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Werkeln an Europa: Die Ergebnisse des jüngsten EU-Gipfels

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Wie funktionsfähig ist eine „Hebellösung“ (Kern des jetzigen Rettungsfonds EFSF) überhaupt noch, wenn die Ratingagenturen Frankreich herabstufen? Die EFSF-Anleihen werden dann keine AAA-Note mehr erhalten, wie bislang noch vorgesehen. Die Risikonivellierung zwischen Italien/Spanien und dem bisherigen AAA-bewerteten Kern wird entsprechend geringer ausfallen. Oder anders formuliert: Die Hilfen des Euro-Kerns für die Euro-Peripherie werden teurer.

Über den höheren Beitrag zum IWF beginnt bereits jetzt der Streit. Die US-Regierung hat am Wochenende verdeutlicht, dies sei im Wesentlichen eine europäische Angelegenheit, und will keine zusätzlichen Mittel bereitstellen. Wenn große Drittstaaten nicht zahlen, kann dies die Einigung in der Eurozone erschweren. Der deutsche Beitrag soll darin bestehen, dass die Bundesbank Währungsreserven (möglicherweise auch Gold) in Höhe von Euro 45 Mrd. an den IWF überträgt. Allerdings soll der Deutsche Bundestag darüber abstimmen und die damit einhergehende Erhöhung des Risikos für Deutschland absegnen. Das Ende Oktober abgegebene Versprechen der deutschen Regierung, den bisherigen Garantierahmen von Euro 211 Mrd. nicht zu überschreiten, klingt noch im Ohr … Eine brisante ungeklärte Frage ist auch: Leisten die großen Hilfekandidaten Italien und Spanien auch einen Beitrag? Wenn ja – was wahrscheinlich ist –, mindert dies natürlich den Gesamtwert des Beitrags.

Der künftige Rettungsfonds ESM: Erneut „Ja, aber …“ aus der Sicht des Kapitalmarktes

Positiv aus Kapitalmarktsicht ist: Die Privaten sollen nach dem Willen der Regierungschefs künftig nicht mehr beteiligt werden, wenn ein Land Hilfen vom ESM beantragt. Dies bedeutet eine Wende um 180 Grad insbesondere der deutschen Politik. Die ursprüngliche Regelung, die Privaten innerhalb des ESM-Regimes über einen Schuldenschnitt an künftigen staatlichen Hilfen mit zu beteiligen, hat sicher die Sensibilisierung für das Risiko der Euro-Peripherie erhöht. Insofern könnten sich mit dieser Neuregelung die unmittelbaren Risiken für Portugal verringern, nach Griechenland den offensichtlichsten Kandidaten für einen Schuldenschnitt. Und in der Tat ist die portugiesische Zinskurve (Zinsen auf 10-jährige Anleihen minus Zinsen auf 2-Jährige) als Indikator für eine unmittelbare „Rasur“ weniger negativ als noch Anfang November. Aber es gilt unverändert: Über die Kreditwürdigkeit entscheiden letztlich die Fundamentaldaten. ESM-Kredite erhalten dieselbe Hierarchiestufe wie IWF-Kredite, sie sind also vorrangig vor privaten Ansprüchen. Private werden nüchtern die Schuldentragfähigkeit analysieren und die Risiken eines Kaufs portugiesischer oder anderer Anleihen wohl abzuwägen wissen – zumal es im Zusammenhang mit IWF-Krediten immer wieder auch private Umschuldungen gegeben hat.

Aus der Sicht des Marktes ist negativ: Der ESM erhält keine Banklizenz. Damit hätte sich der Rettungsfonds ungehindert über die EZB refinanzieren können, was eine indirekte Staatsfinanzierung durch die Notenbank bedeuten würde. Nun bleibt es dabei, dass er den – unbequemen – Weg über den Kapitalmarkt und die Emission von Anleihen beschreiten muss.

Darüber hinaus zeigt der ESM, wie hoch die Risiken der kommenden politischen Abstimmungsprozesse und die mögliche Verwässerung der Maßnahmen sind. Nach den Gipfel-Beschlüssen werden Hilfsentscheidungen des ESM mit einer qualifizierten Mehrheit von 85% getroffen. Damit haben große Länder wie Deutschland oder Frankreich ein Vetorecht. Notorische „Wackelkandidaten“ wie die kleinen Länder Finnland oder Slowakei haben dies nicht. Finnland hat daraufhin bereits angedroht, sich vom ESM zurückzuziehen, sollte diese Mehrheitsregel nicht aufgegeben werden.

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