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Makroökonomischer Ausblick Neue Wege: Geld- und Finanzpolitik rücken zusammen

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FISKALPOLITIK WIRD ZUM RÜCKENWIND

Die Finanzpolitik in den großen Industrieländern wird aller Wahrscheinlichkeit nach die lahmende Konjunktur im kommenden Jahr eher befördern als behindern. In den Vereinigten Staaten kam es zu einem Haushaltskompromiss, der die Schuldengrenze bis zum März 2017 aufhebt und die Ausgaben des Bundes um mehr als 80 Milliarden US-Dollar über die nächsten zwei Jahre erhöht. Damit ist zum einen das Risiko eines politisch erzwungenen Zahlungsausfalls des Staates vorerst vom Tisch. Zum anderen bewirken die höheren Staatsausgaben einen Nachfrageimpuls von etwa 0,25% im Jahr 2016 und 0,15% im Jahr 2017 – das ist zwar nicht besonders viel, aber jeder Viertelpunkt zählt für eine Volkswirtschaft, deren Potenzialwachstum derzeit nur noch etwa magere 1,75 Prozent beträgt.

Außerdem besteht Hoffnung, dass es noch vor der Präsidentenwahl Ende nächsten Jahres zusätzliche fiskalische Unterstützung durch staatliche Infrastrukturprojekte und eine Unternehmenssteuerreform geben könnte. Atem anhalten lohnt sich allerdings nicht: Wirklich wahrscheinlich wird ein solcher Deal wohl erst nach der Wahl.

Auch in der Eurozone dürfte die Finanzpolitik im kommenden Jahr leicht expansiv wirken. Das hat zwei Gründe: die staatliche Sparmüdigkeit und die Massenzuwanderung. Erstere ist weit verbreitet nach vielen Jahren der Einschnitte und Steuererhöhungen. Sowohl die französische als auch die italienische Regierung sträuben sich hartnäckig gegen das Verlangen der Europäischen Kommission nach mehr Budgetdisziplin.

Noch bedeutender ist allerdings der nicht versiegende Zustrom an Kriegsflüchtlingen und anderen Einwanderern nach Deutschland, Österreich und in andere Mitgliedsländer der EU. Die staatlichen Ausgaben etwa für Unterkünfte, Nahrung, medizinische und psychologische Versorgung und Bildung wirken in den Empfängerländern wie ein klassisches Konjunkturprogramm. Bei einer geschätzten Zuwanderung nach Deutschland in der Größenordnung von 1,5 Prozent der Gesamtbevölkerung könnte der Nachfrageimpuls das deutsche BIP-Wachstum im nächsten Jahr um bis zu 1 Prozent erhöhen.

In Japan deutet vieles auf ein staatliches Konjunkturpaket für 2016 hin, das schon im November angekündigt werden könnte. Ende Oktober ließ die Bank von Japan trotz einer erneuten Abwärtsrevision ihrer Wachstums- und Inflationsprognosen die Gelegenheit verstreichen, ihr Programm der „quantitativen und qualitativen Lockerung“ weiter auszudehnen. Einflussreiche Regierungsberater wie Etsuro Honda und Koichi Hamada haben zuletzt fiskalpolitische Maßnahmen anstelle von geldpolitischer Lockerung angemahnt. Für 2016 stehen damit die Zeichen auf eine expansivere Finanzpolitik. Und ob die schon beschlossene erneute Anhebung der Verbrauchsteuer im April 2017 tatsächlich kommt, wird sich noch erweisen.

KONSEQUENZEN DER NEUEN FISKALPOLITIK

Der Umschwung der weltweiten Fiskalpolitik von einer Konjunkturbremse zu einer behutsamen Förderin der schwachen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage hat zumindest drei Konsequenzen:

1. Der fiskalpolitische Rückenwind für das bescheidene, bucklige und brüchige (BBB) weltwirtschaftliche Wachstum sollte die Preise risikobehafteter Anlagen – zum Beispiel Aktien und Unternehmensanleihen – beflügeln.

2. Der Druck auf die Notenbanken, zusätzliche und immer neue Mittel der geldpolitischen Lockerung zu finden, lässt nach. Ganz verschwinden wird er allerdings angesichts des Unterschießens der Inflationsziele so bald nicht.

3. Je nachdem, wie stark und dauerhaft die fiskalischen Impulse ausfallen, könnten sie helfen, die negativen Auswirkungen der weltweiten Sparflut auf den gleichgewichtigen Zins zu mildern und damit zu einem moderaten Anstieg der realen und nominalen Kapitalmarktzinsen beizutragen.

Zugegeben: Der sich derzeit abzeichnende Kurs der weltweiten Finanzpolitik im kommenden Jahr reicht nicht aus, Nachfrage, Preise und Zinsen signifikant zu erhöhen. Aber in einer dahinsiechenden Weltwirtschaft mit BBB-Wachstum und Inflationsraten, die weit unter dem Ziel liegen, zählt jeder Cent, den die Regierungen beitragen können. Insofern ist der mehr oder weniger freiwillige Kurswechsel der Finanzpolitik nicht zu verdammen, sondern zu begrüßen.

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