Ifo-Präsident Clemens Fuest
Digitalisierung und Steuerpolitik
Clemens Fuest ist Präsident des Ifo-Instituts in München. Foto: Ifo-Institut
Die Digitalisierung führt in vielen Bereichen der Wirtschaft zu einem tiefgreifenden Wandel. Das Erfassen und Verarbeiten von Daten spielt eine wachsende Rolle, immaterielle Wirtschaftsgüter werden für die Wertschöpfung immer bedeutender, neue Geschäftsmodelle entstehen, die Grenze zwischen Güter- und Dienstleistungshandel wird unschärfer und Wettbewerbsmärkte verändern sich.
Mittlerweile sind die sechs wertvollsten Unternehmen der Welt ausnahmslos Technologieunternehmen mit starkem Digitalisierungsbezug. Fünf davon kommen aus den USA, eines aus China (vgl. Abb.). Der Marktwert von Apple nähert sich der Grenze von 1.000 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Das deutsche Technologieunternehmen SAP hat einen Börsenwert von 139 Milliarden US-Dollar und liegt damit weltweit auf Platz 57, Siemens liegt bei 112 Milliarden US-Dollar (Platz 74), Volkswagen erreicht als wertvollster deutscher Automobilkonzern einen Wert von 101 Milliarden US-Dollar (Platz 88).
Steuerpolitischer Handlungsbedarf durch Digitalisierung?
Der dramatische...
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Mittlerweile sind die sechs wertvollsten Unternehmen der Welt ausnahmslos Technologieunternehmen mit starkem Digitalisierungsbezug. Fünf davon kommen aus den USA, eines aus China (vgl. Abb.). Der Marktwert von Apple nähert sich der Grenze von 1.000 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Das deutsche Technologieunternehmen SAP hat einen Börsenwert von 139 Milliarden US-Dollar und liegt damit weltweit auf Platz 57, Siemens liegt bei 112 Milliarden US-Dollar (Platz 74), Volkswagen erreicht als wertvollster deutscher Automobilkonzern einen Wert von 101 Milliarden US-Dollar (Platz 88).
Steuerpolitischer Handlungsbedarf durch Digitalisierung?
Der dramatische Aufstieg der US-Technologieunternehmen hat zu einer Diskussion darüber geführt, ob Europa und Deutschland mit ihrer Dominanz herkömmlicher Industrieunternehmen ins Hintertreffen geraten. Viele Industrieunternehmen investieren durchaus in die Nutzung digitaler Technologien im Rahmen ihrer Geschäftsmodelle (Industrie 4.0). Die Investoren an den Finanzmärkten zeigen sich davon jedoch nicht sonderlich beeindruckt, große Erfolge werden hier offenbar nicht erwartet.
Vor diesem Hintergrund beschäftigen sich politische Entscheidungsträger in Europa zunehmend mit der Digitalisierung. In vielen Bereichen der Wirtschafts- und Finanzpolitik werden Anstrengungen unternommen, damit Europa die Chancen der Digitalisierung nutzen kann. Für die Steuerpolitik wirft die digitale Revolution die Frage auf, ob die bestehenden Regelungen und Verfahrensweisen des Steuersystems auch unter den neuen Bedingungen funktionieren oder ob Reformen erforderlich sind. Dabei geht es zum einen darum, die Digitalisierung zu fördern. Beispielsweise betont die Europäische Kommission auch in ihren steuerpolitischen Überlegungen, dass die Schaffung eines „digitalen europäischen Binnenmarktes“ hohe Priorität hat (vgl. European Commission 2017, S. 2). Zum anderen gilt es, dafür zu sorgen, dass Unternehmen der Digitalwirtschaft angemessen besteuert werden.
In der öffentlichen Debatte in Europa steht die Besteuerung der international agierenden Digitalkonzerne im Vordergrund. Einige dieser Unternehmen sind durch spektakuläre Steuervermeidungsstrategien aufgefallen. Sicherlich hat diese Diskussion aber auch damit zu tun, dass der Erfolg der US-Tech-Giganten Begehrlichkeiten weckt. Damit verbunden ist die verbreitete Auffassung, dass die Digitalisierung zu einer unerwünschten Machtverschiebung zu Gunsten der Internetkonzerne führt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist beispielsweise der Meinung, dass die mit der Digitalisierung einhergehende zunehmende Sammlung und Nutzung von Konsumentendaten grundlegende Gerechtigkeitsprobleme aufwirft. Sie hat deshalb gefordert, Daten aus Gerechtigkeitserwägungen zu besteuern: „Die Bepreisung von Daten, besonders derjenigen der Konsumenten, ist aus meiner Sicht das zentrale Gerechtigkeitsproblem der Zukunft … Da liegt die Gefahr einer großen Ungerechtigkeit auf der Welt ... Das müssen wir in unser Steuersystem einarbeiten.“ (Zeit Online 2018)
Die Europäische Kommission sieht ebenfalls Handlungsbedarf, allerdings aus anderen Gründen. Sie argumentiert, zwischen Unternehmen mit herkömmlichen Geschäftsmodellen einerseits und der Digitalwirtschaft andererseits bestehe ein Steuergefälle zu Gunsten der Digitalwirtschaft. Dieses Gefälle führe zu unfairer Besteuerung und verzerre den Wettbewerb. Die Europäische Kommission hat deshalb vorgeschlagen, als kurzfristige Korrekturmaßnahme eine Steuer auf Umsätze von Großunternehmen im Bereich der Digitalwirtschaft einzuführen. Langfristig will sie die internationalen Besteuerungsregeln ändern. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Konzept der „Digitalen Betriebsstätte“.
In der öffentlichen Debatte über Digitalisierung und Steuern spielt das Problem der internationalen Steuervermeidung eine zentrale Rolle. Vor allem großen US-Firmen wie Google und Amazon wird vorgeworfen, dass sie ihre Gewinne größtenteils einer ordnungsgemäßen Besteuerung entziehen. Für viele dieser Unternehmen spielen digitale Geschäftsmodelle eine Rolle. Allerdings ist internationale Steuervermeidung nicht allein ein Problem der Digitalwirtschaft.
In diesem Beitrag wird diskutiert, ob die derzeit diskutierten Reformkonzepte, vor allem der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Besteuerung der Digitalwirtschaft, in die richtige Richtung weisen.
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