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Türkei-Krise „Showdown am Bosporus, Maduro lässt grüßen“

Markus Richert

„Balık ağa girdikten sonra aklı başına gelir“ (Ein Fisch kommt nur zur Vernunft, wenn er im Netz gefangen ist), so lautet ein altes türkisches Sprichwort. Gerne begründet der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seine Politik mit Verweisen auf die Bedeutung des ehemaligen Weltreichs der Osmanen. Vielleicht sollte sich der Regierungschef auch einmal mit den alten osmanischen Volksweisheiten beschäftigen. Denn es wird Zeit, dass er endlich zur Vernunft kommt und seine Politik der letzten Monate den Realitäten anpasst.

Für manchen Beobachter ist es dafür schon fast zu spät. Für sie steht die Türkei bereits kurz vor der Insolvenz. Die türkische Lira stürzt seit Wochen von einem Rekordtief zum nächsten. Sie hat in einem Jahr fast 50 Prozent an Wert eingebüßt. Bewegungen an den Währungsmärkten gelten häufig als treffsicherer Indikator für zukünftige Krisen. Bereits seit einiger Zeit liegt der Geruch der Krise über der Türkei, kommt es jetzt zum Showdown am Bosporus?

Inflation außer Kontrolle

Der Wertverlust der türkischen Lira bedeutet, dass die Mehrheit der Türken, die sich nicht gegen den Verfall absichern konnten, um 50 Prozent enteignet wurden. Neben der Währung steht auch die türkische Börse massiv unter Druck. Sie ist in den letzten Monaten um 40 Prozent eingebrochen. Zeitgleich scheint die Inflation außer Kontrolle zu geraten. Aktuell liegt sie bei fast 16 Prozent, das ist selbst für türkische Verhältnisse hoch.

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Der Verfall der türkischen Währung wirkt jetzt wie ein Brandbeschleuniger auf die Inflation. Diese wird sich, sofern die Notenbank nicht handelt, massiv erhöhen. Eigentlich, so der ökonomische Konsens, müsste die türkische Zentralbank reagieren und die Leitzinsen stärker anheben. Dadurch würde dem Wirtschaftskreislauf am Bosporus Geld entzogen und ein weiterer Anstieg der Inflation begrenzt. Noch leistet sich der türkische Präsident allerdings den Luxus einer eigenen Meinung, weit entfernt vom ökonomischen Sachverstand. Niedrige Zinsen bedeuten niedrige Inflation, so seine einfache Logik.

Zeitgleich baut Erdogan die Türkei zum Familienunternehmen um und ernennt seinen 40-jährigen Schwiegersohn Berat Albayrak zum Finanzminister. Auch wenn dieser auf dem Papier, Studium der Betriebswirtschaft in Istanbul und New York, für das Amt durchaus qualifiziert sein mag, begegnen die internationalen Finanzmärkte diese Ernennung mit Misstrauen. Es wird bezweifelt das sich der „Kronprinz“ gegen seinen Schwiegervater stellen wird. Auch wenn die türkische Zentralbank formal noch unabhängig ist, den Beweis dafür bleibt sie bisher schuldig.

In der letzten Woche spitzte sich die Krise dann noch weiter zu, als es zum offenen Schlagaustausch mit den USA kam. Donald Trump erhöhte die Strafzölle auf Stahl und Aluminium für die Türkei und heizte damit den Abwärtstrend der türkischen Währung weiter an. Für Erdogan ein weiterer Beweis für eine westliche Verschwörung. Damit bringt er zwar erst einmal seine Landsleute hinter sich, lenkt von eigenen Verfehlungen der letzten Jahre ab, löst aber die grundsätzlichen Probleme seiner angeschlagenen Wirtschaft nicht.

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