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Aktualisiert am 28.01.2020 - 11:31 Uhrin MärkteLesedauer: 7 Minuten

Oswald Metzger zur Bundestagswahl: „Gigantische Sprengsätze“

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DAS INVESTMENT.com: Haben Sie eigentlich noch Sympathien für die Ideen der Grünen? Metzger: Mein politisches Credo als Mahner für mehr Realpolitik ist der Imperativ „Gattung Mensch, lebe so, dass die Nachkommenden auch noch ein gutes Leben haben können.“ Dabei denkt man zunächst an die ökologische Seite – das lässt sich aber in gleicher Weise auch auf den Umgang mit der Ressource öffentliche Finanzen oder auf die langfristig tragfähige Gestaltung der Sozialsysteme beziehen. Auch auf Arbeitsmärkte, die sicherstellen, dass man in einer Wettbewerbswelt mit qualifizierten Mitarbeitern kostenmäßig standhalten kann. So verträgt dieser ökologische Imperativ heute auch eine christdemokratische Stimme – besonders in Zeiten, in denen die Rolle rückwärts bei den Sozialreformen wieder in Mode kommt. DAS INVESTMENT.com: Untergräbt der politische Roll-back auch den privaten Sparwillen bei der Altersvorsorge? Metzger: Absolut. Je mehr Grundsicherung der Staat vermeintlich bietet, umso mehr machen sich Privatvorsorger mit oder ohne staatliche Förderung Gedanken, ob sie am Schluss nicht die Gekniffenen sind und im Alter über eine Erhöhung der Steuer- und Abgabenquote die Umverteilung für zigmillionen Menschen mitfinanzieren. Die gutsituierte Mittelschicht im Land, also die 7 bis 8 Millionen Selbstständigen und Freiberufler, die ordentlich ausgebildeten Akademiker oder Facharbeiter mit Meisterbrief, die klotzen ran und ziehen den Karren hier in Deutschland. Doch stoßen wir diese Klientel permanent vor den Kopf, indem ihnen immer weniger netto vom Brutto bleibt. So ist es kein Wunder, dass genau diese Leute angewidert Fernsehdiskussionen wegzappen, wo Politiker über weitere Wohltaten räsonieren statt die Finanzierungsseite ehrlich zu benennen. DAS INVESTMENT.com: Nicht gerade förderlich für die private Altersvorsorge war wohl auch, dass vor kurzem eine Verbraucherzentrale alle Versicherungen nach dem Ampelprinzip auf Rot gesetzt hatte. Sollte die Politik nicht mehr Einfluss auf solche Institutionen nehmen, die immerhin mit öffentlichen Geldern unterstützt werden? Metzger: Wenn die politische Mehrheit alles tut, um die umlagefinanzierten Systeme teurer zu machen, ist sie ein schlechter Ratgeber für mehr Vernunft bei den Verbraucherzentralen. Da hilft nur mehr ordnungspolitische Grundsatztreue und die offene Diskussion über die Wahrheit, dass eine alternde Gesellschaft niemals ausschließlich auf kollektive Sicherungssysteme setzen kann. DAS INVESTMENT.com: Die Verbraucherzentrale hatte aber auch die politisch gewollte Rürup-Rente auf Rot gesetzt. Metzger: Da müssen wir nicht lange drumherum reden. Man hat die Rürup-Finanzprodukte ganz bewusst politisch gefördert, um auch Freiberuflern und Selbstständigen eine Chance zu geben. Wer dann zulässt, dass dies unter der Parole „Verbraucherschutz“ konterkariert wird,  hat nicht alle Tassen im Schrank. DAS INVESTMENT.com: Zurück zur Wahl. Der Arbeitgeberverband der finanzdienstleistenden Wirtschaft hat unter Finanzberatern eine Umfrage gestartet, welche Partei von ihnen gewählt wird. Dabei schneiden CDU und SPD schlecht ab, die FDP kommt auf fast 60 Prozent. Ist das für Sie hinnehmbar? Metzger: Finanzdienstleister sind bestimmt keine wahlrelevante Gruppe, aber in einer Gesellschaft sehr wichtig, die auf mehr Eigenverantwortung und tragfähige Vorsorgekonzepte setzt. Wenn man entsprechende Politik  macht, wird man auch bei dieser Berufsgruppe stärker punkten. Da hat es aber eine kleinere Partei einfacher als eine Volkspartei. Und dabei spielt auch die alte, politisch nicht ganz korrekte Diskussion hinein, ob jeder Bürger auch eine Stimme haben sollte. In einigen Bundesländern ist die Mehrheit der Wahlberechtigten bereits Transferleistungsempfänger. Wobei es ein großer Unterschied ist, ob jemand sein Leben lang gearbeitet hat und die erworbene Pension oder Rente bezieht oder immer schon Sozialtransfers bezieht. Aber am Schluss sind diejenigen in der Demokratie in der Minderheit, die durch ihre Wertschöpfungsaktivitäten im aktiven Arbeitsprozess eigentlich alles erst möglich machen. Zur Person: Oswald Metzger hat in seiner politischen Laufbahn einige Häutungen hinter sich. Von 1974 bis 1979 war er SPD-Mitglied, ab 1987 Mitglied der Grünen. Im Februar 2007 trat er im Streit über die wirtschafts- und sozialpolitische Linie der Grünen aus der Partei aus und legte sein Landtagsmandat nieder. Seit April 2007 ist er in der CDU („Ich habe die Partei, nicht die Gesinnung gewechselt“). Seither ist es Metzger nicht gelungen, für die CDU ein Mandat zu übernehmen – was wohl auch daran liegt, dass er seit jeher kein Blatt vor den Mund nimmt. Bei den Grünen war Metzger auf Bundesebene haushaltspolitischer Sprecher und von 2000 bis 2002 Obmann im Finanzausschuss, auf Landesebene in baden-Württember finanzpolitischer Sprecher. Er bezeichnet sich als „ordoliberaler Realpolitiker“ in der Tradition Ludwig Ehrharts. Sein aktuelles Buch „Die verlogene Gesellschaft“ erschien im März 2009.

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