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Zinswende: Land in Sicht oder Eisberg voraus?

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Mögliche Auswirkungen auf die Eurozone

Die USA befinden sich trotz weiter bestehender Risiken unzweifelhaft in einer konjunkturellen Erholungsphase: das reale US-Bruttoinlandsprodukt wuchs in jedem der vergangenen fünfzehn Quartale, die Arbeitslosigkeit ist im Trend seit Oktober 2009 rückläufig. Ergo ist eine graduelle Normalisierung der Geldpolitik durchaus angemessen. >>Vergrößern
Die Eurozone ist noch weit von diesem Stadium entfernt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der europäischen Wirtschaftsunion (EWU) schrumpfte in jedem der vergangenen sechs Quartale, und die Arbeitslosigkeit steigt kontinuierlich.

Während Deutschland nach wie vor eine Art Sonderkonjunktur erlebt, die durchaus höhere Zinsen (nominal wie auch real) vertragen könnte, wäre ein Zinsanstieg für diejenigen Länder, die ihre öffentlichen Finanzen auf Grund eines überhöhten Schuldenstandes weiter konsolidieren müssen, und die deshalb in einer tiefen Rezession stecken, fatal.

Viele von Ihnen leiden ohnehin bereits jetzt unter konjunkturell unangemessen hohen realen Renditen (s. folgende Grafik). >>Vergrößern Die sensible Reaktion der Peripherie-Spreads auf die Ankündigungen der Fed ist außerdem dadurch berechtigt, dass etliche EWU-Mitglieder nach wie vor um die mittel- bis langfristige Tragfähigkeit ihrer Staatsfinanzen kämpfen, die sich durch noch höhere Finanzierungskosten weiter verschlechtern würde.
Sollten aufgrund des Paradigmenwechsels in der US-Geldpolitik Renditen und Zinsen in der EWU-Peripherie weiter steigen so würde dies in zweifacher Hinsicht Probleme bereiten: Erstens würde es die teils ohnehin schon schwierige Finanzierung des Unternehmenssektors in vielen Ländern weiter verteuern und könnte so negative Auswirkungen auf die Konjunktur und den vielfach noch fragilen Bankensektor entfalten. Zweitens würde es direkt (über eine höhere Zinslast) und indirekt (durch vermindertes Wachstum) die als Anteil am BIP ausgedrückte Schuldenquote der betroffenen Länder erhöhen.

Letzteres könnte dann entweder zu verstärkter Sparsamkeit im laufenden Haushaltsverzug führen, um den EU-Zielen Genüge zu tun, und damit weiter konjunkturell kontraktiv wirken, oder eine weitere Lockerung ebendieser Ziele erfordern, die die Glaubwürdigkeit des Schuldenabbaus in der EWU insgesamt beschädigen könnte.

Wie gesagt, wäre ein solches Negativszenario allerdings nur dann zu erwarten, wenn die EWU-Renditen durch den Fed-Ausstieg im Tandem mit denen von US-Staatsanleihen steigen, ohne dass dies hierzulande konjunkturell gerechtfertigt wäre. Welche Kräfte könnten eine solche Entwicklung verhindern oder zumindest abmildern?

Zum einen hat die EZB klargemacht, dass sie erheblich länger als die Fed bei ihren unkonventionellen Maßnahmen bleiben wird – eben so lange, wie es die Konjunktur- und Schuldensituation in der Eurozone erfordert. Implizit bedeutet dies, dass sie im Zweifelsfall auch durch neue unkonventionelle Maßnahmen eine Entkoppelung vom globalen Zinsverbund anstreben wird. Allerdings kann sie im Ernstfall wohl nur das kurze Ende der Zinskurve stabilisieren und möglicherweise die Finanzierungsbedingungen in der Peripherie durch Liquiditätszufuhr auflockern.

Im Gegensatz zur Fed hat sie kein Mittel, um direkten Einfluss auf längerfristige Renditen zu nehmen. Ihr Anleihekaufprogramm (OMT) kann erst dann aktiviert werden, wenn ein Land einen ESM-Hilfsantrag gestellt und sich den Reformauflagen der EU unterworfen hat. Insofern gehen wir davon aus, dass selbst beherztes Gegensteuern der EZB keine Garantie dafür ist, dass sich marktbestimmte Anleiherenditen in der EWU nachhaltig von der globalen Entwicklung abkoppeln können.

Ferner ist denkbar, dass vornehmlich Bundesanleihen, die einen erheblich engeren Rendite-Zusammenhang mit US-Treasuries aufweisen als die Anleihen anderer EWU-Länder von einem Zinsanstieg betroffen wären. In einem solchen Szenario könnten also die Spreads zwischen Bundes- und Peripherieanleihen schrumpfen.

Wir halten dies für eher unwahrscheinlich, da ein globaler Zinsanstieg mit potenziellen negativen Auswirkungen auf die Konjunktur asymmetrisch auf die Länder der Währungsunion, zum spezifischen Nachteil der hoch verschuldeten und wachstumsschwachen Staaten, wirken würde. Dies könnte im schlimmsten Fall sogar zu einem erneuten Zufluss in Bundesanleihen als sicherem Hafen und damit zu einer Spreadausweitung innerhalb der EWU führen.

Fazit


Angesichts der möglichen negativen Folgen eines nachhaltigen Zins- und Renditeanstiegs ist aus europäischer Sicht zu hoffen, dass es die Fed behutsam angehen lässt mit dem Ausstieg aus der quantitativen Lockerung. Wir glauben nicht, dass sie sich in einen aggressiven geldpolitischen Straffungsprozess begibt; immerhin hat sie ihre Erwartung bestätigt, dass sie die Leitzinsen bis ins Jahr 2015 unverändert lassen wird.

Zudem sind die Bedingungen, die Ben Bernanke für den Einstieg in den QE-Ausstieg genannt hat, ambitioniert, und auch die US-Konjunktur ist noch fragil. Bereits ein oder zwei etwas schwächere Datenpunkte in den USA könnten zu einer Verschiebung des avisierten Zeitplans führen und damit zur Beruhigung der Zinsentwicklung in der EWU beitragen. Insbesondere die Arbeitsmarkt-, aber auch den Inflationsdaten aus den USA werden daher in den kommenden Monaten erhöhte Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Andererseits gehen wir davon aus, dass der Fed-Präsident die Ausstiegsstrategie nicht öffentlich thematisiert hätte, wenn es ihm nicht ernst gewesen wäre mit dem Wunsch, die geldpolitische Normalisierung noch vor seinem Ausscheiden aus dem Amt Anfang 2014 einzuleiten.

Sollte die Fed-Strategie tatsächlich zu nachhaltig steigenden US-Renditen führen, so könnte dies auch zunehmende Spannungen in der EWU zur Folge haben, wenn sich die Finanzierungskosten der Peripherieländer nicht von der globalen Entwicklung abkoppeln. Wir würden in diesem Szenario von starkem politischem Druck auf die EZB ausgehen, eine solche Abkoppelung der europäischen Rentenmärkte zu unterstützen, z. B. durch erneute Ankäufe von Staatsanleihen, ggf. auch außerhalb des OMT.

Derartige Maßnahmen sind allerdings heute angesichts des laufenden Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht und der bevorstehenden Bundestagswahl vor allem in Deutschland außerordentlich schwer zu vermitteln. Ihre Glaubwürdigkeit und ihre Erfolgsaussichten sind daher kaum einzuschätzen. Es führt kein Weg daran vorbei: In einem Szenario global nachlassender geldpolitischer Unterstützung dürften die Risiken in den Märkten der EWU-Peripheriestaaten erneut zunehmen.

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