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Shareholder-Aktivismus, Teil 1 Geißel oder Segen für die Aktienkultur?

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Das Ende der bereits bröckelnde Deutschland AG – gerade Banken wollten ihre oft wenig einträglichen Industriebeteiligungen lieber heute als morgen los werden, um das Kapital in das deutlich mehr Gewinn versprechende Investmentbanking zu stecken – besiegelte im Jahr 2001 die rot-grüne Bundesregierung. Sie ermöglichte die steuerfreie Veräußerung von Beteiligungsgewinnen, was zu einer wahren Verkaufswelle führte. Die Folge war nicht nur eine deutliche Erhöhung des Streubesitzes bei vielen deutschen AGs sondern auch der Einstieg etlicher ausländischer Investoren. Damit waren die Karten neu gemischt.

Der Vorteil des aktivistischen Ansatzes im Gegensatz zu dem eines langfristig orientierten Investors liegt in der klaren Zielvorgabe. Die in Frage kommenden Unternehmen werden nach einem definierten Raster analysiert. Gesucht wird dabei weniger nach unterbewerteten Ertragsperlen, sondern nach Gesellschaften, die die Möglichkeit zum Einhaken bieten. Dazu gehören etwa niedrige Hauptversammlungspräsenzen bei gleichzeitig hohem Streubesitz, eine hohe Liquidität, bilanziell unterbewertete Vermögensgegenstände, komplexe Geschäftsmodelle oder eine unklare strategische Positionierung. Auch Unternehmen mit umstrittenem Management oder schwachem Aufsichtsrat geraten schnell ins Visier von Aktivisten. Beliebt sind zudem komplexe Firmenkonglomerate, da der alte Lehrsatz, dass die Summe der Teile mehr wert ist als das Ganze, vielen Börsenteilnehmern ohne Probleme einleuchtet.

Ebenso zielgerichtet und strategisch wie die Auswahl des jeweiligen Investitionsobjekts erfolgt im Anschluss daran der Einsatz der Maßnahmen. Welches Tool aus dem Werkzeugkasten dann tatsächlich genutzt wird, hängt dabei davon ab, welche Ansatzpunkte identifiziert wurden. Das kann in kurzfristig ausgerichteten Strategien die Ausschüttung von Liquidität sein, etwa über Sonderdividenden, Aktienrückkäufe oder auch mittels Auflösung gebildeter Rücklagen. Selbst die Durchsetzung schuldenfinanzierter Liquiditätsausschüttungen ist – wenn sich genug Unterstützer finden - durchaus möglich. Ebenfalls zum Repertoire gehört die Erzeugung außerordentlicher Gewinne etwa durch das Heben stiller Reserven.

Nicht immer sind die Aktivisten nur auf den schnellen Euro aus. Bei manchen Investments verfolgen sie durchaus auch mittelfristige Ziele. Dabei geht es oft darum, eine Unternehmensstrategie zu ändern, die nach Überzeugung des aktivistischen Aktionärs zur Unterbewertung an der Börse führt. Betroffen sind hier insbesondere Firmenkonglomerate wie gerade ThyssenKrupp. Gefordert wird dann etwa die Trennung von Randbereichen und die Konzentration auf das Kerngeschäft. Verbunden ist das meist mit dem Bestreben, das für die als falsch erkannte Strategie zuständige Management auszutauschen. Bei ThyssenKrupp konnte exemplarisch beobachtet werden, wie erfolgreich ein solches Vorgehen selbst dann sein kann, wenn es einen großen Ankeraktionär gibt.

Unterm Strich ist Shareholder Activism nicht grundsätzlich zu verurteilen. Oft ist es gerade der mitleidlose Blick von außen, der vorhandene Missstände offenlegt. Zudem sind auch Aktivisten an das Aktienrecht gebunden. Sie müssen somit auf den Hauptversammlungen Mehrheiten für die von ihnen angestrebten Änderungen organisieren, wenn sie Erfolg haben wollen. Das geht nicht ohne die anderen Aktionäre. Trotzdem gibt es natürlich auch immer wieder Fälle, in denen Aktivisten ein Unternehmen ohne Rücksicht auf Verluste und extrem aggressiv unter Druck setzen, um möglichst schnell möglichst viel Geld herauszupressen. Verleumdungen, Drohungen und Klagen gehören dabei zum ganz normalen Wahnsinn.

Über den Autor:
Jürgen Kurz ist Sprecher der Anlegerschutzvereinigung DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz), die sich für die Wahrung der Interessen privater Anleger in Deutschland einsetzt. Seit über 20 Jahren beschäftigt er sich mit Themen rund um die Bereiche Anlegerschutz und Kapitalmarkt.

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