Volkswirt Ulrich Kater
Zu früh, die deutsche Konjunktur abzuschreiben
Aktualisiert am 12.06.2023 - 10:33 Uhr
Ulrich Kater ist Chefvolkswirt der Dekabank. Foto: Dekabank
Wohin man am deutschen Markt auch blickt - es scheint an allen Enden zu kriseln. Ulrich Kater von der Dekabank ist jedoch überzeugt: So schlimm, wie Konjunkturpessimisten es nahelegen, ist die Lage gar nicht. Was ihn optimistisch stimmt, steht hier.
Die Indikatoren für die deutsche Wirtschaft zu Beginn des Frühlings sehen nicht gut aus. Die Schwäche der jetzt veröffentlichten Zahlen für den März zieht sich durch alle Bereiche. So sank der Umsatz des deutschen Einzelhandels um 2,4 Prozent gegenüber dem Vormonat anstatt – wie von den Analysten erwartet – um 0,4 Prozent anzusteigen. Dabei kauften die Konsumenten nicht nur weniger Lebensmittel, sondern auch weniger andere Konsumgüter. Nach wie vor lastet der Kaufkraftentzug durch die gestiegenen Preise auf der Konsumaktivität.
Einen Rückschlag musste auch die deutsche Warenausfuhr verkraften. Nach zwei sehr starken Monaten sank diese im März im Vergleich zum Februar um 4,9 Prozent....
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Die Indikatoren für die deutsche Wirtschaft zu Beginn des Frühlings sehen nicht gut aus. Die Schwäche der jetzt veröffentlichten Zahlen für den März zieht sich durch alle Bereiche. So sank der Umsatz des deutschen Einzelhandels um 2,4 Prozent gegenüber dem Vormonat anstatt – wie von den Analysten erwartet – um 0,4 Prozent anzusteigen. Dabei kauften die Konsumenten nicht nur weniger Lebensmittel, sondern auch weniger andere Konsumgüter. Nach wie vor lastet der Kaufkraftentzug durch die gestiegenen Preise auf der Konsumaktivität.
Einen Rückschlag musste auch die deutsche Warenausfuhr verkraften. Nach zwei sehr starken Monaten sank diese im März im Vergleich zum Februar um 4,9 Prozent. Die Schwäche war umfassend: Sowohl die Intra- als auch der Extra-EU-Ausfuhr gingen deutlich zurück. So sank beispielsweise die Ausfuhr in die USA um beinahe 11 Prozent, die nach China um mehr als 9 Prozent, die in die übrigen EU-Länder um mehr als 6 Prozent. Nicht minder enttäuschend waren die Produktionsdaten für die Industrie. Mit einem Rückgang war zwar allgemein gerechnet worden, doch das Minus von 3,4 Prozent im Monatsvergleich übertraf die Erwartungen bei weitem. Nach zwei guten Monaten mit steigender Bauproduktion – insbesondere der Januar war durch die Witterung begünstigt – kam es nun zu dem erwarteten Rückprall.
Es kriselt bei Bauwirtschaft und Industrieunternehmen
Die Bauwirtschaft befindet sich angesichts steigender Finanzierungs- und Baukosten in einer sehr schwierigen Lage. Die Industrie und ihre energieintensiven Branchen drosselten ihre Erzeugung im Gleichschritt um 3,3 Prozent. Negativ stach die Automobilindustrie hervor, die nach einem Produktionsplus um 6,9 Prozent im Vormonat nun ihre Ausbringungsmenge um 6,5 Prozent drosselte. Das allein trug rund einen Prozentpunkt zum Rückgang der Industrieproduktion bei.
Und es geht noch schlimmer: Die Industrieaufträge befinden sich zwar schon seit 2021 in einem Abwärtstrend, doch der Einbruch im März um 10,7 Prozent kam dennoch wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Auch wenn man die volatilen Großaufträge herausrechnet, verbleibt ein dickes Minus von 7,7 Prozent. Damit sinkt der Index der Auftragseingänge seit Juni 2020 erstmals wieder unter den Produktionsindex und verkündet somit von einem dicken Minus des Auftragsbestands der Industrie.
Positive Entwicklung deutet sich an
Ist das endlich der von den Pessimisten erwartete Einbruch? An den Finanzmärkten könnte sich die Waagschale zugunsten der Pessimisten neigen, nachdem in den vergangenen Wochen stets ein Gleichgewicht zwischen Konjunkturrisiken und –chancen geherrscht hatte. Man sollte allerdings hier nicht vorschnelle Schlüsse ziehen. Die Schwankungen makroökonomischer Indikatoren ist bedingt durch die großen Schocks (Coronakrise, Energiekrise) derart hoch, dass ein Ausschlag nach unten in der Folge schnell wieder ausgeglichen werden kann. Auch die statistische Erfassung wird durch die hohen Schwankungen negativ beeinflusst. So wurden etwa die Dezember-Indikatoren außergewöhnlich stark nach oben revidiert.
Auch im März könnte es dazu kommen, dass aufgrund von Datenrevisionen die Situation im Rückblick deutlich besser war als zunächst gemeldet. Und so wie es im Januar dieses Jahres zu einem kräftigen positiven Rückprall gekommen ist, deutet sich dieser auch für den April an – zumindest für die Daten aus dem produzierenden Gewerbe. Schließlich musste in den zurückliegenden Monaten ein außergewöhnlich hoher Krankenstand verkraftet werden. Ein zusätzlicher Tag an Krankheitsausfällen bei allen Beschäftigten im Quartal sorgt etwa für knapp ein Prozent geringeres Bruttoinlandsprodukt. Noch ist es also zu früh, die deutsche Konjunktur gleich wieder abzuschreiben.
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