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Zinspolitik „Und dann kommt irgendwann der Knall“

Georg Graf von Wallwitz
Georg Graf von Wallwitz
Wellen, das wissen wir noch aus der Schule, kommen in allerlei Gestalten andauernd in unserem Leben vor. Als Licht, als Radio, als Mikrowelle, oder, weniger praktisch, als kosmische Strahlung. Neben den elektromagnetischen Wellen gibt es noch die mechanischen Wellen: Schall, Wasserwellen oder, sehr unpraktisch, Erdbeben. Wellen lassen sich mathematisch meist gut berechnen.

Wellen sind definiert als eine Störung eines Systems. Man kann ein bereits gestörtes System aber durch Wellen auch wieder in einen Quasi-Ruhezustand versetzen. Man denke etwa an die Standwellen (die eigentlich eine Überlagerung verschiedener Wellen sind), wie man sie bei der Schwingung der Saite eines Musikinstruments findet. Bei der Erzeugung einer Standwelle macht man es sich zu Nutze, dass beide Enden der Saite fest sind.

Erheblich schwieriger wird es, wenn eines der Enden lose ist, wie etwa bei der Peitsche. Deren Bewegung zu modellieren ist eine der schwierigeren Berechnungen im Bereich der Wellenmechanik. Schwierig (und bislang nicht befriedigend gelöst), weil bei der Peitsche die Geschwindigkeit der Wellenbewegung in einer Weise stark zunimmt, die sehr komplex ist.

Der bayerische Goaßlschnalzer hat eine so herausgehobene Stellung in ländlichen Gemeinden, weil es ihm gelingt, diese komplexe Bewegung zu kontrollieren. Er bewegt seine Peitsche so kunstvoll, bis deren Ende sich sogar schneller bewegt als der Schall und auf diese Weise das für das Brauchtum unentbehrliche Krachen erklingt.

Yellen schwingt die Peitsche

Der Goaßlschnalzer der internationalen Finanzmärkte ist fraglos die US-amerikanische Zentralbank, derzeit personifiziert durch Janet Yellen. Sie versucht die Störung der Finanzmärkte aus den Jahren 2008/09 durch eine andere Störung (Welle), die Niedrigzinspolitik, auszugleichen, um so gewissermaßen eine Standwelle zu erzeugen. Das aber ist extrem schwer, weil nicht beide Enden der Saite fest sind.

Als der Griff ihrer Peitsche muss die Zinspolitik gelten, die (in normalen Zeiten) auf die kurzfristigen Zinsen wirkt. Niedrige kurzfristige Zinsen senken das Zinsniveau insgesamt, also auch die langfristigen Zinsen.

Bei hohen kurzen „Zentralbankzinsen“ verhält es sich umgekehrt. Die langfristigen Zinsen sind gewissermaßen die erste Welle in der Peitsche, in der sich die Bewegung des Griffs fortsetzt.

In Zeiten niedriger Zinsen geht es den Unternehmen besser, denn sie müssen für ihre Kapitalkosten weniger aufwenden. Das freut zunächst einmal die Gläubiger der Unternehmen, die nun umso mehr Grund für die Erwartung haben, ihr Geld wiederzusehen.

Hinzu kommt, dass einigen Investoren nun die Zinsen der Staatsanleihen zu niedrig sind, sodass sie sich nach höherverzinslichen Alternativen umsehen. Beides, die verbesserte Situation der Unternehmen und die höhere Nachfrage nach Unternehmensanleihen, führt zu steigenden Kursen (und entsprechend niedrigeren Zinsen) bei diesen Papieren. Das ist die zweite Welle von Yellens Peitsche.

Das ganze setzt sich nun fort auf dem Immobilienmarkt, wo die Verzinsungen, die man sich von der Vermietung verspricht, höher sind, als was mit Anleihen zu erzielen wäre. Dort kommt noch hinzu, dass die Finanzierung von Immobilien günstig ist und Käufer dazu verleitet, zu glauben, sie könnten größere Kredite stemmen. Das ist die dritte Welle.

Derselbe Effekt tritt bei den Aktionären auf, die sich ebenfalls über die niedrigen Kapitalkosten freuen und zu denen sich nun Investoren gesellen, die normalerweise mit den Zinsen der Unternehmensanleihen zufrieden, mit dem aktuell gesunkenen Niveau aber nicht mehr einverstanden sind. Die vierte Welle – hier ist das Geld schon sehr viel schneller unterwegs.

Am Ende wird die Sache immer schwerer berechenbar. Das Geld geht nun in Private Equity, ein Bereich, der sich durch wenig Transparenz, viel Kredit und hohe Renditeversprechen auszeichnet. Dies ist das Äquivalent zum schallmauerdurchbrechenden Schwanz der Peitsche, business at the speed of light, sozusagen.
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