Wie das „Handelsblatt“ aktuell berichtet, will die Zurich in Deutschland ihren Agenturen durch eine neue Ventillösung mehr Freiheiten im Vertrieb gewähren. Die rund 1.400 Ausschließlichkeitsvertreter sollen künftig unter bestimmten Umständen auch Produkte anderer Anbieter verkaufen und betreuen dürfen.
Markttrend bei Versicherern zu Mehrfachvertretern
Die Zurich will damit offensichtlich den Markttrend, dass Anbieter zunehmend auf sogenannte Mehrfachagenten setzen, nicht verpassen und wettbewerbsfähiger werden. Zum Geschäftsbereich Zurich Exklusivpartner, der die Ausschließlichkeitsorganisation der Zurich Gruppe Deutschland darstellt, zählen selbstständige hauptberufliche Vermittler, angestellte Vermittler sowie der angestellte organisierende Außen- und Innendienst. Sie vermitteln bisher unter anderem Produkte der Zurich Deutscher Herold Lebensversicherung.
Exklusivvertrieb steht unter Druck
Der Ausschließlichkeits- oder Exklusivvertrieb ist immer noch der wichtigste Vertriebsweg. Laut Zahlen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hatte er im Jahr 2023 in der Sach-, Unfall- und Haftpflichtversicherung einen Anteil von 41 Prozent am Neugeschäft und in der Lebensversicherung von 39 Prozent. Dennoch hat der Bereich seit vielen Jahren zigtausende Beschäftigte verloren. Versicherungsmakler, als zweitwichtigster Vertriebsweg, und Mehrfachvertreter, die bisher nur eine untergeordnete Rolle spielen, konnten sich hier deutlich besser behaupten.
Laut eines Zurich-Sprechers handelt es sich um ein optionales Zusatzangebot für die Ausschließlichkeit. Der Exklusivvertrieb soll einer der wichtigsten Vertriebswege bleiben und die Agenturen ihren Status behalten, wie ein Unternehmenssprecher auch gegenüber DAS INVESTMENT erklärte. Aus dem Umfeld des Unternehmens heißt es laut „Handelsblatt“-Bericht aber auch, dass sich ihre Exklusivpartner breiter aufstellen müssten.
Kunden verlangen mehr Produktauswahl
Aktuell liegt laut des Medienberichts ein Problem darin, dass Verbraucher, die wegen eines fehlenden Produkts einen Makler kontaktieren, häufig ein Beratungsmandat für alle Verträge unterschreiben. Das passiere vor allem bei neuen Wohngebäude- oder Kfz-Versicherungen, wo es derzeit wegen der enormen Prämiensteigerungen besonders viele Wechsler geben dürfte. In solchen Fällen verliert der Ausschließlichkeitsvertreter, der an einen Versicherer gebunden ist, dann die komplette Kundenbeziehung an den Makler. Auch die starke Nutzung von Vergleichsportalen durch Kunden, die auf eine größere Produktpalette zugreifen wollen, dürfte eine Rolle bei der Entscheidung gespielt haben
Interne Pläne wurden öffentlich
Konkret belegen sollen dies eine interne Zurich-Präsentation mit dem Titel „Mehrfachagent – Konzeptions- und Umsetzungsprojekt“ und eine Vorstandsvorlage, in der Vertriebsvorstand Ulrich Christmann demnach das Risiko beschreibt, einen wichtigen Markttrend und entsprechende Vertriebspotenziale zu verpassen, „wenn wir dieses Projekt nicht machen“. Beides liegt dem „Handelsblatt“ nach eigenen Angaben vor.
Zurichs vorsichtiger Ansatz mit Mehrfachagenten
Der Vorstoß der Zurich muss im Branchenvergleich allerdings als vorsichtig eingestuft werden. Im Kern sollen Agenturisten nämlich nur dann Fremdprodukte anbieten, wenn die Kunden eine Versicherung suchen, die die Zurich selbst nicht im Portfolio hat. Bislang war das laut „Handelsblatt“ nur schwer möglich, der Prozess werde von Vertretern als umständlich beschrieben. Über das Konzept des Mehrfachagenten soll es nun deutlich einfacher werden. Auf diese Weise könnten Zurich-Vertreter künftig auch über den Neuabschluss hinaus die bestehenden Verträge ihrer Kunden bei anderen Versicherern betreuen und die Kundenbindung stärken.
Der Zurich-Sprecher sagte hierzu gegenüber DAS INVESTMENT: „Wir gehen davon aus, dass die Öffnung einer Ausschließlichkeit auch in Teilen dort als Mehrfachagent tätig zu werden, wo Gesellschaften beispielsweise gewisse Risiken nicht zeichnen, in den kommenden Jahren verstärkt Nachfrage im Markt erhalten wird".
ALH-Gruppe ging deutlich offensiver vor
Konkurrenten wie die ALH-Gruppe, zu der die Alte Leipziger Lebensversicherung und die Hallesche Krankenversicherung gehören, reagierten in der jüngeren Vergangenheit hier deutlich radikaler, so der Bericht: Sie hat bereits viele ihrer Ausschließlichkeitsvertreter komplett zu Mehrfachagenten gemacht. „Viele der neuen Mehrfachagenten berichten uns von Fällen, in denen sie Kunden halten konnten, die sie als Generalagenten bisher verloren hätten“, sagte ALH-Vertriebsvorstand Frank Kettnaker dem Medium gegenüber. Auch ein geplanter Teilrückzug der Allianz mit ihren Agenturen in den neuen Bundesländern machte zuletzt Schlagzeilen und zeigte, dass der Vertriebszweig bei vielen Gesellschaften auf dem Prüfstand steht.
Start mit Pilotphase und 100 Agenturen
Das neue Mehrfachagenten-Modell soll die Zurich-Agenturen in die Lage versetzen, ihren Kunden eine Rundumbetreuung anzubieten, wie das Handelsblatt berichtet. Unterstützung sollen diese durch eine Kooperation mit dem Versicherungsvermittler VFM erhalten. Nach der Pilotphase soll das Modell den Informationen des „Handelsblatt“ zufolge nun schrittweise ausgerollt werden und zunächst bei knapp 100 Agenturen zur Anwendung kommen.

