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Assenagon-Chefvolkswirt Martin Hüfner „Der 29. Mai 2018 wird in die Geschichte des Euro eingehen“

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Das bedeutet: Die Unruhen der letzten Tage im Zusammenhang mit den Ereignissen in Italien sind keine vorübergehende Verirrung oder Übertreibung des Marktes. Wir leben von nun an nicht mehr in der geordneten Welt der Maastricht-Verträge, sondern in der Welt einer – wenn man so will – "populistischen Währungsunion". Der Euro und die europäischen Banken werden verletzlicher gegenüber Vertrauenskrisen und internationalen Kapitalbewegungen. Der Vorteil des Euro gegenüber dem früheren Festkurssystem von Bretton Woods ist dahin.

Ist das nicht zu pessimistisch? Amerika ist mit Trump bisher ganz gut ausgekommen. Es gab zwar mehr Unsicherheit, aber die Finanzmärkte funktionierten nach wie vor ordentlich. Europa unterscheidet sich in dieser Hinsicht aber in einem Punkt ganz entscheidend: Die gemeinsame Währung und das Institutionengefüge Europas sind bei weitem noch nicht so gefestigt wie die der USA. Es ist einer der großen Vorzüge Amerikas, dass es auch einen Trump aushalten kann. Bei Europa bin ich da nicht so sicher. Es ist noch zu jung.

Zinsen durchliefen drei Phasen

Die neuen Gegebenheiten haben auch Konsequenzen für die Zinsen im Euroraum. In der Grafik sind für das Verhältnis Deutschlands und Italiens drei Phasen erkennbar. Die erste war die Zeit vor der Währungsunion, in der die Differenz der beiden Zinsen sehr groß war. Die hohen Zinsen in Italien waren damals mit ein Grund, weshalb sich Italien dem Euro anschloss.

Dann kam nach der Einführung der Gemeinschaftswährung ein fast völliger Gleichlauf der Zinsen. Der Spread war minimal. Er war nach allgemeiner Meinung viel zu gering, um die Risikounterschiede ausreichend widerzuspiegeln. Insofern waren alle froh, dass er – das war dann die Phase Drei – nach der Finanzkrise 2008/2009 wieder anstieg.

Jetzt kommt die vierte Phase. Der Spread zeigt jetzt nicht nur die unterschiedlichen volkswirtschaftlichen Gegebenheiten, sondern darüber hinaus auch den Grad des Populismus in den einzelnen Ländern. Je größer die Wahrscheinlichkeit, dass ein Land sich nicht an die Regeln hält beziehungsweise den Euro in Frage stellt, desto höher der Spread. Im Augenblick ist er nach den Aufregungen der letzten Tage etwas geringer geworden. Er wird sich aber wieder ausweiten. Das gilt auch für andere Länder, wenn dort der Populismus Platz greift.

Für den Anleger

Wenn die Zinsen steigen, fallen die Kurse der Anleihen und der Investor macht Verluste. Schon seit einiger Zeit rate ich beim Kauf von Bonds vorsichtig zu sein. Andererseits: Je höher die Zinsen, umso interessanter werden die Kupons wenn man die Papiere über die ganze Laufzeit hält. Vor allem bei Anleihen von Unternehmen und Emerging Markets kann man inzwischen ordentliche Renditen erzielen. Allerdings sind solche Papiere mit Emittenten- und eventuell auch mit Währungsrisiken verbunden.

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