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Wisdomtree-Spezialist Nitesh Shah Silber: Warum die Sterne für den kleinen Bruder von Gold günstig stehen

Silber der Khmer, Silberschmuck, Kambodscha, Südostasien, Asien
Silberschmuck der Khmer aus Kambodscha: Der Silberpreis dürfte sich im laufenden Jahr besser entwickeln als Gold, meint Anlagespezialist Nitesh Shah. | Foto: Imago Images / imagebroker

Im Vergleich zu Gold hat sich Silber zuletzt unterdurchschnittlich entwickelt. Während Gold 2023 ein Allzeithoch erreichte, fiel der Silberpreis um 0,65 Prozent. Das ist überraschend, wenn man bedenkt, wie sehr die Nachfrage nach Silber in industriellen Anwendungen gestiegen und das Angebot des Metalls 2023 zurückgegangen ist. Die Nachfrage von Investoren eingerechnet hat das Metall drei Jahre lang in Folge Angebotsdefizite verzeichnet – mit einem Rekord-Defizit (253 Millionen Unzen) im Jahr 2022 und dem zweithöchsten Defizit 2023 (194 Millionen Unzen).

Klammert man physische Nettoinvestitionen aus, verzeichnete Silber nach Berechnungen von Wisdomtree 2023 einen Überschuss – wenn auch einen vergleichsweise geringen.

Abbildung 1: Saldo am Silbermarkt

Abbildung-1-Saldo
Quelle: Silver Institute, Wisdomtree

Vorläufige Schätzungen für 2023 vom November 2023. *Wie im November gemeldet. Aus einer Pressemitteilung vom Januar 2024 geht aber hervor, dass das Defizit mit 194 Millionen Unzen höher war. Das deutet darauf hin, dass das Angebot geringer und die Nachfrage höher war als im November geschätzt. **Schätzung Wisdomtree

Verhältnis von Gold zu Silber

Die Entwicklung des Verhältnisses von Gold zu Silber (Abbildung 2) deutet darauf hin, dass Gold mehr Unterstützung durch geopolitische Risiken, Sorgen über Verschuldung und eine beispiellose Nachfrage seitens der Zentralbanken erfährt. Silber – das oft als gehebelte Goldwette gilt – ist dagegen weniger ein defensiver, sicherer Hafen.

Die perspektivisch erwarteten Zinssenkungen der Zentralbanken sind voraussichtlich ein wichtiger Katalysator für Gold. Sie könnten die historisch starke Korrelation zwischen den Edelmetallen im laufenden Jahr wiederherstellen. Da Zinssenkungen aber vorerst in fernere Zukunft gerückt sind und die Geopolitik in den Mittelpunkt tritt, könnte Gold vorerst die Oberhand behalten. 

Abbildung 2: Verhältnis von Gold zu Silber

Abbildung 2: Verhältnis von Gold zu Silber
Quelle: WisdomTree, Bloomberg, 1. Juni 1990 – 5. Feb. 2024. SD = Standardabweichung

Industrielle Nachfrage nach Silber

Die industrielle Nachfrage nach Silber hat einen neuen Höchststand erreicht (Abbildung 3), angetrieben durch die Nachfrage im Bereich Fotovoltaik und die zunehmende Verwendung von Silber in der 5G-Technologie und der Elektronik in Autos. Allein die Unterhaltungselektronik war 2023 ein Bereich mit einer relativ schwachen Silbernachfrage. Da aber Anwendungen der künstlichen Intelligenz im Jahr 2024 zunehmen werden, erwarten wir einen Anstieg der Silbernachfrage auch in diesem Segment.

Abbildung 3: Industrielle Nachfrage nach Silber

Industrielle Nachfrage nach Silber
Quelle: Silver Institute, Wisdomtree, November 2023

Anlagen

Die Investitionsnachfrage nach Silber lag 2023 in der Nähe des Durchschnittswerts seit 2013, aber unter dem Höchstwert von 2022 (Abbildung 4). 

Abbildung 4: Investmentnachfrage nach Silber

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Abbildung 4: Investmentnachfrage nach Silber
Quelle: Silver Institute, WisdomTree, November 2023

Der Großteil dieser Anlagen dürfte auf Privatanleger entfallen. Betrachtet man den Londoner Freiverkehrsmarkt, die Hauptstütze der institutionellen Nachfrage, brach der Silberbestand in Tresoren im Jahr 2022 ein und erholte sich 2023 kaum. Nach fünfmonatigem Wiederaufleben kam es im Oktober 2023 zu einem deutlichen Abfall (Abbildung 5). In dieser Hinsicht sind sich Silber und Gold ähnlich – institutionelle Anleger haben dem Metall offenbar den Rücken gekehrt, während es bei Privatanlegern nach wie vor hoch im Kurs steht.

Abbildung 5: Silber in LBMA-Tresoren

Abbildung 5: Silber in LBMA-Tresoren
Quelle: London Bullion Markets Association, Juli 2016 – Dezember 2023.

Silber in der nächsten Phase des Konjunkturzyklus

Wir gehen davon aus, dass die Korrelation zwischen Silber und Gold stark bleiben wird. Sollten wir also auf eine wirtschaftliche Rezession zusteuern, dürfte Silber vom Anstieg bei Gold profitieren. Die Korrelation zwischen Silber und Gold liegt seit der globalen Finanzkrise 2008 erstaunlich konstant bei etwa 0,8 (Abbildung 6). Die Korrelation von Silber mit Industriemetallen schwankte jedoch in einer 
großen Bandbreite – mal war sie positiv, mal negativ (Abbildung 6). Obwohl der Konsens 2024 eine weiche Landung erwartet, gibt es relativ wenige Beobachtungen von weichen Landungen in der 
Vergangenheit (zumindest dort, wo wir Daten zum Industriemetall-Korb haben). Ein Blick auf die 
wenigen weichen Landungen und Rezessionen zeigt, dass die Korrelation von 
Silber mit Industriemetallen tendenziell abnimmt. Im aktuellen Zeitraum (angenommen, die letzte Zinserhöhung der Federal Reserve ist im Juli 2023 erfolgt) ist die Korrelation zwischen Silber 
und Industriemetallen rückläufig.

Abbildung 6: Korrelationen von Silber

Korrelationen von Silber
Quelle: WisdomTree, Bloomberg, NBER-Rezessionsdaten, Daten zu weichen Landungen aus „Landings, Soft and Hard: The Federal Reserve, 1965–2022“, von Alan S. Binder, Journal of Economic Perspectives – Band 37, Nr. 1 – Winter 2023 – Seiten 101–120, wobei die letzte Zinserhöhung als Ausgangspunkt und das Ende zwölf Monate später zugrunde gelegt wird. Von Februar 1994 bis Januar 2024, monatliche Daten. Rollierende 12-Monats-Korrelationen. Spotpreise für Gold und Silber, Bloomberg Commodity Industrial Metals Subindex Total Return.

Silber – eine gehebelte Goldwette

Unserer Einschätzung nach wird Silber im kommenden Jahr stärker zulegen als Gold, und zwar um 
9,2 Prozent – gegenüber einem Plus von 7,3 Prozent für Gold. Bis zum vierten Quartal 2024 erwarten wir, dass der Silberpreis bei mehr als 26 US-Dollar pro Unze liegen wird (Abbildung 7). Das spiegelt 
weitgehend die langfristige Rolle von Silber als gehebelte Goldwette wider. Unseren Modellen zufolge ist der Silberpreis in der Vergangenheit bei einem Anstieg des Goldpreises um 1 Prozent um 1,4 Prozent nach oben gegangen. Obwohl diese Hebelwirkung im vergangenen Jahr schwach war, werden Zinssenkungen der nächste große Katalysator für beide Metalle sein. Zudem gehen wir davon aus, dass die industrielle Nachfrage nach Silber und die Stimmung gegenüber dem zyklischeren Metall infolgedessen weiter steigen werden. 

Abbildung 7: Silberpreisprognose von Wisdomtree

Abbildung 7: Silberpreisprognose von WisdomTree
Quelle: Wisdomtree (Prognosen), Bloomberg (historische Daten), zum 31. Januar 2023 verfügbare Daten.

Rahmenbedingungen

Angesichts der starken Korrelation zwischen Gold und Silber dürfte der Goldpreis der wichtigste 
Motor für den Silberpreis sein. Um jedoch den verbleibenden circa 20 Prozent des Preisverhaltens Rechnung zu tragen, die nicht durch Gold erklärt werden können, ziehen wir die folgenden Variablen heran:

  • Wachstum im verarbeitenden Gewerbe – mehr als 50 Prozent des Einsatzes von Silber entfällt auf 
    industrielle Anwendungen (im Gegensatz zu Gold, wo weniger als 10 Prozent auf diesen Sektor 
    entfallen). Wir verwenden den weltweiten Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden 
    Gewerbes (PMI) als Indikator für die industrielle Nachfrage.
  • Wachstum der Bergbauinvestitionen (CapEx) – je höher die Bergbauinvestitionen, desto 
    größer das in der Zukunft zu erwartende potenzielle Angebot. Deshalb setzen wir diese 
    Variable mit einer Verzögerung von 18 Monaten an. Da der überwiegende Teil von Silber als 
    Nebenprodukt bei der Gewinnung anderer Metalle anfällt, betrachten wir die 
    Investitionsausgaben der 100 größten Bergbauunternehmen – nicht nur die der reinen 
    Silberproduzenten.
  • Anstieg der Silberbestände – wachsende Bestände signalisieren eine größere Verfügbarkeit 
    des Metalls und wirken sich daher negativ auf den Preis aus. Wir verwenden Futures-Börsenbestände als Näherungswert.
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