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Investieren nach ESG-Kriterien Gutes unterstützen und gute Erträge sichern – (k)ein Widerspruch für Anleger?

Daniel Lösche, Investmentstratege bei Schroders
Daniel Lösche, Investmentstratege bei Schroders
Die Ölkatastrophe der Deepwater Horizon hat sich zum fünften Mal gejährt. Beim Einsturz des Rana Plaza in Bangladesch kamen mehr als 1.100 Menschen ums Leben. Und die wahren Ausmaße des LIBOR-Skandals werden jetzt erst wirklich deutlich. Das sind drei mehr oder minder zufällig gewählte Beispiele, die jedoch eines ganz deutlich machen: Umwelt- und Sozialkriterien sowie Ansprüche an die verantwortungsvolle Unternehmensführung sind heute wichtiger denn je. Ignoriert ein Unternehmen diese „Environment, Social, Governance“-Kriterien, kurz ESG, können sich daraus ernste Folgen ergeben. Denn ohne jede Rücksicht – auch auf Verluste – nur eigene Interessen zu verfolgen. Wer das tut, riskiert tief zu fallen. Ein Beispiel: Nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko hatte sich der Kurs von BP innerhalb kürzester Zeit mehr als halbiert. Und zum gegenwärtigen Zeitpunkt wurden die fünf in die Zinsmanipulationen verwickelten Banken zu Strafzahlungen von insgesamt rund 3,6 Milliarden Euro verurteilt.

Allen Schäden für den guten Ruf eines Unternehmens und den unmittelbaren wirtschaftlichen Aus-wirkungen zum Trotz: Viele Anleger sehen in nachhaltigen Investitionen eher ein Thema für „esoterische Weltverbesserer“. Doch es geht um viel – wer das verkennt, lässt möglicherweise ganz real Erträge liegen. Denn wissenschaftliche Untersuchungen legen einen Schluss nahe: Nachhaltiges Anlegen nach ESG-Kriterien scheint in vielerlei Hinsicht den traditionellen Ansätzen überlegen zu sein.

Ende 2014 erschien zu diesem Thema als Gemeinschaftsprojekt der Universität Oxford und Arabesque Asset Management eine umfassende Studie. Sie fasst die Ergebnisse von insgesamt 190 wissenschaftlichen Arbeiten zusammen. Die Autoren betrachteten verschiedene Kenngrößen für die Performance eines Unternehmens. Das wichtigste Ergebnis vorweg: Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen scheinen ihren traditionell denkenden Mitbewerbern überlegen zu sein.

Nachhaltigkeit und Kapitalkosten

Mehr als 90 Prozent der untersuchten Studien kommen zu dem Ergebnis, dass ESG-Standards die Kapitalkosten eines Unternehmens senken können. Eine nachweislich verantwortungsvolle Unternehmensführung senkt die Kosten für Fremdkapital: Das überrascht Sie nicht? Weniger offenkundig ist jedoch, dass hohe Umwelt- und Sozialstandards zu ähnlichen Ergebnissen führen können. Neuesten Studien zufolge scheint sich diese Vermutung zu bestätigen.

Denn Unternehmen, deren Geschäft mit höheren Umweltrisiken verbunden ist, müssen deutlich höhere Zinsen aufbringen, wenn sie Fremdkapital aufnehmen. Als ein Beispiel mag die Papierindustrie dienen, bei der giftige Substanzen und Abfälle zum normalen Geschäftsbetrieb gehören. In der Folge werden bei Unternehmensanleihen wesentlich höhere Risikoaufschläge fällig als bei vergleichsweise ungefährlichen Branchen. Diese Tendenz bestätigen auch Ratingagenturen.

Sind ESG-Kriterien glaubwürdig in der Unternehmensstrategie verankert, verbessert dies in aller Regel auch die Bewertungen. Auch umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die zehnjährigen Unternehmensanleihen von BP beweisen es. Gemessen an Credit Default Swaps liegt der Risikoaufschlag auch fünf Jahre nach der Ölkatastrophe bei über 100 Basispunkten – das entspricht ungefähr einer Verdoppelung im Vergleich zu den Werten vor dem April 2010.

Ähnlich verhält es sich den Ergebnissen zufolge auch mit den Eigenkapitalkosten. Eine der Studien nennt für Unternehmen mit guter Corporate Governance einen Kostenvorteil zwischen 0,8 und 1,3 Prozent. Eine weitere Studie verweist auf um 1,8 Prozent gesunkene Kosten, nachdem ein Unternehmen erstmalig einen Bericht zur unternehmerischen Verantwortung veröffentlicht hat.

Nachhaltigkeit und operative Performance

Auch unternehmensintern zeigen sich große Unterschiede zwischen nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen und solchen, die ESG-Kriterien keine weitere Aufmerksamkeit schenken. So ergaben 88 Prozent der untersuchten Studien, dass nachhaltige Ausrichtung und operativer Erfolg direkt zusammenhängen. Es mag auf der Hand liegen: Schlanke Prozesse, übersichtliche Verwaltungsgremien und durchdachte Gehaltsmodelle für das Management schlagen sich direkt im unternehmerischen Erfolg nieder. Weniger offensichtlich ist jedoch die Tatsache, dass sich angemessene Umweltstandards ebenfalls positiv auswirken. Insbesondere drei Faktoren versprechen bessere wirtschaftliche Ergebnisse: höhere Umweltstandards einhalten, Emissionen reduzieren sowie Abfälle konsequent vermeiden.

Nachhaltigkeit und Kursentwicklung

Bei der Kursbetrachtung zeigt sich ganz offenkundig, ob sich ESG-Kriterien für Anleger wie für Unternehmen auszahlen. Kaum überraschend steht gute Unternehmensführung in direktem Zusammenhang mit der Wertentwicklung der jeweiligen Aktie. Bereits 2003 wiesen US-Forscher diesen Zusammenhang in der Praxis nach. Anhand eines Musterportfolios für die Jahre 1990 bis 1999 konnten sie zeigen, dass sich „angemessene“ Rechte für die Anteilseigner gegenüber „weniger angemessenen“ mit einem Renditevorsprung von 8,5 Prozent niederschlugen. Hierbei berücksichtigten sie auch, ob die Unternehmen jeweils Vorkehrungen gegen mögliche Übernahmen getroffen hatten.

Denn von solchen Maßnahmen weiß man, dass sie offensichtlich Auswirkung auf die Höhe des Kurses haben. Weniger offensichtlich sind allerdings die Auswirkungen guter Mitarbeiterbeziehungen auf den Aktienkurs. Eine Untersuchung der Wharton School widmete sich dem Ranking „100 Best Companies To Work For“ des amerikanischen Wirtschaftsmagazins Fortune. Die Unternehmen auf dieser Bestenliste sind auch als Arbeitgeber hochgeschätzt. Für die Jahre 1984 bis 2011 lagen ihre Ergebnisse jeweils zwischen 2,3 und 3,8 Prozent höher als der Branchendurchschnitt.

Somit liegt nahe, dass der Faktor Mensch entscheidend zum Erfolg eines Unternehmens beiträgt. Die Zufriedenheit und Loyalität der Mitarbeiter sollte daher unbedingt als strategische Größe betrachtet werden. Denn ein Unternehmen wird es kaum schaffen, mit einer freundlichen Geste zu Weihnachten für langfristige Bindung zu sorgen.

Abbildung 1: Nachhaltige Portfolios können die Vergleichsgruppe schlagen und mehr Rendite erzielen