Langfristiger Vermögenserhalt Schützen Aktien wirklich vor Inflation?
Es heißt, Aktien schützen vor Inflation – und in der Theorie macht das auch Sinn: Steigende Preise führen bei den Unternehmen zu höheren Umsätzen. Bei unveränderten Margen steigt der Gewinn, was sich für die Anteilseigner:innen wiederum in Form höherer Dividenden und Aktienkurse auszahlt. Das Problem: Grau ist alle Theorie.
Dass Aktien grundsätzlich vor Inflation schützen, ist eine falsche Annahme“, sagt Dominikus Wagner, Portfoliomanager des Wagner & Florack Unternehmerfonds. Denn: Voraussetzung dafür sei, dass die Unternehmen die höheren Preise für Energie und Vorprodukte beziehungsweise Rohstoffe auch an die Konsument:innen weitergeben können. „Das gelingt nicht vielen Firmen“, sagt Wagner. Und tut es das nicht, geraten die Margen und damit die Gewinne unter Druck – was sich entsprechend negativ im Börsenkurs widerspiegelt. Mit Inflationsschutz sieht es dann schlecht aus.
Auf die Preissetzungsmacht achten
Um der Inflation ein Schnippchen zu schlagen, braucht es aus seiner Sicht Aktien von Unternehmen mit einer starken Preissetzungsmacht. Diese ergebe sich aus einem schwer angreifbaren Geschäftsmodell. Das heißt: Firmen mit erfolgreichen Marken, qualitativ hochwertigen Produkten, einer hohen Innovationskraft und einer starken Stellung am Markt. Gleichzeitig favorisiert Wagner weniger kapitalintensive Firmen mit hohen Skaleneffekten.
Diese findet der Portfoliomanager insbesondere in den Branchen Basiskonsumgüter. Ins Portfolio kommen aus diesem Bereich allerdings nur wettbewerbsüberlegene Firmen, die durch einen hohen Anteil an Premiummarken höhere Preise durchsetzen können. Beispiele sind Nestlé, Procter & Gamble oder L’Oréal. Fündig wird Wagner für seinen Unternehmerfonds auch in einem Bereich, den er „Consumer-Tech“ nennt: Robust und stark wachsende und zugleich margenstarke Technologieunternehmen mit konsumentennahen Geschäftsmodellen wie Apple, Alphabet oder Visa. Diesen könnten zeitweise erhöhte Inflationsraten sogar langfristig zugutekommen: „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Preissteigerungen in der Regel nicht zurückgenommen werden“, sagt Wagner. Daher könnten inflationäre Phasen langfristig sogar zu einer Margenausweitung führen.
Nicht jede Aktie schützt vor Inflation
Benjamin Bente, Gründer und Geschäftsführer von Vates Invest hält die pauschale Aussage, dass Aktien vor Inflation schützen, ebenfalls für einen weit verbreiteten Irrtum: „Anleger sollten sich auf einen grundsätzlichen Inflationsschutz durch Aktien nicht verlassen.“ Wie Dominikus Wagner verweist er darauf, dass die Marktstellung dabei eine große Rolle spielt: „Steigen die Inputpreise für Unternehmen sehr dynamisch, so werden nur jene Unternehmen mit starker Preissetzungsmacht in der Lage sein, die gestiegenen Kosten an die Konsumenten weiterzugeben.“ Die große Mehrzahl der Unternehmen hingegen werde mittelfristig eher unter dieser Entwicklung leiden. Das verdeutliche ein Blick in die USA der 70er-Jahre. Bente: „Hohe Inflationswellen wurden seinerzeit von mehreren, heftigen Bärenmärkten begleitet.“
Neben Aktien von Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht rät Bente zu inflationssensitiven Aktien wie Rohstoffwerten und „Klassikern“ wie Gold und Immobilien. Auch Kryptowährungen könnten sich anbieten. „Diese Assetklasse ist zwar nur sehr bedingt krisenerprobt, fängt jedoch an sich zu etablieren.“
Substanzaktien können die Inflation ausgleichen
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Felix Schleicher, Portfoliomanager des MMT Global Value ergänzt: „Value-Aktien mit Substanz waren nach Studien der beste Schutz in Phasen mit hoher Inflation.“ Das habe sogar in extremen Zeiten wie der Hyperinflation in Deutschland vor 100 Jahren funktioniert.
Substanzwerte glichen die Inflation gut aus, da ihr Wert mit nach oben gehe. „Sehr stark profitieren auch Rohstoffproduzenten, da steigende Rohstoffpreise ein wichtiger Inflationstreiber sind. Banken können bei steigenden Zinsen ihre Zins-Marge ausbauen. Substanzarme Technologieunternehmen gehören dagegen zu den großen Verlierern in diesem Umfeld“, sagt Schleicher.
Grundsätzlich ist Inflation aus seiner Sicht nicht schlecht, zumindest besser als Deflation. „Mein Mentor André Kostolany bezeichnete Inflation als Schmiermittel für die Wirtschaft. Notenbanken sollten natürlich nicht zu schnell Zinsen signifikant anheben, das schadet allen, Aktien und Anleihen.“ Ein solches Szenario sei aber auch nicht in Sicht.
Schleicher rät angesichts der höheren Inflationsraten zu Value-Aktien oder Value-Fonds im Portfolio. Etwas Gold oder Goldminenaktien wären ebenso wie Rohstoffaktien eine Option.
Profitabilität spielt für den Inflationsschutz eine große Rolle
Bert Flossbach, Gründer und Vorstand von Flossbach vom Storch, hat sich in der aktuellen Ausgabe des hauseigenen Anlegermagazins Position mit der Frage beschäftigt, wie Anleger:innen ihr Vermögen vor der Inflation bewahren können. Er schreibt: „Solange davon auszugehen ist, dass der Realzins sicherer Anleihen negativ bleibt, sind Aktien die einzige liquide Anlageklasse, die dem Anleger neben laufenden Erträgen die Aussicht auf einen realen Wertzuwachs bietet.“ Dabei schränkt auch er ein: „Diese Eigenschaft gilt nicht pauschal für alle Aktien, da sie die Fähigkeit voraussetzt, seine Preise und/oder Mengen so zu erhöhen, dass der Preis mindestens so stark ansteigt wie die Inflation.“ Denn dann würde die Aktie bei unveränderter Bewertung mindestens mit der Inflationsrate steigen und ihren realen Wert erhalten oder erhöhen.“
Eine besondere Rolle spiele dabei die Profitabilität: „Hochprofitable Unternehmen haben mehrere Möglichkeiten, ihre Kundenbeziehungen zu festigen und neue Kunden zu gewinnen. Sie können zeitweise höhere Preise für knappe Vorprodukte zahlen, einen höheren Beschaffungsaufwand akzeptieren, um lieferfähig zu bleiben, und Preiserhöhungen bewusst hinausschieben, um neue Kunden zu gewinnen. Im Wettbewerb um motiviertes und qualifiziertes Personal können sie höhere Gehälter zahlen und zusätzliche Leistungen anbieten.“ Wenig profitable Unternehmen hätten diese Möglichkeiten nicht.
Technologieaktien leiden weniger unter Inflation
Eine große Herausforderung seien die kräftig gestiegenen Energiekosten und Engpässe bei Vorprodukten für material- oder energieintensive Unternehmen. „Technologieunternehmen, insbesondere solche mit einem hohen Softwareanteil, leiden naturgemäß weniger unter Inflation“, schreibt Flossbach. Der wichtigste Werttreiber sei das überdurchschnittliche Umsatzwachstum. Die jüngsten Kursverluste von Technologieaktien seien daher weniger auf die steigende Inflation, sondern eher auf die daraus abgeleitete Angst vor steigenden Zinsen zurückzuführen.
Insgesamt beurteilt er die Technologiebranche weiterhin positiv: „Durch die weiter voranschreitende Digitalisierung bietet der Technologiesektor das größte Wachstumspotenzial.“ Dabei sei er heute umfassender zu verstehen als in der Vergangenheit: „Inzwischen gehören neben klassischen Soft- und Hardwareanbietern sowie Plattformen auch Unternehmen aus dem Industriesektor und der Medizintechnik, Zahlungsdienstleister und teilweise auch Hersteller langlebiger Konsumgüter zu dieser Kategorie.“ Unternehmen aus diesen Sektoren böten ihren Aktionären die Aussicht auf einen realen Wertzuwachs des investierten Kapitals.