieg von 1,58 Prozent am Tag vor der EZB-Sitzung auf aktuell 1,73 Prozent (15. September 2022.) Die kürzere zweijährige Bundesanleihe spiegelt die flacher gewordene Zinsstrukturkurve und notiert mit aktuell 1,5 Prozent auf dem höchsten Stand seit mehr als zehn Jahren.
Die deutlich höheren Inflationsprognosen der EZB in Verbindung mit Risiken für die Verankerung der Inflationserwartungen lassen weitere deutlich Zinsanhebungen erwarten. Wie Abbildung 5 zeigt, veranschlagen die Marktteilnehmer einen Anstieg der Leitzinsen auf etwa 2,5 Prozent bis Juli 2023. Vor allem wenn eine erste Rezession ausbleiben sollte, bestünde ein realistisches Risiko von Renditeanstiegen im Euroraum auch über diesjährigen Höchststand von Juni hinaus – selbst wenn die EZB auf einen Abbau der Anleihebestände (Quantitative Tightening) erst einmal verzichtet. Speziell am kurzen Ende dürften der Renditeanstieg während der Zinsanhebungsphase am stärksten ausfallen. Diese Gemengelage veranlasst uns dazu, weiter vorsichtig zu bleiben und die Duration der Anleihen in den Portfolios kurz zu halten.
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