Nachhaltigkeitsexperte Jan Rabe
Digitalisierung und Klimaschutz
Leitet das Nachhaltigkeitsbüro von Metzler Asset Management: Jan Rabe. Foto: Metzler AM
Steigt durch Digitalisierung der Energiebedarf von Rechenzentren so stark, dass der Klimawandel beschleunigt wird? Die Experten Jan Rabe und Ulf Plesmann von Metzler Asset Management sind sich sicher: Um die Emissionen der Kommunikationswirtschaft zu begrenzen, braucht es moderne Infrastruktur.
Die zunehmende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft führt zu einer dynamisch steigenden Datenmenge, die in Rechenzentren verarbeitet und gespeichert wird. Der Schluss liegt daher nahe, dass dieses Wachstum auch den Energieverbrauch von Rechenzentren deutlich erhöhen könnte. Dieser zusätzliche Bedarf könnte so gewaltig sein, dass die entstehenden Treibhausgase den Klimawandel befeuern und somit das Ziel der Vereinten Nationen gefährden, den globalen Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 unter 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau (1850 bis 1900) zu halten.
Dies geschieht dann, wenn Effizienzgewinne entlang der Informations- und Kommunikationswertschöpfungskette...
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt Unternehmen, Kapitalmärkte, Gesetzgeber. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die Analysen und Thesen der bedeutendsten Nachhaltigkeitsexperten, Top-Ökonomen und Großinvestoren – gebündelt und übersichtlich. Sie sollen dir die wichtigen Entwicklungen auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft und Finanzwelt clever und zuweilen kontrovers aufzeigen.
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Die zunehmende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft führt zu einer dynamisch steigenden Datenmenge, die in Rechenzentren verarbeitet und gespeichert wird. Der Schluss liegt daher nahe, dass dieses Wachstum auch den Energieverbrauch von Rechenzentren deutlich erhöhen könnte. Dieser zusätzliche Bedarf könnte so gewaltig sein, dass die entstehenden Treibhausgase den Klimawandel befeuern und somit das Ziel der Vereinten Nationen gefährden, den globalen Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 unter 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau (1850 bis 1900) zu halten.
Dies geschieht dann, wenn Effizienzgewinne entlang der Informations- und Kommunikationswertschöpfungskette (IKT) nicht ausreichen, um dem erhöhten Energiebedarf durch das wachsende Datenvolumen gerecht zu werden. Zu möglichen Effizienzgewinnen zählen beispielsweise eine fortschrittliche Infrastruktur der Rechenzentren, Datenintegration oder ein nachhaltigerer Energiemix mit Fokus auf erneuerbare Quellen.
Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass der Energieverbrauch von Rechenzentren in den vergangenen zehn Jahren konstant geblieben ist – trotz eines zwölffach gestiegenen Volumen des Datenverkehrs und einer achtfach höheren Auslastung der Rechenzentren.1 Effizienzgewinne und der Wandel hin zu Cloud- und Hyperscale-Rechenzentren ermöglichten dies maßgeblich.
Geschäftsmodelle, mit deren Hilfe künftige Effizienzgewinne realisiert werden können und die somit einen nachhaltigen Datenstrom ermöglichen, stehen im Fokus der Anlagestrategien unsere Portfoliomanager. Die Analyse der IKT-Wertschöpfungskette, die in enger Zusammenarbeit mit den ESG-Experten erstellt wurde, hebt Branchen hervor, die hiervon profitieren.
Das große Ganze: Klimawandel versus Datenpolitik
Anfang 2020 gab die Europäische Kommission Initiativen bekannt, „um bis spätestens 2030 klimaneutrale, hoch energieeffiziente und nachhaltige Rechenzentren zu schaffen.“2 So sollen Telekommunikationsbetreiber ihren ökologischen Fußabdruck mit einem Höchstmaß an Transparenz offenlegen. Während diese Ankündigung auf den ersten Blick ökologische Hintergründe hat, gibt es jedoch zugleich eine politische Ebene – das Ringen um Datenschutzabkommen und -souveränität:
- Drohendes Verfehlen der Klimaneutralität: Die Europäische Union (EU) wird auf Basis der Berechnungen des Climate Action Tracker das Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen verfehlen, ihren Beitrag zur Begrenzung der globalen Erderwärmung auf unter 2 Grad Celsius bis 2050 zu leisten. Somit steht die EU-Kommission unter Druck, schärfere Maßnahmen zu ergreifen. Daher hat sie im September empfohlen, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent (vorher: 40 Prozent) gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken. Eine Reduktion von 65 Prozent wäre jedoch notwendig, um bis 2030 konform mit einem 2-Grad-Zielpfad zu sein (Abbildung 1).
- Gaia-X versus US Cloud Act: Die EU-Initiative Gaia-X kann als Reaktion auf den US Cloud Act gewertet werden. Mit Gaia-X sollen Daten von EU-Unternehmen auf Servern in der EU vor Zugriffen außereuropäischer Behörden geschützt werden. Das kürzlich vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gekippte „EU-US-Privacy-Shield“-Abkommen, dass das Speichern von Daten der EU-Bürger in den USA verhindern sollte, verschärfte diese Situation. Die mit Gaia-X entstehende digitale Infrastruktur soll EU-Unternehmen stärken, um ein Gegengewicht zu außereuropäischen Spielern aufzubauen.
Abbildung 1: EU-Klimaziele 2030 und 2050 auf dem Prüfstand
Ausstoß an CO2-Emissionen in der EU pro Jahr in Millionen Tonnen
* Schätzungen des Climate Action Tracker (CAT) für von den EU-Mitgliedsländern proklammierte Absichten (Minimum) gegenüber den von der EU-Komission geforderten (Maximun).
** 2015: Im Pariser Klimaschutzabkommen verpflichteten sich Staaten zu nationalen Klimaschutzbeiträgen, den „nationally determined contributions“ (NDC). Quellen: Climate Action Tracker (Climate Analytics, New Climate Institute)
1 IEA (2020): „Data centers and data transmission networks“
2 EU-Kommission (2020): „Shaping Europe’s Digital Future“
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