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Ausblick Ölpreiseinbruch – ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk für die Verbraucher?

Virginie Maisonneuve, CIO Global Equities bei Pimco
Virginie Maisonneuve, CIO Global Equities bei Pimco
Die Ölpreise sind in den vergangenen Monaten um mehr als 40 US-Dollar je Barrel gefallen. Denn die steigende Förderung in den USA, die sich abschwächende Weltwirtschaft und die Entscheidung der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), ihren Marktanteil zu schützen, haben dem Rohstoff einen perfekten Sturm beschert. Doch während diese Entwicklung für die Industrie mit einigen Herausforderungen verbunden ist, wird sie für viele Verbraucher in aller Welt wahrscheinlich ein Segen sein, da sich hierdurch das verfügbare Einkommen erhöht. Zudem dürfte dies Sektoren und Unternehmen zugutekommen, bei denen diese Verbraucher im Mittelpunkt stehen.

Diese Goldgrube wird allerdings nicht gleichmäßig zugänglich sein. Deswegen ist es für Anleger wichtig, Länder genauer unter die Lupe zu nehmen, die vom höheren Konsum oder von der geringeren wirtschaftlichen Abhängigkeit von Ölexporten profitieren. Ein höheres Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und eine niedrigere Inflation sind die wichtigsten Transmissionsmechanismen.

Deutliches BIP-Wachstum für Südafrika, Thailand und die Philippinen

Im Handel werden ölexportierende Länder wie Norwegen, wo sich die Ölexporte auf rund 20 Prozent des BIP belaufen, und Russland die Verlierer sein. Auf der Gewinnerseite werden sich die deutlich niedrigeren Ölpreise auf Nettoimporteure wie Korea, China, Japan, Indien und Thailand positiv auswirken. In Südafrika und Thailand sowie auf den Philippinen bedeutet der Rückgang der Ölpreise um 25 US-Dollar je Barrel einen halben bis einen Prozentpunkt BIP-Wachstum. Sogar in den USA schlägt der um 25 US-Dollar pro Barrel rückläufige Ölpreis mit einem Viertel Prozent BIP-Wachstum zu Buche – in Anbetracht der Größe der Wirtschaft keine unerhebliche Zahl.

Der Verbraucherpreisindex (VPI) ist ein bedeutender Faktor. Dieser spiegelt den Anteil des Verbrauchereinkommens wider, der für Kraft- und Brennstoffe ausgegeben wird. Niedrigere Ölpreise haben zwar Einfluss auf den VPI in allen Ländern. Geringer werden die Auswirkungen jedoch in Volkswirtschaften wie Hongkong und Singapur sein, in denen Energie im VPI schwächer gewichtet ist.

Ein anderes, aber wichtiges Maß dafür, wie Ölpreise auf Verbraucher durchschlagen, ist die Verbreitung von Subventionen und die steuerliche Behandlung von Kraft-und Brennstoffen. Je höher der Steuersatz, desto geringer die Rolle, die der Ölpreis spielt. In Niedrigsteuerländern wie den USA und Kanada ist der Effekt proportional größer. Denn die Ölkosten stellen einen größeren Anteil des Preises an der Zapfsäule dar. Das Gegenteil gilt für Länder mit hohen Mineralölsteuern wie die Türkei, die Niederlande und Großbritannien.

In einigen Ländern dürfte eine Kombination aus hoher Energiegewichtung im VPI und begrenzter Besteuerung einen stärkeren Impuls für die verfügbaren Einkommen bewirken. So werden die USA, Spanien und Griechenland profitieren, weil Energie im VPI eine große Rolle spielt und weil zwischen VPI und Ölpreis eine relativ hohe Korrelation besteht. Im Gegensatz dazu profitieren Länder wie Singapur weniger, weil Öl hier höher besteuert wird, was den Nutzen von niedrigeren Ölpreisen in Grenzen hält. Außerdem trägt Energie nicht in erheblichem Umfang zum VPI bei.

Verfügbares Einkommen in den USA auf niedrigstem Stand seit über 35 Jahren

In den USA liegt der Anteil des verfügbaren Einkommens, der für feste Posten wie Hypotheken, Essen und Energie ausgegeben wird, auf dem niedrigsten Stand seit mindestens 35 Jahren. Seit der Finanzkrise haben Verbraucher Schulden abgebaut, wobei ihnen niedrigere Zinsen zu Hilfe kamen. Nun dürften niedrigere Ölpreise weitere Impulse für die Verbrauchereinkommen liefern, weil sie die Energiekosten senken.

Generell dürfte dies verbraucherorientierten Unternehmen zugutekommen. Wir schätzen Unternehmen im Bereich zyklischer Konsumgüter positiv ein. Hierzu zählen auch Automobile und Automobilkomponenten, langlebige Konsumgüter und Bekleidung, Hotels, Restaurants und Freizeitunternehmen sowie Medien und der allgemeine Einzelhandel. Unternehmen im Industriesektor (Investitionsgüter, Verkehr, kommerzielle Dienstleistungen und Waren) werden von den niedrigeren Einstandskosten profitieren, was die Gewinnmargen unterstützt.

Asiatische Verbraucher profitieren am meisten

Asiatische Verbraucher werden am meisten profitieren, weil die Region der größte Ölimporteur ist. Singapur, Hongkong, Korea, Taiwan und Thailand importieren am meisten Öl. Niedrigere Ölpreise führen von daher zu besseren Handelsbedingungen, niedrigeren fiskalischen Lasten und besseren Inflationsverläufen für asiatische Länder. In Asien scheint der zyklische Konsumgütersektor gut aufgestellt zu sein. Dies gilt sowohl unter dem Rohstoffaspekt als auch in Anbetracht von förderlichen Bewertungen. Dazu gehören Bereiche wie Automobile, Elektronikerzeugnissen und Reisen.

In Ländern, in denen eine hohe Schuldenlast auf den Haushalten liegt – zum Beispiel in Korea –, ist ein Umfeld niedrigerer Zinsen weiterhin von Vorteil. Die Zinsen in Korea werden wahrscheinlich ein weiteres Mal gesenkt. Dies wird Verbrauchern vermutlich bei einer Bewältigung ihrer Zinslast helfen. Eine geringere Belastung der Verbraucher durch die Energiekosten stellt dabei nun das Sahnehäubchen dar.

„Öl dürfte 2015 über den Verbraucher einen positiven Beitrag zum BIP-Wachstum leisten“

Angesichts der Tatsache, dass 60 Prozent des gesamten BIP an den Verbrauchern hängen, stellen die Auswirkungen, die nachhaltig niedrigere Ölpreise auf die Weltwirtschaft haben werden, einen wichtigen Faktor dar, den Anleger berücksichtigen sollten.

In der langfristigen Einschätzung unter dem Stichwort „Die neue Neutralität“ erwarten wir, dass Wachstum und Inflation weiterhin verhalten bleiben und niedrigere Realzinsen als je zuvor zur Folge haben. Vieles deutet darauf hin, dass Öl 2015 über den Verbraucher einen positiven Beitrag zum BIP-Wachstum leisten wird: Veränderungen bei Angebot und Nachfrage auf den Energiemärkten einschließlich Schieferöl und -gas in Verbindung mit den zunehmenden Auswirkungen von Energieeffizienz sowie Verpflichtungen zu höheren Anteilen von erneuerbaren Energien aufgrund der Probleme durch den Klimawandel.

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