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Robeco-Marktkommentar Weltwirtschaft auf dem Weg zu alter Normalität

Léon Cornelissen, Chefvolkswirt bei Robeco
Léon Cornelissen, Chefvolkswirt bei Robeco
Es gibt Analysten die sagen, dass wir in einer neuen Ära von strukturell niedrigem Wachstum angekommen sind und nie mehr zu alter Normalität zurückkehren werden. Der jetzige Zustand sei ihrer Auffassung nach die neue Normalität. Solch düstere Einschätzungen scheinen mir jedoch viel mehr aus einer verkaterten Stimmung nach der Finanzkrise zu resultieren, als eine realistische Einschätzung zu sein.

In Wirklichkeit ist der Weg von einer boomenden Wirtschaft in eine Wirtschaftskrise als viel natürlicher anzusehen als ein beständiges, langfristiges Wachstum. Wir haben ja nicht nur den schwersten wirtschaftlichen Abschwung seit den 1930er Jahren gesehen. Die Besonderheit war, dass es sich eben nicht nur um eine schwere Finanzkrise, sondern gleichzeitig auch um eine schwere Wirtschaftskrise gehandelt hat. Wer jedoch bereits eine sogenannte säkulare Stagnation prognostiziert, muss im Blick haben, dass die vollständige wirtschaftliche Erholung im jetzigen Fall mehr Zeit braucht.

In fünf bis zehn Jahren wieder auf dem Stand von 2008?


Man darf nicht den Fehler machen, die extremen Ereignisse als normal anzusehen. Zwar wären Zinsraten bei oder nahe Null bisher beispiellos – von Japan einmal abgesehen. Die Gefahr einer Deflation nach Jahren der Sparpolitik in der EU besteht jedoch zum ersten Mal seit den 1970ern wieder. Und eine derart lockere Geldpolitik seitens der Zentralbanken hat in diesem Umfang seit der Großen Depression nicht mehr stattgefunden.

Konkret gehe ich davon aus, dass die Wachstumsraten in den USA wieder 2,75 Prozent und in der EU etwas weniger als 1,75 Prozent erreichen werden. Die Zinsraten sollten wieder ansteigen, sobald das Wirtschaftswachstum steigt. Die langfristigen Zinsen werden wieder bei fünf Prozent liegen – was die alte und nun die neue Normalität ist. Was die Inflationsrate betrifft gehe ich davon aus, dass es noch fünf bis zehn Jahre dauern wird, bis die gesunde Rate von drei Prozent wieder erreicht werden kann.

Strukturelle Probleme weiterhin vorhanden


Einige strukturelle Probleme werden jedoch noch länger Bestand haben. Es gibt viele Möglichkeiten für Investments in die Infrastruktur. Wir sehen derzeit aber weltweit einen Mangel an Investitionen. Daran sieht man, dass die echte wirtschaftliche Erholung noch nicht eingesetzt hat. Der Erholungsprozess dauert vielleicht ungewöhnlich lange, für Pessimismus ist es noch viel zu früh.

Mit strukturellen Schwächen hat auch die EU zu kämpfen. Ihr Problem ist, dass sie vielmehr eine Wirtschaftsunion als eine politische Union mit Zentralregierung ist – im Gegensatz zu den USA. Wenn eine Bank in Florida zahlungsunfähig wird, springt die amerikanische Bundesregierung ein. Wenn aber ein Geldinstitut in Italien insolvent ist, steht die lokale Regierung mit dem Risiko meistens so gut wie alleine da.

Wir brauchen ein Ende der Sparpolitik, um wieder mehr Wachstum zu generieren. So können die Industrieländer sich ihren Weg aus den aktuellen Problemen bahnen. Denn die Defizite sind immer noch hoch und der Schuldenabbau geht nur langsam voran. Wir machen jedoch beständige Fortschritte auf dem Weg zu alter Normalität.

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