Das mangelhafte Finanzwissen und Selbstbewusstsein sieht Anissa auch historisch begründet: „Frauen wurden einfach bis in die siebziger Jahre aus dem Finanzleben in Deutschland komplett rausgehalten. Ich glaube, seit Anfang der siebziger Jahre dürfen Frauen selbst ein eigenes Konto eröffnen. Das ist noch nicht so lange her. Frauen hatten jetzt 50 Jahre Zeit, holt doch mal bitte alles auf und seid bitte mal innerhalb von zwei Generationen genauso versiert und genauso entspannt mit dem Thema wie Männer. Es ist total logisch, dass das nicht funktioniert“.
Vielen Frauen fehlt grundlegendes Finanzwissen
Was aus Anissas Sicht noch hinzukommt: „Bei Frauen ist es auf jeden Fall ein Problem vom Finanzwissen. Frauen in Deutschland haben eine schlechtere Finanzbildung. Das ist wissenschaftlich belegt, unter anderem von der Goethe Universität, wo ich jetzt arbeite. Das heißt, da muss auf jeden Fall viel getan werden, dass Frauen überhaupt dieses Finanzwissen erhalten, dass man nicht drumherum kommt, sich schon in der Schule, in der Ausbildung oder im Studium damit auseinanderzusetzen, einfach um die Relevanz zu verstehen“.
Frauen sollten Anissa zufolge „lernen, dass das mit dieser staatlichen Rente, die wir einzahlen, wahrscheinlich für uns alle nicht mehr ausreichen wird. Und ich glaube, viele Menschen verdrängen diese Information immer noch aktiv und haben gar nicht das Wissen, wie schlimm es darum steht“.
„Die Finanzbranche bleibt männerdominiert“
Auch die Struktur der Finanzbranche ist bei der Thematik nicht hilfreich: „Die Finanzbranche ist … ein sehr, sehr männlicher, selbstreferenzieller Zirkel, der sich um sich selbst dreht. Dann sitzt Thomas im Vorstand und holt dann halt den nächsten Thomas in die Geschäftsführung. Und der darunter hat in seinem Leitungsteam auch nur weitere Thomasse. Und das ist ja klar, solange sich das immer so reproduziert, wie zur Hölle sollen Frauen dann da irgendwie reinkommen? Deshalb braucht es am Anfang Quoten, um zu sagen: Okay, wir kriegen jetzt diese Anzahl von Frauen da rein, die schaffen es diese gläserne Decke und auch diese Prozesse zu durchbrechen“.