Christoph Fröhlich
12.05.2023

Trade-Republic-Gründer „Die Rentenlücke ist das größte gesellschaftliche Problem nach dem Klimawandel“

Christian Hecker ist einer der Gründer des Neobrokers Trade Republic
Christian Hecker ist einer der Gründer des Neobrokers Trade Republic
© IMAGO / tagesspiegel / Canva

Trade Republic ist einer der Überflieger der deutschen Fintech-Szene. Die Broker-App, mit der Kunden via Smartphone ein Depot eröffnen und ohne Provision Aktien, ETFs und Derivate handeln können, traf bei der jungen Generation ins Schwarze. Und im Gegensatz zum US-Pendant Robinhood ist die App aus Deutschland keine Eintags-Fliege, sondern wächst immer weiter. Die Ambitionen sind groß – ebenso wie die Forderungen des Mitgründers Christian Hecker, wie dieser nun im Rahmen der Finance Forward Konferenz und der OMR-Konferenz in Hamburg ausplauderte.

Zur konkreten Zahl der Trade-Republic-Nutzer hält sich Christian Hecker bedeckt. Es seien „mehr als eine Million“, erklärt das Unternehmen. Diese Zahl wird allerdings seit rund zwei Jahren genannt. In der Realität dürften es mittlerweile deutlich mehr sein. Man munkelt in der Branche, die Zahl der aktiven User liege mittlerweile bei mehr als drei Millionen. Der Großteil der Nutzer dürfte aus dem deutschsprachigen Raum stammen, Trade Republic ist jedoch auch in weiteren Märkten verfügbar. Die Zahl kommentiert Hecker im Gespräch mit Philipp Westermeyer und Caspar Tobias Schlenk nicht. Er gibt sich jedoch selbstbewusst: „Wir würden uns heute selbstbewusst als größte Sparplattform Europas bezeichnen.“

Zins-Aktion sorgt für Nutzer-Boost

Zum Wachstum beigetragen hat auch die Zins-Aktion Anfang des Jahres. Als eine der ersten Plattformen überhaupt ließ der Neobroker seine Nutzer an der Zinswende teilhaben. Zwei Prozent Zinsen für alle, das war das medienwirksame Versprechen. Es kam zu einer Zeit, als Banken bereits wieder Geld mit ihren Einlagen verdienten, die meisten Geldinstitute jedoch kaum etwas davon weitergaben.

 

Medienberichten zufolge verzeichnete Trade Republic Zuflüsse in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro innerhalb weniger Tage. Ohne konkrete Zahlen zu nennen, bestätigt Hecker den Erfolg der Aktion, er vergleicht sie mit der Situation Anfang 2021, als der Hype um Meme-Stocks viele neue Nutzer an die Börse brachte. „Die Anzahl der Downloads ist sehr ähnlich. Das hatte einen nachhaltigen Effekt auf das Geschäft.“ Den Erfolgsfaktor erklärt Hecker so: „Zinsen sind ein sehr einfaches Produkt, das jeder versteht. Viele Menschen haben durch Trade Republic das erste Mal überhaupt Zinsen bekommen.“

Einfachheit als Erfolgsfaktor

Hecker, studierter Philosoph und BWLer, ist überzeugt, dass das schlanke Design der App ein wesentlicher Baustein ist.  „Wir haben nie viel in Brand Marketing investiert“, sagt er. „Wir haben das meiste Geld in eine todeseinfache App investiert, in der jeder mit drei Taps Geld anlegen kann.“ Vorbild für die Gestaltung der App sei etwa AirBnB gewesen.

Diese Einfachheit auf den Prozess der Geldanlage zu übertragen, sei bis heute der Schlüssel zum Erfolg. „Wir reduzieren die Auswahl, wir reduzieren die Komplexität. Wir nehmen den Kunden viele Entscheidungen ab, die ohnehin für ihn unwichtig sind. Bei vielen Banken gibt es zum Beispiel noch 10 bis 15 Börsenplätze, die ich auswählen kann. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Diese Entscheidung ist 2023 nicht mehr wichtig.“

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Die Sache mit den Bewertungen

Der Aufstieg von Trade Republic ging lange Zeit mit immer neuen Rekordbewertungen einher. 2021 wurde das Fintech mit 4,3 Milliarden Euro bewertet, 2022 bereits mit 5 Milliarden. In Finanzierungsrunden sammelte das Gründer-Team insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro. Von diesem Geldpolster zehrt das Unternehmen nun, wo Wachstum wieder seinen Preis hat und viele Start-ups ums Überleben kämpfen.

Dass die eigene Unternehmensbewertung nun vermutlich deutlich niedriger liegt, sei für Hecker nebensächlich, wie er im Interview erklärt. „Man muss immer schauen, in welcher Marktphase man sich befindet. Ich halte nicht viel von Momentaufnahmen. Die gleichen Bänker, die heute sagen, die Firma sei X wert, wollten letztes Jahr noch für 10 Milliarden einen Börsengang mit uns machen. Da muss man Ruhe bewahren.“

 

Die Aktienrente sei „in der Größe nicht ausreichend“

Dass Hecker sich optimistisch zeigt, liegt auch am Format des Sparplans. Der Großteil der Nutzer kaufe Monat für Monat mithilfe von Sparplänen, Aktien oder ETFs. „Das Geschäft ist auf das langweilige Sparen fokussiert.“

Hecker gibt sich überzeugt, dass die besten Tage noch vor ihm liegen. „Die Rentenlücke ist das größte gesellschaftliche Problem in Europa nach dem Klimawandel. Das Problem wird uns alle betreffen und der Markt ist gigantisch groß.“ Zwar habe der Staat das Problem mittlerweile erkannt und mit der Aktienrente („Dass wir die Worte Aktie und Rente in einem Satz verwenden, ist erst einmal gut“) erste Schritte zur Lösung unternommen. Doch der Weg sei noch weit. „Was wir da machen, ist ideologisch gut, aber in der Größe nicht ausreichend.“

Hecker fordert weiter den großen Wurf der Politik. „Wir benötigen in dieser Legislaturperiode eine Rentenreform, die endlich auch mal ambitioniert ist. Die über Vorteile redet und nicht nur über Downside-Protection und über Ausfallgarantien. Wir brauchen heute eine Incentivierung, damit es für den 18-Jährigen da draußen selbstverständlich ist, Geld anzulegen.“ Dieses „gesamtgesellschaftliche Umdenken“ müsse von der Politik gestartet werden.

„Meine Hoffnung wäre, dass wir irgendwann nicht mehr nur ein Friday For Future haben, sondern auch ein Friday For Future Wealth. Dass die Leute auf die Straße gehen und mehr von der Rente fordern.“

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