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Aktualisiert am 01.04.2020 - 13:12 Uhrin MärkteLesedauer: 4 Minuten

Anleihekaufprogramm der Zentralbank Warum der Zinsanstieg für die EZB genau zur richtigen Zeit kommt

Für Mario Draghi ist hinter der dunklen Wolke über den Anleihemärkten ein Silberstreifen am Horizont erkennbar.

Nachdem sechs Wochen quantitativer Lockerung die Renditen der Staatsanleihen mitunter auf ein Niveau gedrückt hatten, das rund acht Prozent der Bonds vom EZB-Kaufprogramm ausschloss, füllte der jüngste Kursrückgang den Vorrat wieder auf. Diese Korrektur erleichtert dem EZB-Präsidenten und seinen Kollegen ihre Aufgabe, während sie sich auf einen Engpass vorbereiten - im August verflüchtigt sich gewöhnlich die Marktliquidität.

Die Währungshüter waren bislang in der Lage, ihr monatliches Ankaufziel von 60 Milliarden Euro an Wertpapieren zu erreichen, das mindestens bis September kommenden Jahres laufen soll. Einige kleinere nationale Notenbanken hatten aber bereits Schwierigkeiten, genügend Anleihen zum Kauf zu finden. Das schürt Spekulationen, dass die Aufgabe der EZB schwieriger wird, weil der Mangel an Anleihen im Laufe der Zeit durch die Anstrengungen der Regierungen zum Abbau ihrer Haushaltsdefizite noch verschlimmert wird.

„In den Sommermonaten geht es tendenziell sehr ruhig zu, mit schlechterer Liquidität und beträchtlich weniger Anleiheemissionen“, sagte Michael Riddell, Portfoliomanager bei M&G in London. „Bislang schien die EZB entschlossen genug, sich weiter durchzubeißen, egal wie die Marktlage aussah. Eine Änderung des Tempos der Ankäufe ist möglich, aber wohl eher unwahrscheinlich.“

Seit 2008, als der Zusammenbruch von Lehman Brothers zur globalen Finanzkrise führte, hat in sechs von sieben Jahren das Volumen der im August gehandelten Bund-Futures unter dem Monatsschnitt gelegen. Der Indikator für die Liquidität signalisiert bereits jetzt eine abnehmende Aktivität: Die Handelsvolumina erreichten im vergangenen Monat den niedrigsten Stand seit Dezember, womit es der schwächste April seit dem Jahr 2000 war.

Im Sommer seien die Märkte gewöhnlich weniger liquide, erklärt Bundesbank-Vorstand Joachim Nagel. Dies gelte sogar für das Segment der Staatsanleihen.

Dünnere Volumina verschärften den Verfall an den Anleihemärkten in den vergangenen drei Wochen, der die deutsche Renditekurve so steil werden ließ wie seit fünf Monaten nicht mehr. An den globalen Rentenmärkten wurden mehr als 400 Milliarden Dollar an Wert vernichtet.

„Es wäre absolut sinnvoll, wenn die EZB ihre Käufe an Nettoangebot und Liquidität anpassen würde - der Markt würde das verstehen und wäre wahrscheinlich sogar erleichtert“, sagt Karsten Junius, Chef-Volkswirt bei Bank J Safra Sarasin in Zürich. „Sie müssten nur vor dem Sommer einen Hinweis darauf geben, damit der Markt nicht davon überrascht wird und es als Reduzierung interpretiert.“

Die EZB hat sich bereits in der Vergangenheit flexibel gezeigt. So wurde die vorzeitige Rückzahlung langfristiger Kredite zum Ende der vergangenen beiden Jahre aufgrund der zu erwartenden niedrigen Zinsen ausgesetzt. Zudem haben EZB- Entscheider wie Direktoriums-Mitglied Yves Mersch angedeutet, dass das Tempo bei den Zukäufen je nach Inflationsausblick angepasst werden könnte.

Im Moment hilft der Ausverkauf an den Anleihemärkten der EZB, was auch Bundesbank-Vorstand Nagel bestätigte. Die Kursentwicklungen der vergangenen Wochen ist seinen Worten nach begrüßenswert, weil sich damit das Spektrum der Vermögenswerte erweitert habe. Die EZB kauft Staatsbonds mit Laufzeiten zwischen zwei und 30 Jahren mit einer Rendite, die nicht unter ihrem Einlagensatz von derzeit minus 0,2 Prozent liegen darf.

Vor dem Kursrutsch waren deutsche Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von bis zu vier Jahren unzulässig für das Programm, ebenso wie zweijährige Papiere aus Ländern wie Österreich, Belgien, Finnland und den Niederlanden. Zum 23. April erfüllten Anleihen im Wert von 548 Millarden Dollar am 6,2 Billionen Dollar schweren Markt nicht die Voraussetzungen, um im Rahmen des QE- Programms erworben zu werden. Vergangene Woche belief sich der Wert der Anleihen mit Renditen unter dem Einlagensatz nur noch auf 183 Milliarden Dollar.

„Wir könnten das als etwas Positives betrachten, da der EZB mehr zum Ankauf zur Verfügung steht“, sagte Richard McGuire, Leiter europäische Zinsstrategie bei Rabobank International in London. „Doch auch der gesamte Marktumfang ist gesunken“ und das bedeute, dass die EZB früher an ihre Grenzen stoßen könnte.

Kleinere Staaten haben bereits damit Probleme, genügend Staatsanleihen zu finden. Estland kauft zum Beispiel überhaupt keine. Lettland und Litauen erwerben proportional betrachtet weniger, als sie eigentlich sollten, und gleichen die Lücke mit dem Erwerb von Anleihen supranationaler Institutionen - wie den Rettungsfonds ESM und EFSF - aus.

Angesichts der Möglichkeit, dass auch anderen Ländern ähnliche Herausforderungen bevorstehen könnten, schloss Draghi eine Nachoptimierung des QE-Programms nicht aus.

„Auch wenn es derzeit keinen Grund gibt, die Zusammensetzung der Ankäufe zu ändern, ist das Programm doch flexibel genug, um angepasst zu werden“, schrieb der EZB-Chef in einem Brief an einen europäischen Abgeordneten, der am 8. Mai veröffentlicht wurde. Der Kaufplan „geht reibungslos voran“ und „Sorgen über die Knappheit an Anleihen sind daher zu diesem Zeitpunkt nicht gerechtfertigt“, erklärte Draghi.

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